In der wirklich heißen Phase des Wahlkampfes sind Unternehmen und Verbände gut beraten, sich nicht in die politische Debatte einzumischen, Partei zu ergreifen oder gar selbst zum Thema zu werden. Im harten, zugespitzten Kampf der Parteien ist das Risiko, unter die öffentlich-medialen Räder zu kommen, viel zu hoch. Auch in diesem Wahlkampf versucht die Wirtschaft darum wieder indirekten Einfluss auf die zukünftigen politischen Entscheidungsträger zu nehmen. Viele Unternehmen werden auf die altbekannten Klassiker Zeitungsanzeigen, Sachleistungen, Wahlprüfsteine oder Parteispenden setzen.
Doch gibt es bis zum Wahltag elegantere und vor allem wirkungsvollere Wege, sich einzubringen. Erfolgreich ist, wer sich selbst direkt zu Wort meldet, auf die richtigen Themen setzt und Haltung zeigt.
Doch das gilt nicht ohne Weiteres: Digitalisierung, Mobilität und Sicherheit sind geeignete Wahlkampfthemen, um sich als Unternehmen ins Gespräch zu bringen. Negative Drohszenarien wie Abwanderung des Unternehmens, Abbau von Arbeitsplätzen oder Verlust von Steuereinnahmen sind kein Teil einer überzeugenden Argumentationsstrategie. Herausgestellt werden sollten die Innovationskraft, Nachhaltigkeit und der gesellschaftliche Mehrwert von Unternehmen. Auch wenn es rhetorisch abgegriffen erscheinen mag, haben einige Unternehmen es bis heute nicht verstanden: nicht die eigene Gewinnmaximierung, sondern der soziale Mehrwert sollte im Mittelpunkt des Diskurses mit Politik und Gesellschaft stehen. Mit den folgenden 5 Themen können Unternehmen punkten:

1. Digitalisierung & moderne Arbeitsplätze

Die Digitalisierung wird unsere Gesellschaft weiter rasant verändern. Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam die gesellschaftlichen Veränderungen bewältigen, die damit verbunden sind. Das bedeutet, Digitalisierung muss erklärt und gestaltet werden, damit es nicht zu sozialen Verwerfungen kommt. Unternehmen, die in diesem Diskurs eigene Botschaften setzen, finden zahlreiche Ansprechpartner in der Politik. Gerade im Bereich der Digitalisierung ist die Politik nicht nur offen für Impulse aus der Wirtschaft, sie fordert diese geradezu ein. Die meisten politischen Entscheider haben selbst noch wenige Antworten, aber viele Fragen. Wie wird die Arbeitswelt 4.0 den Sozialstaat verändern? Muss Steuergerechtigkeit neu definiert werden, wenn immer mehr Roboter die menschliche Arbeitskraft ersetzen? Weitere Themen der Arbeitswelt 4.0 sind die Gestaltung von Home-office, flexible Wunscharbeitszeit und der Wechsel zwischen Arbeit und lebenslanger Weiterbildung.
Unternehmen sollten aktiv ihre eigenen Lösungsansätze in den politischen Diskurs einbringen und offen kommunizieren, welche politischen Rahmenbedingungen sie benötigen, damit Deutschland auch weiterhin die innovative Kraft in Europa und auf dem Weltmarkt bleibt. Unternehmen, die nicht nur neue Produktlinien erforschen, sondern auch die gesellschaftlichen Folgewirkungen ihrer Produktion mitdenken, kommen ins Gespräch.

2. Sicherheit & gesellschaftlicher Zusammenhalt

Wenn Wahlen vor der Tür stehen, werben alle Parteien mit Konzepten für mehr innere Sicherheit. Gemeint ist aber nicht nur die Terrorabwehr. Es geht um alle Konzepte, Ideen und Produkte, die das Sicherheitsbedürfnis der Menschen in Deutschland befriedigen. Sicherheit ist ein Zukunftsmarkt: Ideen und Produkte, die die Sicherheit stärken sind gefragt. Welche Technik verhindert Autoaufbrüche und Diebstähle, wie sichere ich Wohnungen und Privathäuser, wie kann Überwachungstechnik im öffentlichen Raum weiterentwickelt oder die Cybersicherheit für den Otto-Normal-PC-Nutzer gestärkt werden? Größter Abnehmer für Sicherheitstechnik ist der Staat. Damit sich die Entwicklung neuer Sicherheitsprodukte lohnt braucht es ein Netzwerk, das Produzenten und Abnehmer zusammenbringt. Sicherheitskonferenzen und -foren können hier ein interessanter Ansatz sein, um ins Gespräch zu kommen.
Neuerdings können Unternehmen auch mit der anderen Seite der Medaille reüssieren: dass sie sich zu unseren Werten und unserer Lebensart bekennen und sich keiner Terrorlogik beugen. Wer hier etwas zu bieten hat, ist im Wahlkampf ein gern gesehener Gesprächspartner. Bestes Beispiel ist die gelungene PR-Aktion des 1. FC Köln. Statt des Sponsors ziert die Aufschrift „Wir zusammen“ die Brust der Fußballer. In der Initiative „Wir zusammen“ engagieren sich etwa 180 deutsche Unternehmen für eine Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt. Und siehe da: Kanzlerin Angela Merkel kommt.

3. Mobilität

Mobilität ist nicht nur für die deutsche Autoindustrie zum Existenzthema geworden. Alle Unternehmen sind direkt oder indirekt vom Mobilitätswandel betroffen. Das Thema bietet eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für die Wirtschaft, wenn sie sich sach- und lösungsorientiert einbringt. Der Strauß an Themen könnte größer kaum sein. E-Mobilität, Kfz-Steuern und Abgaben bzw. Maut oder die langfristige Privatisierung der Autobahnen sind nur ein kleiner Ausschnitt. Neue Produktionsstandorte werden nur noch genehmigt, wenn es eine sogenannte trimodale (Straße, Gleise, Wasserweg) Verkehrsanbindung gibt. Der individuelle Autoverkehr soll begrenzt werden, der Diesel steht vor dem Aus. Hier müssen die richtigen Botschaften von der Wirtschaft gesetzt werden. Ideen und Konzepte zur zukünftige Mobilität sind von der Politik gefragt. E-Autos und auch E-Velos sind schon jetzt beliebte Sachleistungen von Firmen für die Spitzenkandidaten der Parteien. Das Thema Mobilität ist oft ein geeigneter Aufhänger, um vor Ort im Wahlkreis mit allen Parteien in ein konstruktives Gespräch zu kommen.

4. Politische Haltung

Das Feld der Kommentierung darf nicht den Trollen und Bots im Netz überlassen werden. Wir brauchen Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich urteilsfähig einmischen. Echte Diskussion ist gefragt. Aber nicht mit plumper Meinung. Auch die begründete Meinung reicht noch nicht. Die kompetente Deutung des Geschehens ist ein Einstieg, und dann kommt es auf Haltung an. Unternehmer, engagierte Manager, die eine Haltung zeigen und gesellschaftspolitisch Standpunkte beziehen, empfehlen sich als politische Ratgeber und sind im Wahlkampf gefragte Gesprächspartner. Das gilt übrigens über den Wahlkampf hinaus: Wer sich um öffentliche Belange kümmert, ist auch langfristig ein integrer Gesprächspartner. Ein Land, in dem aggressive politische Strömungen aufkommen, der Status Quo begründungspflichtig ist und die Errungenschaften der EU angezweifelt werden, in diesem Land – das wissen alle Bundestagskandidaten – kommt es auch auf engagierte Wirtschaftsvertreter an, die Farbe bekennen. Aber Obacht beim Tonfall: Wer ein Monopol der eigenen Urteilskraft im öffentlichen Diskurs beansprucht, erweckt den Eindruck von Indoktrination und erzeugt Abwehrreflexe.

5. Gesellschaftlicher Mehrwert

Die deutsche Wirtschaft ist im europäischen Vergleich stark und stabil. Made in Germany ist nach wie vor weltweit eine gefragte Marke. Kein Wunder, dass die Union wieder auf Schwarz-Rot-Gold in ihrer Wahlkampagne setzt. Wir sind ein reiches Land, weil wir eine starke Wirtschaft und stabile politische Verhältnisse haben und eine Bevölkerung, die sich in vielfältiger Weise gesellschaftlich einbringt. Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft arbeiten zunehmend in transparenten Prozessen gemeinsam an der Lösung gesellschaftlicher Konflikte. Unternehmen müssen sich die Frage stellen, wie sie in ihrer Kommune von den Bürgerinnen und Bürgern und von der Politik wahrgenommen werden. Für eine gute Unternehmenskultur reicht es nicht, sich durch eine Befragung bei den eigenen Beschäftigten zum besten Arbeitgeber küren zu lassen oder zu sagen „wir steigern das Bruttosozialprodukt“. Die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens darf keine inhaltsleere Luftblase sein. Unternehmen müssen in Gesprächen, Foren und Events deutlich machen, wo der gesellschaftliche Mehrwert der wirtschaftlichen Tätigkeit vor Ort im Wahlkreis liegt.

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Sebastian Frevel
Sebastian Frevel ist Experte für Corporate und Public Affairs und Geschäftsführer der Von Beust & Coll. Beratungsgesellschaft. Er ist spezialisiert auf strategische Interessenvertretung, politische Unternehmensreputation sowie Stakeholder Management.