Nächsten Monat findet in Niedersachsen die Landtagswahl statt und da sich gefühlt alle Parteien bereits im Bundestagswahlkampf befinden, wird die Niedersachsenwahl bereits als wichtiger Stimmungstest für 2013 empfunden.

Zeit, dass wir uns einmal die Kampagnen der aussichtsreichsten Parteien anschauen. Wir starten mit der Piratenpartei, die in der Vergangenheit eine Menge positives Medieninteresse erringen konnte, aber in der jüngsten Zeit nur allzu oft mit den Tücken des politischen Lebens zu kämpfen hatte.

Der Niedersächsische Landesverband der Piratenpartei besteht seit 2007. Bereits bei den Niedersächsischen Kommunalwahlen konnten sie einige Erfolge erzielen. Nun wollen sie im Januar 2013 in den Landtag einziehen und somit nach Berlin, dem Saarland, Schleswig-Holstein und NRW, das fünfte Landesparlament entern.

Vor zwei Wochen haben die Niedersächsischen Piraten ihre Kampagne “Ideenkopierer – Das ist eine gute Idee” veröffentlicht.

Die Grundbotschaft hinter der Kampagne beinhaltet einen durchaus interessanten Ansatz. In Zeiten, in denen Megakonzerne wie Apple andere Technologieunternehmen mit Patentklagen überhäufen, sich Ideen wie abgerundete Ecken oder Seitenumblätter-Animationen schützen lassen und so neue Innovationen und Weiterentwicklungen hemmen, fragen die Piraten zurecht: muss man das Rad jedes Mal neu erfinden? Wieso kann man nicht einfach vorhandene Ideen aufgreifen und weiterentwickeln. Nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Politik, womöglich sogar in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen?

Ideenkopierer

So weit sicherlich “eine gute Idee”. Aber wie sieht es mit der Umsetzung aus? Als Basis dient die Kampagnenseite ideenkopierer.de. Die Seite wirkt übersichtlich und klar strukturiert. Es gibt keine überflüssigen Inhalte, die den aufgeräumten Gesamteindruck schmälern würden. Dort findet der interessierte Wähler das Wahlprogramm, die 30 Listenkandidaten, einen Link zum Kampagnenvideo, die Wahlplakate und einen kurzen Überblick der Idee hinter der Kampagne. Getreu dem Motto “Vertrau keinem Plakat, informier Dich”, wollen die Piraten “zum Nachdenken anregen”, in dem sie “mit Erwartungshaltungen spielen”. Ein zentraler Gedanke der Aktion scheint die Devise zu sein: “Wahlwerbung vermittelt keinen Inhalt.” Um diese Botschaft zu verdeutlichen, wurden Plakate entworfen, die sich in puncto Design und Slogan an bekannte Marken anlehnen, dabei aber lediglich leere Phrasen enthalten. So finden sich denn Designs im lila-Stil von Milka, mit dem Spruch “Piraten, die zarteste Versuchung, seit es Parteien gibt” oder ein am Saturn-Slogan orientiertes “Wählen ist geil!”. 

 

Wenn es dabei lediglich um Medienaufmerksamkeit geht, rein nach der Devise es gibt keine schlechte Publicity, ist die Aktion bereits geglückt. Die politische Kommunikation spielt aber nach anderen Regeln. Bereits seit ihren ersten Schritten in der Öffentlichkeit haftet den Piraten ein Image der Inhaltsleere, der ewigen Einthemenpartei an. Schaut man sich die Wahl- und Grundsatzprogramme etwas genauer an, lässt sich schnell erkennen, dass dieser Vorwurf eigentlich längst durch eine breite thematische Aufstellung entkräftet werden kann.

Gute Ideen setzen sich durch

Mit ihrer Kampagne wollen die Piraten nun gegen jenes Image der Themen- und Ideenlosigkeit ankämpfen und die potenziellen Wähler auf ihr Wahlprogramm aufmerksam machen – eigentlich eine gute Idee. Nur leider lässt sich befürchten, dass der Weg, den sie dazu gewählt haben, einen gegenteiligen Effekt haben wird, dessen Folgen sich auch auf die Bundestagswahl niederschlagen könnten.

Man muss sich fragen, was wohl in den Köpfen der Bürger hängen bleiben wird, wenn eine Partei, die das Stigma der Inhaltsleere trägt, mit inhaltslosen Worthülsen wirbt?

Ein kluger Mann, der selber einige gute Ideen hatte, die sich durchsetzen konnten, hat einmal gesagt: „Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.“ Damit dürfte Herr Einstein nicht ganz falsch gelegen haben. Es ist eben leichter, Vorurteile zu bestätigen, als sich ein neues Bild zu machen und dafür seitenlange Wahlprogramme zu wälzen. Da ist so eine Plakatkampagne doch ein gefundenes Fressen.

Hätten die Piraten gleich den ersten Punkt ihrer Kampagne, “gute Ideen setzen sich durch”, etwas mehr beherzigt, dann würde die Umsetzung sicherlich ein wenig anders aussehen. Denn vor vielen, vielen Jahren muss ein kluger Kopf einmal auf den Gedanken gekommen sein, dass Wahlwerbung in Form von Plakaten eine gute Idee ist. Seit dem haben über Jahrzehnte hinweg Wahlkampfmanager, Medienwissenschaftler und Psychologen in der ganzen Welt diese Idee aufgegriffen, analysiert und verbessert. Immer noch geben Parteien aus aller Welt einen guten Teil ihres Wahlkampfbudgets für Wahlplakate aus – gute Ideen setzen sich halt durch.

Ein besonders gutes Beispiel hierfür kann die Piratenpartei in ihren eigenen Reihen finden: für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus haben die Berliner Piraten die Bundeshauptstadt mit 12000! Plakaten gepflastert. Mit knalligen Farben wurden die Gesichter der Kandidaten und Kernthemen ihres Berliner Wahlkampfes beworben. Dazwischen erfrischende Sprüche wie “warum häng ich hier eigentlich, Ihr geht ja eh nicht wählen”. Geschadet hat diese Aktion sicherlich nicht, immerhin konnten die Piraten anschließend ihren ersten Einzug in ein Landesparlament feiern – und das mit knapp 9% der Wählerstimmen – gute Ideen setzen sich eben durch.

Den Wähler motivieren

Es wäre sicherlich sinnvoller gewesen, einige Positionen und Kernthemen so auf Wahlplakaten zu positionieren, dass die Neugierde potenzieller Wähler geweckt wird und sie dadurch Lust darauf bekommen, mehr über die jeweiligen Programmpunkte zu erfahren. Parteien sollten bestrebt sein, die Hürde der Informationskosten niedrig zu halten. Kaum ein Bürger liest alle Wahlprogramme, der ideale Wähler bleibt in der Regel Wunschdenken. Was bleibt, ist der rational ignorante Wähler, der seine Informationskosten gegen seinen persönlichen Nutzen abwägt. Ihm muss man zeigen, dass genügend thematische Schnittmengen existieren, um die Partei als wählbare Alternative für sich zu entdecken. Nur dann wird er auch bereit sein, sich eingehender mit dem Wahlprogramm zu befassen. Ein “wählen, was verbindet” oder “ich wähle es” wird sicherlich nicht unbedingt dazu beitragen, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass die Piraten in Niedersachsen unter anderem für eine Gesamtschule als Regelschulform, 13 Schuljahre bis zum Abitur, Lehrmittelfreiheit, flächendeckende Geburtshilfe, Niedersachsen als gentechnikfreie Region, ein Verbot von Fracking, die Beendigung der Pflichtmitgliedschaft in Kammern, die Unterstützung des VW-Gesetzes oder die Förderung von Blockheizkraftwerken einstehen.

Endlich normale Menschen

Bleibt zum Schluss noch ein kurzer Blick auf den Wahlwerbespot. Der Spot ist qualitativ hochwertig produziert und braucht sich nicht vor denen der großen Parteien zu verstecken. Im Gegenteil sogar. Schaut man sich die weiteren Filme zur niedersächsischen Landtagswahl an, sticht das Piratenprodukt besonders positiv hervor. Er zeigt die Gesichter der Spitzenkandidaten und stützt sich mehr darauf, die politische Ideologie der Piraten zu vermitteln, als zu viele konkrete Themen anzusprechen. Stellenweise wirkt der Spot zwar überzeichnet und driftet ins “Kitschige” ab, dies kann aber vor dem Kampagnenhintergund vermutlich als Persiflage der gängigen Wahlwerbung gewertet werden. Auffällig sind allerdings die vielen Appleprodukte. Die unter Agenturleuten beliebten Produkte mit dem Apfellogo sind nun mal für ihre nicht besonders “piratige”, restriktive Markenpolitik bekannt. Dass dieser Aspekt bei der Produktion nicht berücksichtigt wurde, ist schade, wird dadurch doch der Gesamteindruck des Videos unnötig gestört.

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Ekko Snakker

Ekko Snakker

Ekko Snakker hat in Osnabrück Social-Sciences und anschließend Politikwissenschaft an der Universität Bremen studiert. Seit 2011 arbeitet er in der Redaktion von compuccino.
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