Der Bundestagswahlkampf hat begonnen – und als demokratiebejahender Bürger muss man sich langsam entscheiden, wo denn am 24. September die Haken gesetzt werden sollen. Bei der Entscheidungsfindung hilft ein Blick ins Wahlprogramm. Bereits online abrufbar sind die beschlossenen Wahlprogramme der AfD und der FDP. Die Grünen sowie Die Linke haben ein Programm-Entwurf ausgearbeitet, der aber erst auf dem jeweiligen Parteitag in Berlin endgültig beschlossen wird. Der SPD-Parteivorstand hat am Montag, 22. Mai, den Programmentwurf beschlossen, über den am 25. Juni der Bundesparteitag abstimmt. Allein die CDU hält sich beim Wahlprogramm noch bedeckt. Bekannt ist bisher nur, dass sich Kanzleramtschef Peter Altmaier im Auftrag der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel in seiner Freizeit um die Ausarbeitung kümmern soll.
German MUT
FPD-Vorsitzender Christian Lindner sagt: Die FDP hat sich verändert und mit ihr auch die Programm-Schwerpunkte. Im Wahlprogramm, das der Bundesparteitag Ende April in Berlin verabschiedet hat, steht das Thema Digitalisierung zwar nicht in einem der ersten Kapitel. Doch bereits im ersten Satz werden die Chance der Digitalisierung betont. Darüber hinaus stellen „Beste Bildung“, steuerliche Entlastungen der Bürger und Integration ohne Ausgrenzung aber mit Verbindlichkeit die weiteren Eckpunkte des Programms dar. In die Bildung soll deutlich mehr Geld (auf globalem Top-5-Niveau) investiert werden. Durch mehr finanziellen Einfluss auf Bundesebene soll die Bildungsfinanzierung eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ werden und damit das „Kooperationsverbot“ ablösen. Ganz ohne Steuerthema geht es aber dann doch nicht: Deshalb lehnt man die Wiedereinführung der Vermögens- oder Finanztransaktionssteuer ab. Die Erben Hans-Dietrich Genschers wollen auch bei außenpolitischen Fragen neues Profil gewinnen. Sie fordern deshalb das Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Des Weitere schlagen die Liberalen eine Änderung der europäischen Verträge vor, die ein Ausscheiden aus dem gemeinsamen Währungsraum ohne Austritt aus der Eurozone ermöglicht. Selbstverständlich ist bei allen Vorschlägen „German Mut“ die Voraussetzung.
Deutsche Interessen durchsetzen
Die AfD hat ihr Programm für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. April 2017 mit 92.5% angenommen. Bevor es allerding verabschiedet werden konnte, musste der Vorschlag noch einmal geändert werden. Statt der „Wiederherstellung der Demokratie“ wird im ersten Punkt nun doch nur deren Verteidigung gefordert. Darauf folgen Vorschläge zur Beendigung der Eurokrise durch Rücküberschreibungen abgegebener Souveränitätsrechte und zur Wiedereinführung der D-Mark. Obwohl nicht an erster Stelle genannt, ist die Asyl- und Migrationspolitik Kernthema des Programms. Sie nimmt zusammen mit dem Punkt „Der Islam im Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ rund 1/7 der 67-seitigen Ausarbeitung ein. Erwartungsgemäß wird ein Burka- und Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit sowie ein Zuwanderungsgesetz gefordert, die Abschaffung des Familiennachzugs, strengere Rückführungsregeln und eine „absolute Belastungsgrenze“ sollen ebenfalls durchgesetzt werden. Deutscher Staatsbürger soll sich nur nennen, wer deutsche Eltern hat. Steuerpolitisch spricht sich die AfD gegen die Vermögens- und Erbschaftssteuer aus. Generell gilt: Germany first.
Eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt?
Der Programmentwurf der Linken „Die Zukunft, für die wir kämpfen: SOZIAL.GERECHT.FÜR ALLE“ wurde Anfang April vom Parteivorstand mit nur einer Gegenstimme beschlossen. Am 11. Juni wird er dem Parteitag zur Abstimmung vorgelegt. Den Kernthemen – gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze, Menschenwürde, Solidarität, Gesundheitsversorgung und sicherer Rente – bleibt die Partei treu. „Gute Arbeit, Gute Löhne“ ist der erste Punkt des Programms. Er enthält die Forderung nach guter Arbeit für alle. Darunter versteht Die Linke die Kürzung der vollen Arbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich und einen flächendeckenden Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde. Leiharbeit und Befristung sollen gänzlich gestoppt und eine Rente von mindestens 1.050 Euro in Ost und West eingeführt werden. Eine Vermögenssteuer von 5% ab einer Million Euro, Reichensteuer und hohe Besteuerung großer Erbschaften sorgen für die Gegenfinanzierung. Mit der Einführung eine Bundesfinanzpolizei will Die Linke die Umsetzung gewährleisten. Mehr Personal soll es auch in den Sektoren Bildung und Gesundheit geben. Die private Krankenversicherung würde im Falle einer Regierungsbeteiligung abgeschafft und durch eine solidarische Krankenversicherung ersetzt. Um gleiche Chancen zu bieten, würde in die gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni investiert. Der Ausrichtung der EU und der Nato steht die Partei kritisch gegenüber. Bevorzugter Partner wäre Russland – mit dem ein neues Verteidigungsbündnis angestrebt wird.
Umwelt, Tiere, Klima
In NRW erlebten Die Grünen mit nur 6,4 % ein Wahldebakel. Jetzt ist von einem Neustart die Rede. Dagegen steht allerdings ihr Wahlprogramm-Entwurf vom 10. März 2017: „Zukunft wird aus Mut gemacht“ – 24 Ziele auf 106 Seiten. Darin rückt die Partei wieder Naturschutz, Tierschutz und Klimaschutz in den Mittelpunkt. Gleichzeitig setzt man auf Ehrlichkeit: „Wir wissen auch nicht für alles schon die Lösung“. Das erste Kernthema ist der Bereich Umwelt. Hier steht der Ausbau der Radwege und das 120 km/h Tempolimit auf Autobahnen ganz oben auf der Agenda. Beim Klima- und Tierschutz wird unter anderem ein schnellstmöglicher Kohleausstieg und die Beendigung der Massentierhaltung gefordert. Die Grünen bekennen sich zu Europa und setzen sich für weltweite Abrüstung und den Stopp von Waffenexporten ein. Ein eigenständiges Einwanderungsgesetz soll ein Angebot in der Migrationsdiskussion sein. Beim Streit über die Homo-Ehe beziehen die Grünen eindeutig Position: Die Ehe und Adoption soll für gleichgeschlechtliche Paare möglich werden. Um die Gleichberechtigung zu erreichen, fordert die Partei eine 40%-Frauenquote und mehr Gerechtigkeit bei der Aufteilung des Wohlstands sowie bei der Förderung von Kindern. Die finale Version wird auf dem Parteitag Mitte Juni beschlossen – wahrscheinlich mit vielen Änderungsanträgen vom linken Parteiflügel.
Es ist Zeit für …
Nach der Niederlage in NRW will die SPD im Hinblick auf die Bundestagswahl ihr „Profil schärfen“, so Martin Schulz. In der ARD, erklärte der SPD-Spitzenkandidat, dass die Themen Gerechtigkeit, Zukunft und Europa zentral für den Bundestagswahlkampf seien. Der SPD-Claim lautet deshalb auch: Zeit für mehr Gerechtigkeit. Der nun veröffentlichte Programmentwurf trägt allerdings den Titel „Mehr Zeit für Gerechtigkeit“. In dem 71-seitigen Papier, das von Oppermann als das vielleicht beste Wahlprogramm „seit Willy Brandt“ bezeichnet wurde, heißt es, dass eine Steuerentlastung für Gering- und Mittelverdiener, als auch eine Erbschaftssteuerreform geplant seien. Das Rentenniveau soll stabilisiert und Reichtum besser aufgeteilt werden. Details wird es allerdings erst im Lauf des Wahlkampfs geben. Sicher ist jedoch schon, dass pauschale Steuersenkungen abgelehnt werden. Weitere Kernthemen sind die Bereitstellung von mehr sicheren, d.h unbefristeten Jobs und Investitionen in Ausbildung, Schulen und Straßen. Auch dem Thema innere und äußere Sicherheit will sich die SPD besonders annehmen – mit mehr Personal und verstärkten Kontrollen an den Außengrenzen des Schengen-Raums. Darüber hinaus wird die Eindämmung der Rüstungsexporte gefordert. Die SPD bekennt sich zum Asylrecht, fordern aber eine konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber.
Die CDU lehnt sich entspannt zurück
Als einzige Partei hat die CDU bisher noch keinen Entwurf für ihr Wahlprogramm vorgelegt. Die Veröffentlichung wurde auch bereits mehrfach verschoben, um die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Hieß es vor kurzem noch, dass der Beschluss Anfang Juni erfolge, wird das Programm jetzt doch erst Anfang Juli veröffentlicht, um noch den SPD-Parteitag und die Themensetzung des Hauptkonkurrenten SPD abzuwarten. Den Ankündigungen des CDU-Spitzenpersonals zufolge wird die CDU die Schwerpunkte unter anderem auf die Themen Wirtschaft, Forschung, Sicherheit, Bildung, Digitalisierung und Familie legen. Die CSU will das Programm ihrer Schwesterpartei mit einem eigenen „Bayernplan“ ergänzen. Erwartet wird, dass das CSU-Programm auch Forderungen enthält, die von der CDU kritisch gesehen werden.
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