In den vergangenen Tagen sorgte der Artikel „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt“ für aufsehen. Warum? Einerseits, weil darin eine vermeintliche plausible Erklärung für den Sieg Donald Trumps bei der US-Wahl und für den Brexit präsentiert wird. Anderseits wird darin bestätigt was viele Menschen befürchten: Algorithmen haben Dank Big Data die Macht übernommen und beeinflussen gezielt den Einzelnen und formen so Massenbewegungen.

Im Mittelpunkt steht das Unternehmen Cambridge Analytica, das auf Basis von Psychometrie und Datenanalysen Persönlichkeitsprofile erstellen können soll. Damit soll passgenaue Kampagnenwerbung möglich werden. Die Individualisierung der Anzeigen soll so kleinteilig sein, dass man damit letztlich jeden Wähler überzeugen kann. Einzige Voraussetzung sind massenhaft Daten, die „selbstverständlich“ auf Facebook zu finden seien. Auf Grundlage der eigenen Aktivität wird das erwähnte Persönlichkeitsprofil erstellt und passgenaue Anzeigen in der eigenen Timeline geschalten. Klingt nach Science Fiction? Ist es auch. Ein bisschen Science, sehr viel Fiction, dazu eine Prise weltzeitliche Endstimmung et voilà existiert eine gute Story, die sich wie ein Lauffeuer auf Facebook verbreitet.

Nicht alles was glänzt ist Gold

Hat also ein Algorithmus Trump Anhängern und Brexit Befürworten zum Sieg verholfen? Nein, zumindest nicht ausschließlich. Dennis Horn (Digitalexperte in der ARD) stellt die Fähigkeiten von Cambridge Analytica grundsätzlich in Frage. Denn bevor die Firma für Donald Trump gearbeitet hat, sollte sie Ted Cruz zum Sieg verhelfen. Das ist bekanntlich nichts geworden. Und die angebliche Beteiligung an der Kampagne der Brexit Befürworter hat das WIRED Magazin bereits im August widerlegt. Grund dafür: Keine ausreichenden finanziellen Mittel.

Außerdem sei die Aussagekraft von „Likes“ auf Facebook begrenzt, immerhin lassen sich damit nur Wahrscheinlichkeiten berechnen, so Horn. Ob sich daraus verlässliche Rückschlüsse auf die Persönlichkeit und die Eigenschaften ziehen lassen, hat Lars Fischer (Freier Journalist) bereits 2013 bezweifelt. Die Statistik hat eben ihre Tücken.

Deutlich wichtiger für den Erfolg der Trump und Brexit Kampagne war es laut Jens Scholz (Consultant Digital und Social Media), dass beide darauf verzichtet haben jene zu überzeugen, die man nicht überzeugen kann. Stattdessen hat man sich auf die Wähler konzentriert, die ohnehin empfänglich für die eigenen Botschaften waren. Kurz gesagt: Man hat sich auf die eigenen Stärken besonnen. Und das hat man deutlich besser gemacht, als die gegnerische Seite.

Viel Lärm um nichts?

Es ist kein Geheimnis, dass Facebook & Co unsere Timelines filtern und die Inhalte unseren Interessen entsprechend präsentiert. Das kann dazu führen, dass Menschen in ihrem Weltbild bestärkt werden. Um diese Menschen zu erreichen ist eine zielgerichtet Kampagne hilfreich. Dafür bedarf es allerdings keiner komplexen psychologischen Profile. Sondern eine klar definierten Zielgruppe.

Dave Karpf (Assistenzprofessor, George Washington University School of Media and Public Affairs)  erkennt deshalb hinter dem lauten Getose vor allem ein wirtschaftliches Kalkül von Cambridge Analytics und anderen Anbietern. Wer es schafft seinen Algorithmus als besonders erfolgreich zu vermarkten, für den brechen womöglich goldene Zeiten an. Ob sich alleine damit der Erfolg einstellt, darf allerdings bezweifelt werden. Am Ende wird der Wähler von einer Botschaft, dem Inhalt, überzeugt und nicht von einem Algorithmus der angeblich Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zulässt.

Ungeachtet dessen gilt in Deutschland weiterhin ein strenges Datenschutzgesetz. Vieles, was in den USA oder Großbritannien möglich ist, ist hier schlichtweg illegal und verboten. Welche Auswirkungen dieser Umstand für deutschen Kampagne hat, erklärt Mathias Richel (Creative Director bei Torben, Lucie und die gelbe Gefahr) sehr detailliert. Alleine die Datengrundlage wäre viel zu gering, um Profile wie in den USA in selben Umfang zu erstellen (sofern es sie überhaupt gab). Seine Conclusio für Deutschland: Kein Big Data weit und breit.

Der Artikel aus „Das Magazin“ zeigt zweierlei Sachen. Erstens, dass Big Data in Verbindung mit Politik nicht nur Euphorie auslöst, sondern bei vielen Menschen Angst. Es ist die Sorge, dass unsere Demokratie von der Digitalisierung bedroht wird. Zweitens, ist es ein Thema, zu dem viele eine Meinung, aber nur wenige eine Ahnung haben. Deshalb ist eine kritische Reflexion des Inhalts umso wichtiger. Weder sollte die Verwendung von Big Data sorglos, noch kopflos sein. Es ist an der Zeit, einen breiten öffentlichen Diskurs über das Für und Wider zu führen.

Quellen: DigitalistanScilogs; jensscholz.com; civichall; Zielgruppenfernes Verhalten

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Bernd Roschnik

Bernd Roschnik

Redakteur bei appstretto
Nach seinem Studium der Kulturwissenschaften hat Bernd Erfahrungen im Bereich Public Affairs und Public Relations gesammelt. Seit kurzem vervollständigt er seine akademische Vita und studiert Religion und Kultur an der Humboldt Universität. Außerdem unterstützt er nach Kräften appstretto. Sein besonderes Interesse gilt der Digitalisierung von Politik und die damit verbundenen Entwicklungen.
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