Schulz‘ Achterbahn: das Auf …

Für die SPD glichen die letzten Wochen einer Achterbahnfahrt: Noch vor Weihnachten hatte der SPD niemand ernsthafte Chancen auf die Kanzlerschaft eingeräumt: Wirtschaft und Politik wurden mit dem Gefühl zu Familie, Schnee und Gänsebraten geschickt, dass ein Duell „Merkel-Gabriel“ und eine Koalition unter „schwarzer Führung“ so sicher seien wie das weihnachtliche Amen in der Kirche. Doch dann katapultierte die Nominierung von Martin Schulz die SPD auf ein seit Jahren nicht gekanntes Umfragehoch, das ihr mit etwa 31 Prozent eine echte Machtoption in Berlin zu ermöglichen schien. Die guten alten sozialdemokratischen Zeiten eines Willy Brandts, Helmut Schmidts oder auch Gerhard Schröders schienen damit in greifbare Nähe gerückt zu sein. Parallel dazu erhob sich Martin Schulz, insbesondere aufgrund seines unkonventionellen persönlichen Hintergrunds, zu ungeahnten Sphären: Spätestens als Schulz in Sachen Beliebtheit mit etwa 44 Prozent mit Merkel gleichauf lag, läuteten – auch befeuert durch die nationale und internationale Berichterstattung– die Alarmglocken: In kürzester Zeit mussten Information her zu einem möglichen Mitte-Links-Bündnis und potenziellen personellen Neubesetzungen im politischen Berlin – was im Übrigen keine einfache Aufgabe ist beim derzeitigen Personal der SPD.

… und Ab des Kanzlerkandidaten

Die Ernüchterung kam schneller als erwartet und als von vielen Sozialdemokraten erhofft: Was seine Beliebtheit betrifft, rangiert Martin Schulz laut Politbarometer derzeit mit etwa 40 Prozent wieder hinter Angela Merkel mit 48 Prozent. Vor diesem Hintergrund und insbesondere mit Blick auf das enttäuschende Ergebnis der SPD im Saarland stellt sich die Frage nach der langfristigen Strahlkraft des „Schulz-Effekts“. Derzeit ist auch für Politikexperten noch schwierig abzusehen, wo genau des Pudels Kern liegt: Möglicherweise haben die Demoskopen den Schulz-Effekt schlichtweg überschätzt. Möglicherweise nimmt der Effekt langfristig wieder Fahrt auf und entfaltet sich erst nach den Wahlen in Nordrhein-Westfahlen und Schleswig-Holstein, wo sich zwei sozialdemokratische Ministerpräsidenten im Rahmen ihrer möglichen Wiederwahl unter Beweis stellen müssen. Klar ist: Gehen die Wahlen in NRW und Schleswig-Holstein nicht zugunsten der SPD aus, wird der Schulz-Effekt so schnell verpuffen, wie er aufgekommen ist.

Blick zurück

Auch der Blick zurück zeigt, dass Hypes durchaus kurzfristig sein können: Sei es das Veggie-Day-Desaster der Grünen oder der Absturz des mehr oder weniger unfreiwillig nominierten Peer Steinbrücks bei der letzten Bundestagswahl. Nach Steinbrücks Ernennung schnellte die SPD ebenfalls zu 30 Prozent hoch, um dann bei der Wahl weit abgeschlagen bei etwa 25 Prozent auf dem Boden der Tatsachen zu landen. Dies ist auch Martin Schulz bewusst, der seine Unterstützer bereits darauf eingestimmt hat, keinen Sprint zu erwarten. Schulz weiß: Wahlkampf ist ein „Langstreckenlauf“.

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Sophia Licht

Sophia Licht

Account Executive bei FleishmanHillard
Sophia Licht ist als Public Affairs Beraterin bei FleishmanHillard Germany in Berlin tätig. In dieser Funktion berät sie zahlreiche deutsche und internationale Kunden in den Bereichen Government Relations, Corporate Communication und Issues Management.
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