wahl.de im Gespräch mit Prof. Dr. Andrea Römmele: Zu Gast am 8. Dezember 2016 bei U3 | Unter 3 – Willkommen im Club in der Dunhill Lounge in Berlin, veranstaltet von der Sitzungswoche der meko factory gUG. Wir haben Prof. Römmele im Vorfeld der Veranstaltung exklusiv zu ihren Eindrücken aus dem US-Wahlkampf befragt.

Als »teilnehmende Beobachterin« im Team von Hillary Clinton gewann die Wahlforscherin besondere Einblicke in den Präsidentschaftswahlkampf 2016. Sie nahm an Wahlkampfveranstaltungen in den USA teil, besuchte Wahlkampfzentralen der Demokratin und traf die Präsidentschaftskandidatin zweimal persönlich. Römmele beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Wahlkämpfen in den Vereinigten Staaten und verglich diese mit Wahlkämpfen in Deutschland in ihrem Buch »Direkte Kommunikation zwischen Parteien und Wählern. Professionalisierte Wahlkampftechnologien in den USA und der BRD«.
Einblick in hiesige Kampagnen bekam sie u.a. mit ihrem Engagement für die Kampagne von Gerhard Schröder 1998.

Frau Dr. Römmele, wie haben Sie den US-Wahlkampf erlebt?

Ich war ja im Frühjahr in der Hillary Clinton Wahlkampfzentrale in Brooklyn und habe dort als teilnehmende Beobachterin die Wahlkampagne ein bisschen begleiten können. Mir ist aufgefallen, wie überkontrolliert dieser Wahlkampf war. Wenig Emotionen, extrem viel Kontrolle. So einen übersteuerten und überkontrollierten Wahlkampf habe ich bisher noch nicht gesehen.

Es gibt dieses schöne Zitat von Mario Cuomo, aus den 80ern: „You campaign in poetry, but you govern in prose.“ Und Hillary Clinton hat die Poetry einfach nicht beherrscht, das war von Anfang an klar.

Was lief da falsch?

Eine Schwachstelle in Hillarys Kampagne war – und das stellen jetzt auch einige Beobachter fest – die fehlende Verbindung vom Feld zu den Daten. Ich habe an einer Aktion teilgenommen, wo potentielle Unterstützer der Demokraten angerufen wurden. Wenn diese dann aber angaben, dass sie Sanders-Unterstützer wären, konnte man das nicht in den Datensatz eingeben.

So zwei Wochen vor der Wahl wurde ich angesprochen:

„Mensch, jetzt wird es doch wirklich eng.“

Als die E-Mail-Affäre nochmal aufgewärmt wurde, habe ich gesagt:

„Ja, aber Hillary hat die bessere Wahlkampfmaschinerie, on the ground. […] Get Out The Vote, […] da ist sie einfach sehr viel präsenter im Feld.“

Das stimmt, das war sie auch. Aber, es nützt eben nichts, nur an Türen zu klopfen und zu sagen:

„Geht wählen!“

Man muss auch das richtige Narrativ für die teilweise Unentschlossenen haben. Und das hat ihr gefehlt.

Wie haben Sie den Wahlkampf über Social Media wahrgenommen?

Es war ja eine ganz bizarre Situation. Nahezu alle namhaften großen Medienhäuser, Zeitungen und Sender haben Hillary unterstützt. Dies ist bei uns gar nicht vorstellbar. Und dann sitzt da einer abends auf dem Sofa und tweetet seine 140 Characters und schaltet damit, mehr oder weniger, die Vierte Gewalt aus. Das fand ich schon beeindruckend.

Wir lernen erst jetzt, wie strategisch und mit welcher Kompetenz Trump an Social Media herangegangen ist. Ich denke, Twitter war ein ganz wichtiger Kanal. Aber auch Snapchat zum Beispiel. Wenn man sich die Mediennutzung
der Wählerinnen und Wähler anschaut, dann ist Snapchat ein ganz zentrales Medium bei den unter 30-jährigen Amerikanern. Ich musste mir das erst einmal von meiner Tochter zeigen lassen, weil ich kein Snapchat nutze. Wenn man sich vergegenwärtigt, was Snapchat ist, dann ist das eine Nachricht, die sich innerhalb von 10 Sekunden wieder auflöst. Für Hillary Clintons Ansatz, möglichst ausführlich unterschiedliche Policy-Positionen zu erklären, ist dieses Medium wahrscheinlich nicht gemacht.

Was können wir für das Superwahljahr 2017 lernen?

Die amerikanischen Wahlkämpfe gelten, zumindest in der Kommunikationsforschung, als „state of the art“. Wir sagen immer, „the latest bells and whistles“ finden wir in den USA. Aber, ich muss ganz ehrlich sagen, dass es wenig war, wo ich sagen würde, das sollten wir auch machen. Ganz zu schweigen davon, ob es bei uns auch funktionieren würde.

Ich würde es anders sagen. Wir sollten uns auf einen Sachverhalt mehr besinnen: ‚community based campaigning‘.

„Mitglieder, Sympathisanten stärker in den Wahlkampf mit einbinden.“

Das ist etwas, das wir in beiden Kampagnen sowohl bei Trump als auch bei Hillary gesehen haben. Bei Hillary natürlich nochmal sehr viel ausgeprägter. Und das ist sicherlich etwas, was die Parteien hier auch nutzen können. Auch das Canvassing, door-to-door campaigning sind Instrumente, die bei uns sicherlich auch nützlich sein können und in manchen Landtagswahlen ja auch schon erprobt wurden.

Vieles geht ja aber auch allein schon datenrechtlich bei uns nicht.

„Big Data Campaigning in der Form, wie wir das aus den USA kennen wird es bei uns nicht geben.“


Prof. Dr. Andrea Römmele ist Professorin für Communication in Politics and Civil Society an der Hertie School of Governance und seit Oktober 2014 auch akademische Direktorin von Executive Education an der Hertie School. Sie studierte Politikwissenschaften, Geschichte und Kunstgeschichte an den Universitäten Heidelberg und Berkeley.

Prof. Dr. Römmele ist Autorin zahlreicher Fachbücher und -beiträge sowie Herausgeberin der »Zeitschrift für Politikberatung«. Sie ist Mitglied des Präsidiums der Deutsche Gesellschaft für Wahlforschung, Mitglied des Arbeitskreises »Politik und Kommunikation« der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) und Leiterin der Sommerakademie »Political Consulting and Strategic Campaign Communication«.

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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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