Wählerinteressen sind volatil. Niemand weiß das besser als die FDP, die 2013 in hohem Bogen aus dem Bundestag katapultiert wurde und jetzt ein fulminantes Comeback erlebt: Die letzten Landtagswahlen haben gezeigt, dass keine andere Partei so sehr von Merkels Kurs in die politische Mitte, dem Abdriften der AfD in die nationalkonservative Ecke – nicht immer ist die AfD wohl die logische Alternative für enttäuschte wirtschaftsliberale CDU Wähler – und den aktuellen Entwicklungen auf dem internationalen Parkett zu profitieren scheint wie die FDP. Durch die populistischen Töne eines Boris Johnson, Geert Wilders oder natürlich Donald Trumps scheinen die Wähler wirtschaftsliberale Parteien wie die FDP auf einmal wieder in einem freundlicheren Licht zu sehen. Freiheit, Reformen, Selbstbestimmung, Steuerentlastung: Solche Themen sind wieder attraktiv.

Hochmut kommt vor dem Fall

Dennoch: Es hat den Anschein als stecke der FDP der Schrecken der letzten Niederlage bei den Bundestagswahlen noch in den Knochen. Trotz ihrer überraschend guten Ergebnisse bei den letzten drei Landtagswahlen, übt sie sich derzeit noch in Vorsicht und wird nicht müde, zu betonen, dass die Partei den Wahlkampf „selbstbewusst, aber nicht mit Übermut“ angehe werde. Besonders Christian Lindner, Spitzenkandidat der Freien Demokraten, ruft zu Mäßigung auf: Wiederholt erklärte er, die FDP sei bereit, mit der Union zu koalieren, sei aber auch mehr als zufrieden damit, eine starke Opposition zu stellen.
Die Wahlergebnisse der SPD im Saarland, in Schleswig-Holstein und in NRW sind eine Warnung für die FDP: Sie möchte einen sogenannten „Lindner-Effekt“ und damit potenziellen „Lindner-Absturz“ unter allen Umständen vermeiden: Das heißt nicht nur von den politischen Fehlern der SPD zu lernen, sondern auch, nicht alles auf eine Person zu setzen.

Inhalt statt Personenkult

Die FDP weiß, dass ihr Wahlkampf konkrete Aussagen braucht, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Daher setzt sie vermehrt auf Themen, die sowohl in der Bevölkerung wie auch im politischen Berlin Anklang finden: EU-Reformen, Datenschutz, Investitionen in digitale Bildung oder die Einführung eines Digital-Ministers — eine Idee, der auch die Grünen und Linken durchaus etwas abgewinnen können. Schwierig ist, dass die FDP in puncto Wirtschafts- und Steuerreformen auf altbewährte Maximalforderungen setzt. In Talkshows argumentiert Lindner nicht mit Steuersenkungen, sondern mit Steuerabschaffung, etwa der Abschaffung der Strom- oder Grunderwerbsteuer. Solche Ziele sind natürlich nichts Neues für FDP-Wähler, können aber insbesondere dann problematisch werden, wenn sie die Kernthemen des Wahlprogramms in der Öffentlichkeit werden.
Damit setzt sich die FDP der Gefahr aus, 2013 zu wiederholen: Sie hatte auch 2009 als Koalitionspartner Vieles vollmundig versprochen, doch die Unfähigkeit, diese Politik auch umzusetzen, begründete ihre Wahlniederlage. Es wäre wichtig, dass die FDP Themen vorstellt, die auch realistisch umsetzbar sind, insbesondere mit Blick auf eine mögliche „Jamaika-Koalition“. Dass sie das kann, hat man auf Kommunalebene gesehen: In Berlin zum Beispiel, wo die FDP sich dafür eingesetzt hat, „Tegel zu retten“, konnte sie eine breite Koalition an Unterstützern für sich gewinnen und einen Volksentscheid ermöglichen. Wenn die Partei sich auf solche Themen konzentriert, die überparteilich unterstützt werden, könnte sie nach der Wahl erfolgreich koalieren.
Eins ist klar: Für die FDP ist Politik ein Balanceakt. Die Partei muss das Gleichgewicht finden und eine gute, starke Alternative zur AfD und CDU sein, aber gleichzeitig kompatibel genug mit der CDU bleiben, um mit ihr eine mögliche Koalition zu bilden.

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Mariella Roque

Mariella Roque

Mariella Roque ist seit diesem Jahr Beraterin in der Public Affairs Practice von FleishmanHillard Germany in Berlin und berät nationale und internationale Kunden aus den Bereichen Finance und Digital. Sie hat einen Masterabschluss in Politikwissenschaft von der Universität Potsdam.
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