Der Wahlkampf in den USA wurde größtenteils über die sozialen Medien beschritten. Beide Teams, Trump gegen Clinton, experimentierten mit personalisiertem Marketing, so genanntem „programmatic campaigning“. Dabei wird eine Botschaft in kleine Nachrichten aufgeteilt und den Empfänger nach und nach über verschiedenen Kanäle zugesandt.
Personalisierte Politkampagnen: Ich seh etwas, was du nicht siehst – NZZ.ch https://t.co/fkJMDS2U07 via @nuzzel thanks @Frau_Beckedahl
— Frederik Fischer (@FrederikFischer) 19. Februar 2017
Persönliche Fake-News
Bei diesen Nachrichten geht es nicht um Fakten. Viel mehr soll der politische Gegner vor dem potentiellen Wähler diskreditiert werden. Je persönlicher es dabei wird, desto effektiver. Trumps Team ließ beispielsweise afroamerikanischen Wählern gefälschte Videos zukommen, in denen Clinton angeblich farbige Männer als Raubtiere bezeichnete. Fake-News.
Einfluss auf Wahlbeteiligung
Datenwissenschaftler und Politologen streiten um die Wirkung des Mikromarketings. Zum einen sind die Beiträge in den sozialen Medien als Werbung gekennzeichnet. Zum anderen geht man davon aus, dass Personen, die sich aktiv mit der Wahl und Politik im Allgemeinen auseinandergesetzt haben, nicht von dieser Form der Wahlwerbung manipulieren lassen. Auch eine tiefe politische Überzeugung sollte dabei nicht beeinflusst werden. Allerdings könnte diese zielgruppengerechte Werbung die Wahlbeteiligung bestimmter Gruppen künftig sowohl erhöhen als auch mindern.
Keine Einsicht für Journalisten
Durch die Individualisierung dieser Wahlkampagnen gibt es keine allgemeine, öffentliche Analyse. Ursprünglich konnten Journalisten bei den Wahlkampfveranstaltungen mitreisen und die Reden der Kandidaten für die gesamte Bevölkerung reflektieren. „Dark Posts“ sind für sie nicht mehr zugänglich. Ohne Aufklärungsmöglichkeiten durch die Instanz des Journalismus sind die Leser der Manipulation ausgesetzt. Ein Ende der politischen Öffentlichkeit bewirkt auch eine Ende der Demokratie.
Verzerrung der öffentlichen Meinung
Die „Messengerisierung“ beschreibt die Verschiebung des politischen Diskurses in Social Media Anwendungen wie Facebook, Twitter, Whatsapp und Snapchat. Alternative Meinungen werden unsichtbar, die Plattformen sind ein Nährboden für personalisierte Propaganda. Eine breit informierte, öffentliche Netzgemeinde kann so gar nicht erst entstehen. Man tauscht sich nur noch mit Gleichgesinnten aus, die ebenfalls in das Profil des eigenen Marketings passt und entzieht sich unbewusst einer politischen Meinung. So verzerrt sich auch das Bild, dass ein Individuum von der Meinung der breiten Masse hat.
Kein Protest ohne Aufklärung
Doch da diese Entwicklung von den Nutzern oft als angenehm empfunden wird, weil man sich nicht dem Stress der anderen Meinung aussetzen muss, bleibt der Protest bislang aus. Wer sich in seiner eignen Denkweise bestätigt fühlt, hinterfragt zunächst nicht, ob er manipuliert wird. Dafür muss es erst eine breite Aufklärung der Social-Media-Nutzer geben. Auch wenn Deutschland bislang in Puncto Digitalisierung des Wahlkampfs zurückliegt, sollte man sich jetzt schon mit den Gefahren des Mikromarketing vertraut machen. Ansonsten läuft auch die deutsche Bevölkerung Gefahr um Sog der Messengerisierung verloren zu gehen.
Helena Serbent
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