Sigmar Gabriel, Martin Schulz oder doch Olaf Scholz? Die Kanzlerfrage wurde nicht nur innerhalb der SPD heiß diskutiert, sondern dominierte auch die öffentliche Debatte über Wochen. Man entschied sich für Martin Schulz, den charismatischen Überflieger, der es Vom Alkoholiker, zum jüngsten Bürgermeister Nordrhein-Westfalens und zuletzt Präsident des Europäischen Parlaments geschafft hatte. Innerhalb eines Monats schoss die Beliebtheit der Partei regelrecht durch die Decke. Hatten Anfang Januar nur knapp über 20 Prozent angegeben, die SPD zu wählen, waren es einen Monat später schon fast jeder dritte Wahlberechtigte.

Schulz als Übergangslösung?

Mittlerweile sind die Umfragewerte wieder im mittleren 20er-Bereich angekommen. Politische Experten waren schon vor Schulz Nominierung der Überzeugung, dass es für einen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten schwierig werden würde, gegen „Über-Mutti Merkel“ anzukommen und die diesjährige Wahl zu gewinnen. War Schulz also nur eine charismatische Übergangslösung für die Sozialdemokraten? 2021 wird die Kanzlerin höchstwahrscheinlich nicht mehr antreten und große Fußstapfen hinterlassen, die es zu füllen gilt. Für die Christdemokraten wird dies möglicherweise eine nicht zu bewältigende Herausforderung darstellen. Für die SPD könnte es die nächste große Chance auf eine Regierungsbeteiligung oder sogar deren Führung sein. Sie brauchte dafür nur einen geeigneten Kandidaten, den sie in Scholz gefunden zu haben schien: Insbesondere als die Umfragewerte der SPD wieder sanken, behaupteten böse Zungen Martin Schulz sei das „Bauernopfer“ gewesen und Scholz werde „aufgespart“, um dann 2021 als aussichtsreichster Kandidat anzutreten.

Kann Scholz Kanzler?

„Kühl, analytisch, hart”. So wird der „Scholzomat“ aufgrund seiner oftmals mechanischen Art in den Medien beschrieben. Dennoch, es ist ein Erfolgskonzept. Glaubt man einer repräsentativen Umfrage der Universität Hamburg, die im November 2016 veröffentlicht wurde, hätte die SPD mit 48 Prozent zum zweiten Mal nach 2011, knapp eine absolute Mehrheit in Hamburg erreicht. Scholz war daran nicht ganz unbeteiligt, denn 75 Prozent der Befragten waren mit der Arbeit des Bürgermeisters zufrieden oder sehr zufrieden. Bis jetzt.

Ist es vorbei, bevor es richtig angefangen hat?

Trotz Außenminister Gabriels Versuch, auch Merkel zur Rechenschaft für das G20-Desaster zu ziehen – Außenminister Gabriel verurteilte jegliche Schuldsprüche an Scholz und betonte, dass auch die Kanzlerin der Meinung war, Hamburg eigne sich „wunderbar“ als Austragungsort – scheint Merkel beinahe unbeschadet aus dem G20-Desaster hervorzugehen. Für Scholz werden die Ausschreitungen jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach weitreichende Konsequenzen haben: Schon werden nicht nur in Hamburg kritische Stimmen laut, Scholz solle abtreten. André Trepoll, Oppositionsführer der CDU in Hamburg, bezeichnete die Entscheidung, Hamburg als Austragungsort zu wählen, sogar als „die größte politische Fehleinschätzung eines Hamburger Bürgermeisters aller Zeiten“.

Olaf Scholz als Nachfolger von Angela Merkel? Wie es um die politische Zukunft Scholz‘ steht, ist Dank G20 ungewiss, Tabula Rasa-machen scheint derzeit keine Option zu sein. Ob Scholz sich langfristig von G20 erholen kann, wird sich zeigen. Wenn er Glück hat, verblasst die Erinnerung an die Unruhen im (Kurzzeit-)Gedächtnis der Wähler im Laufe der nächsten vier Jahre.

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Sophia Licht

Sophia Licht

Account Executive bei FleishmanHillard
Sophia Licht ist als Public Affairs Beraterin bei FleishmanHillard Germany in Berlin tätig. In dieser Funktion berät sie zahlreiche deutsche und internationale Kunden in den Bereichen Government Relations, Corporate Communication und Issues Management.
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