Zu Gast bei Wahlkämpfern: wahl.de hat sich kurz vor dem Wahlsonntag mit Kandidaten für das Berliner Abgeordnetenhaus getroffen. Alle hoffen zum ersten Mal auf den Sprung ins Hauptstadt-Parlament. Sechs Direktkandidaten. Sechs Portraits. Sechs Wahlkampf-Forderungen. Eine Frage an euch. Registriert euch und stimmt ab!

Teil 5: Bernd Schlömer (FDP), Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg

Bernd Schlömer. Kriminologe. Sozialwissenschaftler. Autor. Ex-Piraten Vorsitzender. Regierungsdirektor. Cyber-Experte bei Ursula von der Leyen. Neu-FDPler.

Wenn alles gut geht, dann kommt am Sonntag in diese nicht ganz vollständige Liste noch ein MdA (Mitglied des Abgeordnetenhauses) hinzu. Schlömer ist Spitzenkandidat der FDP in Friedrichshain-Kreuzberg. Und die Chancen stehen nicht schlecht. In letzten Umfragen zur Berlin-Wahl lag die Partei, die 2011 im Wahlbezirk von Schlömer kaum messbare ein Prozent eingefahren hat, bei den erforderlichen fünf Prozent.

Zu verdanken hat die jetzige FDP das zu einem nicht geringem Teil ganz klar ihren Wahlkämpfern, aber wohl auch dem Bundesvorsitzendem Christian Lindner. Dieser hat nach der krachenden Niederlage im Bund das Ruder übernommen und kämpft seitdem für die Erneuerung der Partei und damit den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag. Lindner hatte den aktuell wahlkämpfenden Schlömer zu einem Termin gebeten. Es stand ein Besuch bei Funding Circle an. Auf der Internetplattform werden Kredite für kleine und mittlere Unternehmen direkt an Investoren zu vermittelt. FinTech, das neue Zauberwort am Startup-Himmel. Schlömer wusste selbst nicht mehr genau, wie der Termin zu Stande kam. Wahlkampfzeiten sind stressige Zeiten mit überladenen Terminkalendern.

Der SPD-Wunderknabe aus dem Bundesfinanzministerium

Am Empfang erwartet uns kein geringerer als Jörg Asmussen. Wenn man eine Aufzählung, wie am Anfang dieses Beitrags, für Asmussen anfertigen wollte, bräuchte man wohl mehrere Zeilen. Er galt als Wunderknabe im Bundesfinanzministerium unter Waigel, Eichel, Steinbrück und Schäuble. Über die EZB ging es dann ins Arbeitsministerium zu Nahles, worauf ein missglückter Wechsel zur KfW-Bank folgte. Dann wurde es kurz ruhig um ihn. Mittlerweile ist er unter anderem Aufsichtsratsmitglied bei Funding Circle.

Nun stehen sie da. Der FDP-Chef, der seine Partei zurück an die Oberfläche katapultieren soll, des Ex-Piratenchef, der es in dem zwar liberalen —aber vom Bauchgefühl nicht wirklich der FDP zugewandten— Friedrichshain-Kreuzberg packen will und der SPD Finanz- und Deregulierungsexperte. Passt nicht? Doch das passt. Asmussen war schon immer eher überparteilich unterwegs und hat den Termin wohl letztendlich eingetütet.

Christian Lindner, Bernd Schlömmer und Jörg Asmussen

Funding Circle sitzen in einem dieser typischen Berliner Startup Büros. Obwohl, über die Startup-Phase sind sie bereits hinaus. Allein in Deutschland haben sie 70 Mio., weltweit 2,5 Mrd. Euro Kredite und Investments vermittelt. Lindner macht eine vitalen Eindruck. Er laufe mindestens 15 Etagen und 10.000 Schritte am Tag erzählt er stolz, als er Schlömer in den Fahrstuhl folgt. Genauso vital fragt er im Gespräch mit Christian Grobe, COO von Funding Circle, nach. Es geht um Regulierungsrahmen, EU-Recht aber auch Berliner Themen wie Tegel — dem FDP-Wahlkampfthema zur Abgeordnetenhauswahl. Lindner attestiert seinen Politikerkollegen kein Verständnis für die Belange von Unternehmen wie Funding Circle zu haben. Asmussen bilde hier ganz klar die Ausnahme.

Schlömer hört konzentriert zu. Anfangs scheint es, das Thema sei eventuell nicht seins. Doch das täuscht. Er resümiert treffend: „Solche Unternehmen mit ihren internationalen Mitarbeiten brauchen eine liberale weltoffene Stadt wie Berlin. Das schrabbelige zieht!“

In Berlin gäbe es jahrzehntelang gewachsene Geflechte aus Politik, Verwaltung und Industrie. „Startups haben es hier schwieriger“, so Schlömer. Der FDP ginge es genauso. Mit dem Ausscheiden aus den Parlamenten sei sie aus den Netzwerken herausgefallen. „Dadurch hat sich die FDP gewandelt, und mit ihr auch die Wähler und die Wahlkämpfer“, entgegnet Lindner. Mit diesen neuen Leuten mache es wieder Spaß. „Ich liebe Wahlkampfzeiten. Da lerne ich so viel. Aber eigentlich habe ich ja immer Wahlkampf“, sagt Lindner. Alle im Raum lachen. Man nimmt es ihm ab.

Wahlkampf muss online geführt werden

Ursprünglich wollte Schlömer gar keinen Wahlkampf machen, aber er wurde gefragt. Die Situation für die FDP sei in Berlin ganz günstig. „Sie wird als Partei der Chance wahrgenommen.“ Sie machen in Friedrichshain-Kreuzberg einen Wahlkampf, der ihnen selbst gut gefalle. „Locker und gelöst, aber engagiert.“ Der Wahlkampf müsse heutzutage online geführt werden. Die FDP hat vor allem mit Grafik und farbenfrohem Design gearbeitet. „Unsere Website ist stark bildgesteuert, um junge Wählerinnen und Wähler anzusprechen.“ Zielgruppe des Onlinewahlkampfes wäre die Generation Y, zwischen 18 und 40 Jahren. Das gehe sehr stark über Bilder und kurze Videos.

Für seinen Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg wolle er einen besseren Umgang mit Unsicherheiten in den Kiezen. Damit meint er wohl die mittlerweile deutschlandweit bekannten Brennpunkte Görlitzer Park oder den Kotti. Da kennt er sich als studierter Kriminologe aus. „Die Sozialpolitik ist hier das dominierende Mittel.“ Das wäre der erfolgsversprechendste Weg. Aber auch mehr Polizei müsse auf die Straßen. Er habe den Eindruck, dass es der Bürgermeisterin Monika Herrmann von den Grünen egal wäre, was hier passiere. „Das ist ein Ausdruck von Gleichgültigkeit.“ Zudem müsse dringend die Mobilität verbessert werden. Die FDP habe sich in Friedrichshain-Kreuzberg dem Radentscheid angeschlossen. „Das Fahrrad wird eines der zentralen Mobilitätsmittel der Zukunft sein.“

Am interessantesten sei es für Schlömer immer, auf Piraten und Ex-Piraten im Wahlkampf zu treffen. In der Regel reagieren diese aber relativ freundlich auf ihn. „Durch die Piraten bin ich politisch geworden“, so Schlömer. Jetzt wolle er endlich Politik machen. Das wiederum funktioniere bei der Piratenpartei nicht mehr. Deren Wahlausgang ist auch mehr als unsicher —bzw. ist es eher sicher, das es nichts wird. Aber auch die Liberalen müssen zittern. Am Wahlsonntag wird es spannend: für die FDP und für Schlömer.


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Alle Portraits finden sich hier: fragerei by dorfgeschrei

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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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