Man konnte schon staunen ob des gewaltigen Aufgebots, mit dem die Polizei Hamburg zum G20-Gipfel aufwartete. Gepanzerte Wagen, Wasserwerfer und die Rüstungsmontur der Polizisten konnten in der Hansestadt tagelang bewundert werde. Da fragt man sich, wie so ein gigantischer logistischer Aufwand überhaupt zu bewältigen ist. Manches ergibt sich nun – in Teilen – aus der Antwort des Senats auf die kleine schriftliche Anfrage der Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Schneider (Die Linke). Sie gibt Aufschluss über die technischen Raffinessen des Einsatzes.

„Im Interesse der Wirksamkeit dieser Maßnahmen und der Sicherheit der eingesetzten Beamten sieht der Senat daher von detaillierten Ausführungen zu operativen Maßnahmen ab.“

Die Fragen von Frau Schneider drehen sich vor allem um die Überwachungsmethoden, von denen die Polizei während des Gipfels Gebrauch machte. Es um die Art, den Zweck und die Einsatzhäufigkeit der Methoden. Im Vorwort der Antwort lässt der Senat jedoch gleich wissen, warum der Erkenntnisgewinn etwas dünn ausfallen könnte. Einerseits seien die „für die Beantwortung der Fragen erforderlichen Daten […] statistisch nicht zuverlässig erfasst“. Zweitens müsste man die vorhandenen Akten zur Beantwortung dann alle händisch auswerten, was zeitlich nicht möglich sei. Und drittens könne man ohnehin nichts Konkretes zu Ermittlungsschritten und operativen Maßnahmen sagen. Nichtsdestotrotz, die Antworten, die der Senat geben konnte, zeigen, dass die Polizei auch technologisch einiges aufgefahren hat.

Funkzellenabfragen

WAS IST DAS?
Bei einer Funkzellenabfrage fordert die Polizei die Verbindungsdaten von Handys an, die sich in einer bestimmten Funkzelle befinden.
WAS BRINGT DAS?
Über die Daten lässt sich u.a. die Identität von Tatverdächtigen klären. Bei wiederholten Abfragen lassen sich theoretisch auch Bewegungsprofile erstellen.
WANN IST DAS ERLAUBT?
Die Funkzellenabfrage steht unter Richtervorbehalt und darf nur zum Einsatz kommen, wenn „die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“.

Laut Senat wurden während des G20-Gipfels in 38 Verfahren Anträge zu Funkzellenabfragen gestellt. Wie viele davon genehmigt wurden, bleibt offen. Nach jetzigem Kenntnisstand habe es aber keine Abfragen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegeben.

Stille SMS

WAS IST DAS?
Eine „stille SMS“ ist eine Form der SMS, die auf dem Empfängerhandy kein Signal bewirkt, aber trotzdem Verbindungsdaten hinterlässt. Diese können anschließend ausgewertet werden.
WAS BRINGT DAS?
Die Methode wird eingesetzt, um Telefone zu Orten und Bewegungsprofile von Tatverdächtigen zu erstellen.
WANN IST DAS ERLAUBT?
Die „stille SMS“ steht unter Richtervorbehalt und darf nur zum Einsatz kommen, wenn „die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“. Es wird allerdings diskutiert, ob für die Methode überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage besteht.

Laut Senat wurden vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg 37 stille SMS in31 Verfahren versendet. Die Zahl der Verfahren von Seiten der Polizei wird noch ausgewertet.

WLAN- und IMSI-Catcher, Peilsender, GSM- oder GPS-Sender

WAS IST DAS?
Hierbei handelt es sich um Ortungsmethoden, die auf verschiedenen Technologiestandards basieren.
WAS BRINGT DAS?
Mit den verschiedenen Catchern und Sendern lassen sich Standorte nachvollziehen, Bewegungsprofile erstellen und teilweise auch Gespräche mithören. Bei IMSI-Catchern werden auch auch Daten Unbeteiligter ohne deren Mitwissen erfasst.
WANN IST DAS ERLAUBT?
Die Methoden stehen unter Richtervorbehalt. Allerdings kann die Polizei theoretisch jederzeit IMSI-Catcher einsetzen. Ohne richterlichen Beschluss ist das zwar illegal, aber nur sehr schwer nachzuweisen.

Der Senat bestätigt, dass diese Methoden, speziell ein IMSI-Catcher, eingesetzt wurden. In welchem Maße, wird mit Verweis auf das Staatswohl nicht enthüllt. Gleiches gilt für die Nachfrage bezüglich Telekommunikationsüberwachung und Observationen.

Einsatzsoftware

WAS IST DAS?
Einsatzsoftware dient dazu, verschiedene Felder eines Einsatzes zu koordinieren. Bei G20 nutzte die Polizei vier Arten von Software, unter anderem das Programm CommandX.
WAS BRINGT DAS?
CommandX erlaubt der Einsatzleitung, die verschiedenen Einsatzeinheiten zu koordinieren.
WANN IST DAS ERLAUBT?
Der Einsatz der Software bedarf keiner besonderen gesetzlichen Genehmigungen.

Laut Aussage des Senats hat sich die Einsatzsoftware CommandX bewährt. Im Vorfeld hatte die Polizei sich intensiv mit der Anwendung vertraut gemacht. 696 Mitarbeiter wurden in 368 Stunden beschult. Unerheblich in dieser Angelegenheit, trotzdem aber von Interesse sind die Tweets, die der Geschäftsführer der Firma hinter der Software während des Gipfels absetzte:

Ansonsten

Die Anfrage von Christiane Schneider zeigt, welche Überwachungstechnologien beim G20-Gipfel zum Einsatz kamen. Die Antworten des Senats lassen jedoch offen, in welchem Maße die Anwendung wirklich stattgefunden hat. Auch wird sich wahrscheinlich nie überprüfen lassen, ob und wenn ja welche Methoden innerhalb bzw. außerhalb des geltenden Rechtsrahmens benutzt wurden. Es wurden jedoch während der Einsätze bereits einige zweifelhafte Aktionen dokumentiert. So verlangte die Polizei von einigen anreisenden Demonstranten ihre Handys, um deren IMEI-Nummern auszulesen. Mithilfe dieser Nummer ist es theoretisch möglich, nachzuvollziehen, zu welchem Zeitpunkt sich das Gerät an welchem Ort befand.
Ein anderer Vorfall wurde eine gute Woche nach dem Ende des Gipfels bekannt. Während der Proteste hatten Beamte des Landeskriminalamts anscheinend ohne Angabe von Gründen mehrere Hostel-Besitzer dazu gedrängt, ihnen die Daten aller italienischen Gäste auszuhändigen. Die Besitzer, die die Rechtmäßigkeit der Aktion zurecht anzweifelten, verweigerten die Herausgabe.

Ein detaillierter Bericht über das Thema Überwachung bei G20 findet sich auch auf netzpolitik.org.

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Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
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