wahl.de spricht mit den Kampagnenverantwortlichen der Parteien über ihre Strategien zur Europawahl. Was haben sie im Netz geplant, wie präsentieren sie ihre Kandidaten und wie arbeiten sie mit den Parteien auf europäischer Ebene zusammen? Nach Robert Heinrich von den Grünen folgt Teil 2 der Serie mit Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter von DIE LINKE.
Mit einer Online-Kampagne kann man per se keine Wahlkämpfe entscheiden.
wahl.de:
Was plant Ihre Partei im Netz zur Europawahl?
Matthias Höhn:
Wir werden genau dort ansetzen, wo wir zur Bundestagswahl aufgehört haben. Nach meiner Einschätzung waren wir im Online-Bereich recht erfolgreich, wenngleich ich auch zu denen gehöre, die davor warnen den Online-Bereich mit einer Heilserwartung zu sehen. Ich glaube nicht, dass man mit einer Online-Kampagne per se Wahlkämpfe entscheiden kann. Über unser Portal www.die-linke.de werden alle wichtigen Inhalte transportiert und man gelangt zu den weiteren Angeboten im Netz.
Die sozialen Netzwerke sind für uns in allererster Linie Dialogportale, über die wir nicht nur schnell auf Ereignisse reagieren können, sondern auch in den Kontakt mit Bürgern und Bürgerinnen treten. Darüber hinaus können wir Themen auch mal in einer Form transportieren, die sich für die klassische Kommunikation über ein Plakat oder Pressemitteilung nicht eignen würde.
wahl.de:
Man spricht ja bei der Kommunikation über sozialen Medien oft von einer Filter Bubble. Also dass es relativ schwer ist, die Botschaften aus dem Anhängerkreis hinaus zu tragen. Haben Sie eine Strategie oder ein Konzept wie Sie “Die Linke”-Blase durchbrechen wollen?
Matthias Höhn:
Ich glaube, dass uns das durchaus gelingt. Wenn wir uns beispielsweise mal die Auswertung der letzten Märzwoche anschauen: Da konnten wir in den sozialen Netzwerken über eine Million Zugriffe verzeichnen, was durchaus mehr als das engere Umfeld der Partei abbildet. Doch natürlich versuchen wir beide Gruppen zu bedienen.
Natürlich müssen sie politische Themen für Nichtmitglieder interessant machen. So benötigt man eine Form und einen sprachlichen Zugang, der Leute ins Blickfeld nimmt, die sich nicht jeden Tag mit der Partei Die Linke beschäftigen. Das ist der Anspruch, den wir haben.
Was die Grünen gemacht haben, ist keine Zuspitzung sondern eine Denunziation.
wahl.de:
Ein Mittel, die Blase zu durchbrechen, kann natürlich Provokation sein. Die Grünen haben ja nun gerade Plakate veröffentlicht und vor allem über die sozialen Medien verbreitet, mit denen Sie durchaus Die Linke provozieren. Was halten Sie von diesem Vorhaben und sind in Ihrem Europawahlkampf ebenfalls provozierende Elemente zu erwarten?
Matthias Höhn:
Nein, eine solche Art der Provokation, wie sie die europäischen Grünen gemacht haben, ist nicht unser Stil, weil sie schlicht darauf abzielt, Personen zu denunzieren. Ich denke da eher an die Art und Weise, wie wir unseren TV-Spot gestrickt haben. Manchmal spitzen wir politische Forderungen auch bewusst so zu, dass darüber geredet wird. Doch was die Grünen gemacht haben, ist keine Zuspitzung sondern eine Denunziation.
wahl.de:
Bei der SPD und der CDU wird bewusst auf eine Personalisierung des Wahlkampfes gesetzt. Auf einer Pressekonferenz haben Sie erwähnt, dass diese Art des Wahlkampfes zumindest in Bezug auf Plakate nicht für Sie in Frage kommt. Können Sie eine Personalisierung für Ihre Partei generell ausschließen, zumal Sie ja in Ihrem Spot durchaus auf das bekannte Gesicht von Gregor Gysi zurückgegriffen haben?
Vorschau auf TV-Spot zur Europawahl @dieLinke https://t.co/Wb7vY3KRhe Infos zur Kampagne bei uns im Blog: http://t.co/oohrDi07Ri #EP2014
— wahl_de (@wahl_de) 9. April 2014
Matthias Höhn:
Natürlich arbeiten auch wir mit unseren prominenten Persönlichkeiten. Dennoch werden wir auch dieses Mal nicht auf eine übersteigerte Form der Personalisierung setzen wie es andere Parteien tun. Hintergrund ist die Frage nach der Art der Auseinandersetzung und wir streben eine politische Auseinandersetzung über Themen und Inhalte an, die man nicht dadurch herstellt, dass man Gesichter plakatiert.
wahl.de:
Nutzen Sie als Partei für Ihren Online-Wahlkampf eigentlich Online-Werbung oder läuft dieser ohne Media-Budget?
Matthias Höhn:
Ja, wir haben ein Media-Budget und werden im Rahmen des Europawahlkampfes wie schon bei der Bundestagswahl auch auf Werbung zurückgreifen. Dennoch schalten wir in der Regel nicht die klassischen Anzeigen, werden aber z.B. bei Facebook unsere Kampagne positionieren.
wahl.de:
Können Sie Ihre Zielgruppe für den Wahlkampf beschreiben?
Matthias Höhn:
Es gibt durchaus Zielgruppen, wobei man hierbei auch zwischen Ost und West unterscheiden muss. Doch für unsere bundesweite Kampagne gilt generell, dass die erste zentrale Zielgruppe unsere Stammwählerinnen und Stammwähler sind, also diejenigen, die uns bei der Bundestagswahl ihre Stimmen gegeben haben. Die zweite große Gruppe sind die Wechselwählerinnen und -wähler zwischen uns und den Sozialdemokraten, die von dem Agieren der SPD enttäuscht sind. Drittens ist noch die generelle Mobilisierung zu nennen, also die Ansprache an die Bürgerinnen und Bürger überhaupt wählen zu gehen.
wahl.de:
Kommen wir noch einmal auf den Unterschied zwischen Ost und West zu sprechen: Gibt es bei Ihnen eine Trennschärfe zwischen der Ansprache potentieller Wähler in Ost und West, die sich im Wording oder in der regionalen Anpassung des Online-Wahlkampfes zeigt?
Matthias Höhn:
Generell haben wir eine bundesweit einheitliche Kampagne, was man an den klassischen Elementen des Wahlkampfes sehen kann. Dort wo wir auf eine Regionalisierung zurückgreifen können, setzen wir durchaus auf sie, so zum Beispiel in der Wahlzeitung, die mit einer Auflage von 5,5 Millionen Exemplaren eines unserer stärksten Werbemittel ist. Dadurch dass in vielen Regionen parallel zur Europawahl Kommunalwahlen stattfinden, haben wir mit den regionalen Sonderteilen auch die Möglichkeit, eine Ansprache und Themensetzung punktgenau zu organisieren.
wahl.de:
Wie groß ist das Wahlkampfteam der Linken bei dieser Wahl?
Matthias Höhn:
Bei der Europawahl ist die gesamte Bundesgeschäftsstelle mit der Organisation des Wahlkampfes beauftragt, das sind 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
wahl.de:
Wird der Online-Wahlkampf separat organisiert?
Matthias Höhn:
Der Online-Wahlkampf wird in Kooperation mit unserer Agentur gestaltet. In unserem Haus sind vier Personen damit beschäftigt.
Das Angebot unserer Partei kann natürlich auch noch besser werden.
wahl.de:
Im Bundestagswahlkampf wurde ja offen kritisiert, dass Die Linke im Vergleich zu den anderen Parteien nicht das gleiche Gewicht in der Berichterstattung bekommen hat. Hat sich das aus Ihrer Sicht seit der Bundestagswahl und vielleicht auch aus der Tatsache heraus, dass Sie nun die größte Kraft in der Opposition stellen, etwas geändert?
Matthias Höhn:
Die von Ihnen angesprochene Benachteiligung war ja keine Legende, sondern konnte sich durchaus an den Zahlen der Hauptnachrichtensendungen ablesen lassen. Nach meiner Einschätzung hat sich die Situation seit der Bundestagswahl geändert, was sicherlich auch mit der neuen Konstellation im Bundestag zusammenhängt. Dennoch haben wir noch nicht den Stand erreicht, den ich mir wünsche, was aber nicht nur an den Medien liegt. Das Angebot unserer Partei kann natürlich auch noch besser werden.
wahl.de:
Ist es geplant, aktuelle politische Diskussionen wie beispielsweise zu Syrien oder der Ukraine in die Wahlkampfarbeit einfließen zu lassen?
Matthias Höhn:
In der Planung des Wahlkampfes haben wir bereits die thematischen Schwerpunkte festgelegt. So gibt es gewisse Themen, auf die wir nicht verzichten können, weil sie mit uns als Partei unmittelbar verbunden werden. Allerdings versuchen wir im Rahmen der heißen Wahlkampfphase auf aktuelle Debatten zu reagieren, was jedoch nicht bedeutet, dass wir unsere Strategien vernachlässigen werden.
Dabei werden wir Kommunikationswege nutzen, mit denen man schnell reagieren kann, also primär die sozialen Netzwerke. Mit Blick auf die von Ihnen angesprochene Krise in der Ukraine haben wir beispielsweise die Reden von Gregor Gysi im Bundestag zu dieser Thematik über die sozialen Medien transportiert – mit 100.000 Aufrufen innerhalb weniger Tage. So versuchen wir authentisch zu reagieren und das hat mit diesen Reden anscheinend auch sehr gut funktioniert.
Weichgespülter Wahlkampf fördert keine politische Auseinandersetzung und motiviert auch niemanden zur Wahl zu gehen.
wahl.de:
Sie haben Ihre Kampagne mit dem Spruch “Wahlkampf ohne Werbekuscheleien und kruden Slogans”vorgestellt. Wollen Sie zu den Werbekuscheleien und kruden Slogans der anderen Parteien noch etwas sagen?
Matthias Höhn:
Ja gerne, denn sie verblüffen und verärgern mich immer wieder. Sie konterkarieren das, was alle Parteien immer wieder als eigenen Anspruch formulieren, Wahlbeteiligung und Wahlbegeisterung zu erhöhen. Das Gegenteil ist der Fall, denn man fördert die Wahlenthaltung, wenn man den Wahlkampf auf eine komplett weichgespülte emotionale Ebene herunterfährt. Das fördert keine politische Auseinandersetzung und motiviert auch niemanden zur Wahl zu gehen – bestenfalls Waschmittel zu kaufen.
Da machen wir als Partei bewusst nicht mit und wünschen uns, dass auch die anderen Parteien diese Entpolitisierung in Zukunft lassen.
Matthias Höhn wurde am 19. August 1975 in Stolberg/Harz geboren. Er ist seit 2002 Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt und war von 2005 bis 2012 Landesvorsitzender der Partei DIE LINKE in Sachsen Anhalt. Seit 2007 ist Matthias Höhn Mitglied im Parteivorstand der LINKEN, seit 2012 in der Funktion des Bundesgeschäftsführers und Wahlkampfleiters.
Sebastian Schmidtsdorf
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