Zur vermeintlich frühesten Wahlparty überhaupt hat Google geladen, um dann anzukündigen, welche Gimmicks und Goodies sich der Tech-Konzern zur Bundestagswahl ausgedacht hat.
Präsentiert wurden zahlreiche Ideen, die erfahrenere Begleiter des digitalen Wahlkampfes klingen lassen wie
„Opa erzählt vom Krieg“. Vieles kommt einem nichtmehr-Erstwähler einfach erstaunlich bekannt vor – was wohlwollend eine Hommage an die Pioniere der Online-Politik ist.

1. Infobox für Wahlkreiskandidaten

Da viele Wahlinteressierte sich trotz Plakaten über eine Online-Suche informieren, wen sie a) wählen können (denn auch dieses Jahr wird das Kanzler-Amt nicht direkt gewählt) und b) wählen sollen natürlich eine gute Ergänzung.
Ein Angebot, das sicherlich weniger kritisch nachfragt als abgeordnetenwatch, und weniger inhaltlich vergleicht als wen-wählen. Technisch ist das Ganze zumindest ähnlich Handarbeit – ein Wahlkämpfer berichtete, dass jeder Kandidat einzeln per Formular seine Infobox befüllen muss. Zentrale Zulieferungen von Parteien (mit mindestens den Eckdaten) seien technisch nicht realisierbar.
Im Tausch erhält ein Kandidat aber Zugriff auf die Reichweite der Suchmaschine, dafür kann man sich dann doch den ein oder anderen Wahlprüfstein sparen. Den Infostand eher noch nicht.

2. Schönere Trends

„Trend Hubs“, also Sammelseiten zu einem Oberthema, gibt es schon eine Weile, nicht mal in hässlich. Auf seinen Datenschatz hat das deutsche Google-Team nun noch einiges an Glitzerpixeln gestreut, um den Puls der Zeit entlang des Sichschlitzes noch besser fühlbar zu machen. Nun eben aus zur Wahl. Zudem versteckt sich hinter 2Q17 nicht nur eine schlaue URL, die gefühlt auch schlauer macht, sondern eine umfangreiche Visualisierung von Suchbegriffen in Wahlkontexten. Den Datenjournalisten nimmt es ein Stück Spielwiese, gibt aber den Politik-Nerds neue Smalltalk-Munition. Die in hoher Dichte anwesenden CDU-Campaigner machten zumindest begeistert Fotos von Charts mit 50%-Merkel, bevor sie das hohe Suchinteresse am AfD-Wahlprogramm beseufzten.

3. Endlich: Informationsangebote für Wähler!

Soweit so out of the box. Aber dank der Google Wahlsalons wurde die Community engaged (gut!), darf sich nun auch der Bürger über Informationen zur Wahl freuen. Bekanntere Akteure wie die OKFN oder hochmotivierte Startups durften zeigen erzählen, wie sie den Wahlkampf disrupten: Apps, die bei der Wahlentscheidung helfen. Services, die den Weg zur Wahlkabine weisen. Fragen an Politiker stellen, die dann gevotet werden. Mit idealismusgeschwellter Brust wurde Wahl-O-Mat, wheelmap oder das ganze Kampagnen-Repertoire von politik-digital zur Innovation erklärt. Vielleicht aber auch nur verbunden mit der Hoffnung: diesmal klappt es aber, diesmal erreicht es jemanden außerhalb der Politikblase.
Und ja, mit der Reichweite von Google kann das was werden – warum man obendrein das Rad neu erfinden muss … kann ich im google-facilitated Serviceangebot sicher bald als Frage einreichen.

4. Youtube

Oder im Youtube-Space in HD in einem nachgebildeten Bundestags-Sessel direkt fragen. Denn Youtube wird nicht nur die TV-Duelle für das ZDF streamen, es bietet Youtubern („ab einer gewissen Reichweite“) auch eine Kulisse für eigen Wahlberichterstattung.
Da ist er endlich, der Anflug von Innovation. Dass man sich vom bevorstehenden „Youtube-Interview mit der Kanzlerin“ gleich etwas distanziert (Produktion Studio71, für funk) fällt nicht unbedingt auf.
Denn hier, wie bei den anderen Attraktionen zur Wahl, geht es natürlich um die Plattform, nicht den Inhalt. Die Plattform bietet Google an, gegen Reichweite – und vielleicht auch in der Hoffnung, etwas zu bewirken. Wenn schon nicht eine höhere Wahlbeteiligung, dann doch wenigstens ein paar Sympathiepunkte.

Da ist dann auch Ok, wenn sie innovativen 360-Grad Formate im Gemurmel untergehen, im Anschluss an den selbstkritischen Impulsvortrag des ZEIT Online-Chefredakteurs. Das wäre mal einen Hangout wert gewesen.

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Klas Roggenkamp

Klas Roggenkamp

… macht wahl.de seit 2005, seit 2016 für appstretto. Verbindet Digital & Politik zu erfahrbaren Angeboten – technisch, inhaltlich, optisch. Wahlkampferprobt und agenturerfahren.
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