„Sooo, die CDU hat jetzt eine Spitzenkandidatin, eine Parteivorsitzende und schon fast ein komplettes Wahlprogramm. Die SPD hat 10-12 Kanzlerkandidaten, die Linken ein neues Spitzenteam – und was haben wir?“

‚Gute Frage‘, denke ich. Aber was haben die anderen eigentlich? Die CDU befindet sich in einer Zange aus personeller Alternativlosigkeit und programmatischer Getriebenheit. Die Kanzlerin hat über die Jahre alle ernstzunehmenden MitbewerberInnen auf ihr Amt weggebissen. Eine echte Alternative zu ihr hat sich nicht nach vorne gedrängt. Dass sie auf dem Parteitag knapp über 89 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten hat, fand ich ganz ordentlich. Mir gehen ja Kommentare zu solchen Prozentzahlen genauso auf den Wecker, wie die sekundengenaue Berichterstattung zum Schluss-Applaus. Bei den Wahlergebnissen ist es doch regelmäßig so, dass unter 90 Prozent eine „Klatsche“, „Ohrfeige“ oder „Abmahnung“ ist, während über 90 Prozent immer gleich als „Blockflötenergebnis“ oder „Chinesische Verhältnisse“ kommentiert werden. Es nervt, ist aber wohl nicht mehr zu ändern, denn mehr als dass jemand gewählt ist, ließe sich ja sonst nicht berichten.

Naja, und der Rest des CDU-Präsidiums ist doch auch irgendwie das letzte Aufgebot. Und dass die CDU niemanden mehr hat, zeigt sich für mich am deutlichsten daran, dass es noch nicht mal ernsthaft zu handelnde Namen für das Amt des Bundestagspräsidenten gibt, wenn Norbert Lammert nächstes Jahr nicht mehr da ist. Programmatisch ist es für sie allerhöchste Zeit, sich endlich von der SPD abzugrenzen und mal wieder ein bisschen nach rechts rüberzumachen. Sonst bespielen CSU und AfD das Feld ganz alleine. Ich bin so froh: Alles nicht unser Problem.

Zur SPD hab ich letzte Woche schon fast alles geschrieben. Da hat sich nichts geändert. Es sind nicht mal mehr KandidatInnen geworden, was mich sehr wundert. Die Sozis denken, sie haben den Sturm mit dem Zeitplan überstanden, weil niemand mehr danach fragt. Ich glaube, die Ruhe trügt. Das kommt wieder, denn…

Auch die Linken haben jetzt nicht nur ein Spitzenduo, sondern zusammen mit den Parteivorsitzenden sogar ein Spitzenteam. Ich will es eigentlich nicht ausführen, aber die Linken liefern ein ganz erbärmliches Bild für einen Kompromiss zwischen Baum und Borke. Mann, Ost, Reformer und Frau, West, Linke – schön ausgeglichen, genau wie das Vorsitzenden-Duo, nur andersrum. Dietmar Bartsch wird sich noch gehörig umschauen, wenn im nächsten Jahr die Landtagswahlkämpfe im Saarland und in NRW losgehen und Oskar und Sahra versuchen, mit rechten Parolen die Wählerinnen und Wähler von der AfD zurückzuholen. Ich bin gespannt, wie er das seinen Genossinnen und Genossen im Osten erklärt. Ich hoffe, da geht nicht mehr kaputt, als man bis zur Bundestagswahl wieder kitten kann.

Und was haben wir denn überhaupt? Wir haben ein drei viertel quotiertes Team aus Kandidaten und Kandidatin, die im Moment durch Orte in der Republik kommen, die kaum ein Grüner vor ihnen je betreten hat. Kiel, Rostock, Erfurt – ich finde das gut. Da gibt es auch Mitglieder, die sonst von den Führungskräften selten jemanden zu sehen kriegen. Cem müsste allerdings noch mal nach Rostock fahren, da er sich dort nur per Video zuschalten lassen konnte. Und dann? Dann wählen wir irgendwann einen Mann. Wahrscheinlich Toni. Um die Strömungen zu versöhnen. Oder Cem, wegen der „Optionen“. Toll.

„Wir haben doch uns“, sage ich wenig zuversichtlich.


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Mitarbeiter bei Bundestagsabgeordneter
Kim ist seit mehr als einem Jahrzehnt Mitarbeiter_in einer Abgeordneten im Bundestag. Auf wahl.de berichtet Kim als Kolumnist_in aus dem politischen Alltag auf 16qm. Stets "Unter drei".
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