Früher war ein Zeitungsabo noch ein Statement, politisch, persönlich. Analog dazu dient heute höchstens das digitale Like-Verhalten – oder vielleicht der Homescreen. Aber die politisch-gesellschaftlichen Verwerfungen Veränderungen der letzten Zeit scheinen Zeitungsabos wieder zu repolitisieren.
Kampfpresse vs Kampf für Presse
Dabei geht es nicht primär um die Qualität einer einzelnen Publikation, sondern um ein Gefühl. Das Gefühl, dass die Zeitung in mein Abbild der Realität passt, es bestätigt – oder zu bestätigen versucht.
Aktuell entlädt sich hier viel an den Schlagzeilen über den Trump des Tages, besser: den Subtext der Darstellung. Insbesondere in den letzten Tagen überkreuzen sich hier unvereinbare Weltbilder: die Rolle Russlands in der Welt, und eben das Gebaren des neuen US-Präsidenten.
Kampf gegen Fake News
Einig ist man sich auf allen Seiten, dass man gegen Fake News vorgehen muss. In den USA sind hier auf der einen Seite die als Mainstream betitelte Medienwelt und Facebook ein Akteur, auf der anderen Seite stehen die Anschuldigungen der Alt-Right Bewegung (primär via Breitbart, aber auch unterstützt von Russia Today). Neben lautpräsidial vorgetragenen Beschuldigungen („You are Fake News“), gestreuten Zweifeln an der Neutralität von Fact-Checkern (z.B. correctiv) und dem Produzieren eigener Wahrheiten wird hier aufgefordert, wirtschaftlich gegen die „Fake Media“ vorzugehen.
Während Kampagnen wie #grabyourwallet dazu aufrufen, Trump-Produkte zu boykottieren oder andere darum kämpfen, dass Konzerne nicht mehr auf rechten Seiten werben, bleibt dem Einzelnen im Umgang mit den Medien nur das abschalten, wegklicken – oder Abo kündigen.
Machtlos gegen die Kampfmedien? Abo kündigen. Ein NachDenkSeiten-Leser hat das heute getan. Nachmachen. – Und … https://t.co/D83wR9HKsf
— NachDenkSeiten (@NachDenkSeiten) 6. März 2017
Ob das nun ein schmerzhafter Stoß gegen die „etablierten Medien“ ist sei mal dahingestellt. Der neue Kampf mit den Abo-Abteilungen sieht sich aber einem mächtigem Gegner gegenüber: dem Abo aus Überzeugung, abgeschlossen mit einem einfachen Ziel:
Und offensichtlich schafft Trump ungewollt das, was Verlegerverbände und Leistungsschutzrechtler nicht hinbekommen haben: die Abo-Umsätze steigen. Deutlich.
Dean Baquet von der New York Times fasst das so zusammen:
Trump is the best thing to happen to the Times‘ subscription strategy. Every time he tweets it drives subscriptions wildly.
Im Rückblick sieht alles aus wie Strategie, das Gefühl kennen Verschwörungstheoretiker besonders gut. Nach Jahren der Diskussion zwischen Lügenpresse und Qualitätsjournalismus, Social News und Kostenloskultur haben sich Medien um ihr Dasein sorgen müssen. Nun, wo sie offensiv angegriffen werden, schaffen es einige Publikationen, Leser auch wieder zu zahlenden Abonnenten zu machen.
Womöglich ist das auch ein Zeichen, dass „man“ nicht mehr sondern bessere Information braucht, was sicherlich diversen Mediennutzungstrends entgegenlief. Der Musiker Smudo hat in einem Gespräch mit dem Inforadio
„[E]s fällt mir total schwer, das über die Lippen zu bringen, aber ich stimme dem Gedanken zu, dass man [eine intelligente Rechte]braucht, um zu debattieren […] Argumente abzuwägen und sie auch auf einen Wahrheitsgehalt […] und auf eine Konsequenz zu überprüfen, um dann gemeinsam in einer Demokratie Entscheidungen zu fällen.“
Vielleicht können auch die Gegner der Kampfpresse nicht nur kündigen sondern konstruktiv „ihren“ Champion unterstützen, so dass sich die von Smudo beschriebene Hoffnung auf Versachlichung wieder einstellen kann.
Oder es muss doch eine Impfung gegen Fake News her …
Klas Roggenkamp
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