Am Montag Mittag gab der neue grüne Bundesvorstand seine erste Pressekonferenz. Zwischen Appellen an die großen Koalitionäre und den ersten Schritten einer programmatischen Neuausrichtung der eigenen Partei lieferten Annalena Baerbock und Robert Habeck über weite Strecken das Bild einer selbstbewussten Doppelspitze.
Am Ende wird Robert Habeck als Seitenhieb gegenüber Frau Wagenknecht sagen, wenn Politiker pauschal über andere Parteien redeten, täten sie das in der Regel, um von sich selbst abzulenken. Trotzdem richten sich die ersten Worte der neuen grünen Doppelspitze an diejenigen, die gerade über eine erneute große Koalition verhandeln. Die Aussetzung des Familiennachzugs sei ein Eingriff in das im Grundgesetz verankerte Recht auf Familie, wettert Annalena Baerbock und man sieht, dass es ihr ernst ist mit diesem Thema. In ihrem Appell bezieht sie sich auf die kommende Bundestagsabstimmung am nächsten Donnerstag, in der darüber entschieden wird, ob subsidär schutzberechtigte Flüchtlinge zukünftig wieder ihre Familien aus den Krisengebieten nachholen dürfen oder nicht. Derzeit ist der Familiennachzug pausiert, die Union will die Aussetzung verlängern, Grüne und Linke sind dagegen.
Auch Habeck, der die Rede seiner Kollegin mit der ihm eigenen Besonnenheit ergänzt, prescht in Richtung GroKo. Er fordert die Begrenzung von Managergehältern und geringere Boni für Aufsichtsratvorsitzende. Union und SPD müssten das in den Koalitionsverhandlungen berücksichtigen. Konkret gehe es um die steuerliche Absetzbarkeit dieser Zahlungen. Zur Zeit sei es so: Je höher die Abfindung, desto besser für den Konzern. Diese Regelung gelte es dringend zu reformieren.
Im dritten Punkt sprechen dann beide über den neuesten Skandal in der Diesel-Affäre. Am Wochenende war bekannt geworden, dass Volkswagen eine Studie in Auftrag gab, in der man Affen stundenlang Dieselabgase einatmen ließ. Damit wollte der Konzern belegen, dass seine Dieselautos die Gesundheit nicht gefährden. Habeck und Baerbock hatten zu diesem ur-grünen Thema natürlich einiges zu sagen und forderten letztendlich lückenlose Aufklärung.
Anschließend widmete man sich den Plänen zur eigenen Programmatik. Einen ersten Fokus wolle man auf die Erstellung des Europawahlprogramms legen. Etwas hochtrabend klang es dann doch, als Habeck die Wahl als die Wahl, als Schlüselwahl für die gesellschaftliche Debatte und die liberale Gesellschaft stilisierte. Allerdings kann man diese Agenda auch als handfeste Bestrebungen in der pro-europäischen Ausrichtung der Partei loben. Ab Ostern wolle man dann den Prozess um das neue Grundsatzprogramm der Partei einleiten.
Die anschließende Fragerunde brachte noch zwei interessante Erkenntnisse; so bekräftigten die beiden Parteispitzen auf die Frage hin, wie man zur Linken, zur SPD und zu rot-rot-grün stehe, ihre Position als „selbstbewusste liberale Kraft der Mitte“. Mit dem Versprechen, man prüfe jede Koalitionsmöglichkeit an den eigenen Inhalten, knüpfte der Vorstand an die jüngsten Worte des Ex-Fraktionschefs Jürgen Trittin an.
Zum anderen wurde eine Aufgabe offenbar, die nicht allzu oft so offen diskutiert wird: Das Standing der eigenen Partei in Ostdeutschland, wo man bei den Landtagswahlen regelmäßig Ergebnisse um die Fünf-Prozent-Hürde herum einfährt. Hier deutet sich ein Potenzial von Robert Habeck an, der aufgrund seiner politischen Vergangenheit (Habeck war Landesminister u.a. für ländliche Räume in Schleswig-Holstein) und der damit verbundenen Erfahrung mit strukturschwachen Räumen einen anderen Zugang zu den entsprechenden Regionen hat als beispielsweise ein Cem Özdemir.
Alles in allem präsentierte sich in der ersten Pressekonferenz der neuen Doppelspitze ein natürlich noch nicht völlig eingespieltes Team, das aber dennoch trotzdem ein Gefühl von Kompetenz vermittelt, da sich Baerbock und Habeck inhaltlich wie auch sprachlich gut ergänzen und beide nur sporadisch in politische Plattitüden abdriften. Stellenweise traten die neuen Parteispitzen mit einem Selbstbewusstsein auf, dass angesichts des lauen Ergebnis bei der Bundestagswahl überraschte, allerdings machte keiner der beiden einen Hehl daraus, dass es nun viel zu tun gebe bei den Grünen. Überhasten wolle sich dabei aber keiner, betonte Habeck schließlich noch einmal. Das Schlüsselwort sei: Zeit.
Louis Koch
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