Früher, als Zigaretten noch gesund waren und die Welt einfacher, da stand alles wichtige in der Zeitung. Die konnte man zum Frühstück gemütlich ausklappen, lesen und danach wusste man, wie es um die Nation bestellt ist. Dass der Nachrichtenkonsum im Wandel der Zeit komplizierter, vielschichtiger geworden ist, das ist klar. Internet, Social Media, Algorithmen, das ist der Dunstkreis, in dem er sich bewegt. Wie aber genau die Speerspitze von heute und morgen, die Generation Y, ihre Informationen bezieht, das erforschen zur Zeit eine Menge Menschen.

Nachdem eine Studie des Hans-Bredow-Instituts letzten Sommer herausgefunden hatte, dass diejenigen mit einem überdurchschnittlich starken Interesse an Nachrichten weniger geworden sind, nahmen das einige Redaktionen zum Anlass, eine generelle Abkehr der Millennials von den Nachrichten zu postulieren. Aber ist dem wirklich so? Daten des Media Insight Projects, einer Initiative des American Press Institute und der Associated Press, legen etwas anderes nahe.

Der 2016 erschienene Bericht „How Millennials Get News: Inside the habits of America’s first digital generation“ untersucht, wie Amerikaner zwischen 18 und 35 Jahren an Nachrichten kommen – und was sie mit ihnen machen. So halten es 85 Prozent der Befragten Männer und Frauen für ziemlich wichtig, informiert zu bleiben. 69 Prozent erkundigen sich mindestens einmal am Tag. Und knapp die Hälfte (45%) gab an, fünf oder mehr „hard news“ Themen zu verfolgen. Als hard news werden im angelsächsischen Sprachgebrauch solche Nachrichten bezeichnet, die sich um wichtige politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Aspekte drehen.

Soziale Nachrichtennetzwerke

Wo aber akquirieren diese Millennials ihre Nachrichten? Eine gerade veröffentlichte Studie der Pew/Knight Foundation belegt die Vermutung: 47 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gaben dort an, Nachrichten überwiegend über Social Media zu beziehen. Auffällig ist dabei der inhaltliche Fokus Nur 47 Prozent konnten, nachdem sie einen Artikel geklickt hatten, den Namen der Quelle wiedergeben. Die anderen nannten das soziale Medium, über das sie auf den Artikel gelangt waren, als Ursprung.

Dass die Jahrtausendwendler auf diese Art, vor allem über Facebook, ihre Updates beziehen, ist weniger spannend als der Kontext drumherum. So gab beim Media Insight Project nur knapp die Hälfte der Facebook-Nutzer an, der Konsum von Nachrichten sei eine Hauptmotivation bei der Benutzung des Netzwerkes. Das steht im Kontrast zu den 88 Prozent der Millennials, die sich regelmäßig über Facebook auf dem Laufenden halten. Sobald sie also eingeloggt sind, nimmt der Nachrichtenkonsum einen großen Raum ein.

Wie sie Facebook als Nachrichtendienst nutzt, erklärte den Forschern eine Probandin. Sie gab an, sich über das Tagesgeschehen zu informieren, indem sie in ihrem News Feed scrollt. Sobald sie auf ein Thema stößt, dass sie tiefergehend interessiert, wechselt sie zu „glaubhaften Nachrichtenseiten“, um weitere Informationen einzuholen. Nach dieser Art hat Facebook also zweierlei Funktionen inne: Einmal als schneller Vermittler der Tagespolitik. Zum anderen auch als Erstanlaufstelle für Themen aller Art.

Neben Facebook werden übrigens auch YouTube (83%) und Instagram (50%) als Nachrichtenportale genutzt.

Mit dem Smartphone up-to-date

Der Hauptunterschied zu den Babyboomern oder der Generation X ist die zeitliche Komponente des Konsums. In der klassischen Herangehensweise werden der Akquise von Nachrichten verschiedene, für sie reservierte Zeitfenster eingeräumt; die Zeitung beim Frühstück, Radio im Auto, Abends dann Tagesschau. Zwischendrin wird selten konsumiert. Millennials hingegen tendieren dazu, Nachrichten in ihren Alltag zu integrieren. Die Beobachtung passt auch mit einer Feststellung der Reuters Institute Digital News Survey zusammen, die erkannt hatte, dass für die 18- bis 34-Jährigen das Smartphone das am weitesten verbreitete Gerät zur Nutzung von Online-Nachrichten ist. Über Push-Nachrichten erfahren sie Updates in Echtzeit, in der U-Bahn, beim Essen, im Badezimmer.

Wenn sich nur knapp die Hälfte aller Millennials an die Quelle der Links erinnert, auf die sie zuvor geklickt haben, dann kann das auch einen ganz bestimmten Grund haben: Die hohe Fluktuation der Inhalte, mit denen man im Alltagsprozess konfrontiert wird. Interessanter ist jedoch der Vorteil, den diese Art gegenüber der herkömmlichen Rezeption aufweist: 86 Prozent der Befragten gaben an, durch soziale Medien in den Kontakt mit unterschiedlichen Meinungen zu geraten. Im Gegensatz zur meist recht einseitigen Einstellung einer Zeitung oder TV-Sendung ergibt sich z.B. auf Facebook durch die Koexistenz mehrerer Anbieter und der Empfehlungen von Freunden ein vielseitigerer Blickwinkel.

Nachrichten als Dialog

Den Nachrichtenkonsum als flüssiges wiederkehrendes Alltagselement zu gestalten, zieht im Verbund mit der Wahlplattform (Social Media) einen gänzlich anderen Umgang mit den Inhalten nach sich. Der klassisch einseitige Kommunikationsweg wird durch die Möglichkeit der Partizipation zum Dialog umgemünzt. Millennials rezipieren nicht nur die Nachrichten, sie rekontextualisieren sie im Verbund eines Netzwerks. Ein Blick in die Studie der Pew/Knight Foundation zeigt: Die Nachrichten, die Nutzer von Freunden weitergeleitet bekommen haben, hinterlassen einen besonders tiefen Eindruck. 73 Prozent dieser Anregungen zogen einen aktiven Umgang der Nutzer mit der Nachricht nach sich: Sie teilten ihn, suchten nach mehr Informationen oder diskutierten darüber offline mit einer anderen Person.

Die Art, wie wir Dinge tun, ist gerade einem rasenden Wandel unterworfen. Das bleibt auch für den Nachrichtenkonsum von Bedeutung. Auch die klassischen sozialen Medien werden ihrem Nutzen als Distributeure von Nachrichten nicht mehr nachkommen können. Vielleicht passiert das sogar früher als gedacht. In den Tiefeninterviews konnten die Forscher des Media Insight Projects bei vielen Millennials eine wachsende Unzufriedenheit mit Facebook erkennen. Viele sahen das Netzwerk als nützliches Tool, dessen Gebrauch in Ermangelung einer Alternative stattfindet.

Diese Signale sollten den Think Tanks der Branche nicht verborgen bleiben. Vielleicht sind sie die Chance, eine Plattform für Nachrichten zu kreieren, die unter den Zeichen der Zeit funktioniert. Und die Schwächen von Facebook ausmerzt. Den Millennials käme das nur zugute. Denn zurück zur Zeitung gehen sie sicherlich nicht mehr.

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Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
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