Der Parteitag ist um, der Wahlkampf steht an und alles leuchtet in gelb und blau und Magenta. Die FDP ist zurück, jedenfalls ein bisschen. Betrachtet man den Parteitag und das Selbstbewusstsein des Vorsitzenden der Liberalen, könnte man glatt vergessen, dass sie aktuell nicht im deutschen Bundestag vertreten sind. Doch genau da könnte im Wahlkampf ihre Stärke liegen.

Schmerzhafte Erinnerungen

Unter Westerwelle und Rösler galt die FDP als kalte Wirtschaftspartei, die sich hauptsächlich für niedrige Steuern bei Großunternehmen einsetze. So verlor sie wenige Monate nach der Bundestagswahl 2009 als Mitglied der schwarz-gelben Regierung den Rückhalt in der Wählerschaft und rutschte von knapp 15 auf 10 Prozent in Meinungsumfragen ab. Der bundesweite Abstieg begann dann bei der Bürgerschaftswahl in Bremen, als man mit 2,4 % am Wiedereinzug scheiterte. Der Untergang der Liberalen schien sich bei der Bundestagswahl 2013 zu besiegeln: Mit 4,8 % flog die Partei aus Kabinett und Parlament. Der Bundesvorstand musste Konsequenzen ziehen und trat geschlossen zurück.

Von der Regierung in die APO

Beim außerordentlichen Parteitag wählte die FDP ihren neuen Vorsitzenden Christian Lindner, der zum Neuaufbau seiner Partei aufrief. Man versuchte die Ursache des Scheitern aus den vergangenen Jahren zu analysieren. Lindner bleibt der Mann an der Spitze – der junge Typ, der für eine frische Partei steht, die mehr Themen zu bieten hat als Steuerpolitik. Eine Partei, die im Kontrast zur AfD für demokratische Grundwerte und Vielfalt stehen soll. Es gibt keine Intrigen mehr, die nach außen dringen, keine öffentlichen Lästereien und keinen Machtkampf an der Spitze. Da setzt sich die FDP bereits von der AfD ab.

Themensuche mit 600 Delegierten

Der 38-Jährige Lindner wurde mit 91 % wiedergewählt. Das ist kein Schulz-Ergebnis, doch das muss auch nicht sein. Es sind vielleicht die 9 %, die Demokratie und Diskussionsfreunde widerspiegeln dürfen.

Zum Thema Einwanderung und Flüchtlingspolitik will die Partei auch was sagen. Das Thema ist zu allgegenwärtig um es zu ignorieren. Die 600 Delegierten auf dem Parteitag diskutierten über ihr Wahlprogramm, welches sie wieder zur politischen Elite machen soll. Zur Debatte steht Bildung. Die FDP plädiert interessanterweise für einen Staatsvertrag, in dem Bund und Länder die Finanzierung sicher stellen sollen. Auch Steuersenkungen stehen wieder auf der Agenda, Einwanderung und Digitalisierung.

FDP- Die Verfassungspatrioten

Die FDP sieht sich als Partei der Verfassungspatrioten und hebt sich so mittig vom linken und rechten Rand ab. Es geht um die Wertschätzung des Grundgesetzes, „Einigkeit und Recht und Freiheit“, ein bisschen um das Singen der Nationalhymne bei einem Fußballspiel, aber vor allem will man nicht mit der AfD in eine Schublade gesteckt werden. Vergleichbar ist das mit dem schottischen Verständnis von Nationalstolz und Einbezug der Eingewanderten. Die Einbürgerung soll erleichtert werden, es soll mehr Einwanderung geben, mit dem Ziel der Einbürgerung. Die FDP will sich für die doppelte Staatsbürgerschaft einsetzen.

Flüchtlinge: Lindners Ja zur Abschiebung

Das Parteiprogramm sagt wortwörtlich: „Einwanderer müssen zu deutschen Staatsbürgern werden können, ohne ihre Wurzeln und etwa Eigentum in ihrem Herkunftsland aufgeben zu müssen. Für eine Einbürgerung muss es verbindliche Bedingungen und ein klares Regelwerk geben. Voraussetzungen sind insbesondere gute Sprachkenntnisse, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis seit mindestens vier Jahren, die eigene Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie, Straflosigkeit, ein bestandener Einbürgerungstest und vor allem das uneingeschränkte Bekenntnis zur Rechtsordnung unseres Grundgesetzes.“

Asylbewerber sollen mit den gleichen Möglichkeiten in Deutschland aufgenommen werden, wie andere Einwanderer, nur mit begrenztem Aufenthaltsrecht. Bei abgelehnten Asylanträgen fordert der FDP-Chef hartes Durchgreifen und Abschiebung. Damit will man den Sozialstaat schützen.

Neues Ministerium für Digitalisierung

Die moderne, neue FDP unter Linder will Freiheit auch im digitalen Datenverkehr. Die Digitalisierung soll durch ein eigenständiges „Digitalministerium“ gemeistert werden. Auch eine flächendeckende Glasfaser-Gigabit-Infrastruktur soll helfen, Deutschland im europäischen Vergleich von den hinteren Plätzen nach Vorne zu bringen.

Gelder für den Ausbau der Netze sollen durch den Verkauf von Staatsbeteiligungen etwa an der Post AG erzielt werden. Auch für die digitale Bildung will man Geld in die Hand nehmen: Pro Schüler sollen 1.000 Euro investiert werden, damit Schulen mit moderner Technik ausgestattet werden. Außerdem soll Bürokratie in der Wirtschaft abgebaut und Share-Economy gefördert werden.

Ein bisschen Populismus für den Neu-Anfang

Ganz kann sich die FDP nicht von der Populismuswelle abkoppeln. Dafür bietet sich ihre Position außerhalb des Parlaments in der Bundestagswahl zu sehr an. Aber man gibt sich nicht „deutsch“ sondern „verfassungspatriotisch“. Nicht die Mitte sein, sondern als Säule der Freiheit wahrgenommen werden. Als Alternative zur Alternative. Hier ist man jung und will digital sein, nicht wie die ewig gestrigen von der AfD. Die FDP, das sehen die Delegierten hier eindeutig, will ihren „rechtmäßigen“ Platz im deutschen Parlament zurück. Linder, der junge Liberale, ist die perfekte Antithese zu einem Gauland von der AfD.
Laut INSA stehen die Liberalen bei 6,4 Prozent. Das sind keine Zahlen von 2009, doch wenn es dem FDP-Chef darum geht, die Vergangenheit vergessen zu machen, könnte jeder Einzug für ihn reichen.

Wahlkampf ohne Altgepäck

Ohne Altlasten einer vergangenen Wahlperiode, aber mit einem Kandidaten, der beim Wähler ankommt, geht es für die FDP in den Wahlkampf. Das sie sich eine ungewollte Auszeit von 4 Jahren genommen hat, kann ihr nur von Vorteil sein. Schließlich haben sie keinerlei Verantwortung in der „Flüchtlingskrise“ und können sich belehrt präsentieren.

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Helena Serbent

Helena Serbent

Seit ihrem Volontariat bei Media Partisans arbeitet Helena Serbent für „wahl.de“ und moderiert bei ALEX Berlin die Talksendung „Kopf.Hörer“. Ihre Schwerpunkte sind Politik und Digitalisierung.