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Teil 6: Daniel Gollasch (Bündnis 90/ Die Grünen): Direktkandidat für den Wedding

Gentrifizierung vermutet man in dem Teil des Wedding eigentlich nicht auf den ersten Blick. Eigentlich. Aber Berlin boomt. 50.000 neue Einwohner jedes Jahr. Luxussanierung. Eigentumswohnungen, Spekulation und Bauboom sind auch im ehemaligen Berliner Arbeiterviertel angekommen. Guineastraße- Afrikanisches Viertel. Daniel Gollasch, Direktkandidat für die Grünen, hat sich mit Mietern verabredet, deren Haus kurz vor der energetischen Sanierung steht. Sie wohnen in einem typischen 70er Jahre Bau. Als Außenstehender denkt man sich, dass eine Sanierung hier nicht unbedingt schlecht angebracht wäre. Doch die Mieter „lieben den Block“ und haben Angst. Sowohl vor dem Asbest, der viellicht in der Fassade steckt und natürlich auch vor Folgen, die die geplante energetische Sanierung mit sich bringt. Baulärm. Dreck. Mietsteigerungen. Verdrängung. Dieses Spiel kann man in Berlin überall beobachten. Nun auch im Wedding.

Grüner Zielkonflikt Mieten vs. energetische Sanierung

Gollasch hat extra einen Architekten und Spezialisten für die Sanierung solcher Häuser mitgebracht. Die Mieter sind vor allem die der älteren Generation. Sie sind alle gut vorbereitet. Haben Aktenordner und sogar ein Stück der Fassadenverkleidung mit, damit der Profi überprüfen kann, ob wirklich Asbest verarbeitet wurde. Er findet auf den ersten Blick keinen Hinweis darauf. Daniel Gollasch hält sich während der Diskussion eher dezent im Hintergrund. Klar, es ist ein ganz spezielles Fachthema und für einen Grünen vielleicht auch nicht ganz einfach. Energetische Sanierung heißt Energie sparen und die Grünen wollen das. Aber er macht das, was Wahlkämpfer tun: im Wahlkreis vernetzen, Gesicht zeigen, sich die Sorgen und Probleme der Bürger anhören. Gollasch wünscht sich bei der energetischen Sanierung einen Ausgleich mit den sozialen und mieterrechtlichen Aspekten.

Sprengstoff im Kiez

Nach 45 Minuten soll es gleich weiter zum nächsten Termin gehen. Gollasch kommt kaum los. Die älteren Damen belagern ihn. Er spricht das Thema des folgenden  Termins – die Umbenennung von Straßennamen im Afrikanischen Viertel – an. Ein Thema mit Sprengstoff im Kiez, wie bereits die Reaktionen der Anwohnerinnen zeigen. Sie sind ganz klar gegen die Umbenennung und rufen dem Grünen Direktkandidaten noch hinterher: „Das weiß doch eh keiner mehr, wer die waren und was die gemacht haben!“ Gollasch lächelt und geht. Seinen Standpunkt zum Thema sagt er nicht.

Geladen hat die Initiative PRO Afrikanisches Viertel. Laut Gollasch ein Verein, der wohl der örtlichen CDU sehr nahe steht. Der Titel der Veranstaltung, „Schwieriges Erbe“, trifft es ganz gut. Die Petersallee, Lüderitzstraße und der Nachtigalplatz, alle benannt nach Personen der deutschen Kolonialzeit in Afrika, sollen, wenn es nach Gollasch geht, umbenannt werden. Die CDU ist dagegen. Die SPD, eigentlich auch für Umbenennung, hätte es aber in der letzten Legislatur aufgrund einer Zählgemeinschaft (Koalitionen in den Bezirksparlamenten in Berlin) mit der CDU nicht umgesetzt. So berichtet es der Grüne.

Mit Gollasch diskutieren die gegenwärtige SPD-Abgeordnete für den Wedding Bruni Wildenhein-Lauterbach sowie die Kandidaten von CDU, LINKE, FDP, Piraten und Vertreter der Initiative, die auch gegen eine Umbenennung ist. Die Diskussion ist sehr emotional und unbequem. Die Fronten scheinen verhärtet. Daniel Gollasch muss mehrmals aufgeheizte Zwischenrufe gegen sich einstecken: „Es geht immer knapp vorbei an der Wahrheit bei Herrn Gollasch“ oder „Herr Gollasch will den Leuten vorschreiben, wie sie leben sollen.“ Gollasch lächelt es weg. Die Fragen beantwortet er sichtlich routiniert, obgleich sein Blick doch öfters Richtung Publikum geht, als wolle er unsicher die Reaktionen auf ihn überprüfen. Er greift die politischen Gegner in der Auseinandersetzung direkt und namentlich an. Und erhält das entsprechende Feedback. Generell fällt auf, dass er der einzige Angriffspunkt in der Diskussion ist. Er hatte damit gerechnet.

Der Wedding hat sich geändert

Die letzte Station ist das Sommerfest des Grünen Kreisverbandes Berlin-Mitte, wo der Wedding dazugehört. Gollasch scheint bekannt im Kiez zu sein. Auf dem Weg begegnet ihm beispielsweise eine Gruppe junger Männer. Einer ruft ihm laut zu: „Daniel, alter Mann.“ Er ruft zurück: „Kiff nicht mehr so viel!“

Im Büro der Grünen wird bei Wein und Bier das Duell der Spitzenkandidaten geschaut. Ramona Pop kommt gerade zu Wort. Sie ist grüne Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus. Sie tritt mit Gollasch für Mitte an. Die Stimmung im Büro ist gut. Der AfD-Spitzenmann Georg Pazderski sorgt bei den Grünen für Lacher. Der Regierende Müller wird auch nicht nett kommentiert. Pop bekommt Beifall.

Daniel Gollasch, 33, ist geborener Leipziger. Er kam nach Berlin, um hier für eine Grüne Bundestagsabgeordnete zu arbeiten und ist so zur Partei gekommen. Aktuell versuchte er es mit einem Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Dort erlebe er vieles. Von offenem Rassismus über freundliche Begegnungen. Er fordert für den Wedding, aber auch für ganz Berlin, die Sanierung der Schulen. Kinder würden nichts mehr trinken, damit sie nicht auf die stinkenden Klos müssten. Weiterhin will er mehr Investitionen in den Bezirken und in der Verwaltung. Das Leben im Wedding „macht weniger Spaß als noch vor ein paar Jahren, da man merkt, das zu sehr auf die Ausgabenbremse gesetzt wurde.“

Er steht auf der Grünen-Landesliste auf Platz 30. „Das könnte knapp klappen oder ich rücke später nach.“ Der Wedding hätte sich geändert. Viele würden nicht mehr CDU oder SPD wählen wollen. „Ich habe Angst, dass viele zur AfD wechseln.“ Aber er hofft, der SPD-Abgeordneten das Mandat abzujagen. Das hat er bereits vor fünf Jahren probiert und ist gescheitert. „19 Prozent im roten Wedding waren ein Achtungserfolg und ein Ansporn, um weiter zu machen.“  Diesmal soll es anders werden.


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Alle Portraits finden sich hier: fragerei by dorfgeschrei

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Sebastian Schmidtsdorf

Sebastian Schmidtsdorf

Head of PR bei Civey
Bei wahl.de seit 2013. Mitherausgeber wahl.de-Buch #BTW13 Themen, Tools und Wahlkampf. Leiter Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit bei Civey. Leidenschaftliche "fragerei by dorfgeschrei".
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