Ständig wiederkehrende Mails gleichen Inhalts rauben mir an manchen Tagen den letzten Nerv. Ich denke dann, dass ich vielleicht in einer Privat-Fernsehsender-Zeitschleife gefangen bin. Nicht nur, dass alles ständig wiederholt wird; vielleicht ist das alles auch nur eine große Simulation und mein Büroalltag wird – wie in einem Film aus den 1990ern – in die ganze Welt übertragen. Um zu sehen, wie ich auf Massenmails reagiere und den Bildschirm anschreie (reichlich obszön manchmal, aber nur bei geschlossener Tür), oder wie ich die 37. Hochglanzbroschüre der Lack-Industrie und die Papier-Newsletter vom BUND und dem Wellpappe-Bundesverband in den Papierkorb feuere. Manchmal denke ich, ich sollte Lehrvideos bei Youtube einstellen, damit alle sehen, was mit ihren unverlangt eingesandten Broschüren geschieht, wenn sie nichts mit unserem Themen- und Tätigkeitsbereich zu tun haben und auch nicht aus dem Wahlkreis kommen. Ich schweife ab …

Musterbriefaktion

Bei Massenmails, die auf eine Musterbriefaktion einer NGO/NRO (Nichtregierungsorganisation aka Zivilgesellschaft) zurückgehen und bei denen man, ich sagte es schon, nur die eigene Postleitzahl einzugeben braucht, verwende ich viel Zeit darauf, die Initiatoren ausfindig zu machen und in meinem Antwortentwurf darauf hinzuweisen, dass ich weiß, dass das ein kopierter Text ist. Weiter schreibe ich dann, dass auch ich einen vorgefertigten Text verwende, der vielleicht nicht alle Fragen beantwortet. Und ich gehe dann auch extra auf einige der angesprochenen Themen nicht ein. Eine hohe innere Befriedigung ziehe ich dann aus empörten Antworten, wie es denn angehen könne, dass die Abgeordnete seinen (<- wichtiger Bürger, niedrige Sozialkompetenz, große Sachkenntnis; weiß, dass irgendjemand Subalternes seinen Brief ohnehin nicht versteht) Brief nicht individuell beantworte und seine Frau (<- gleicher Anklick-Brief) sogar den wortgleichen Brief bekommen habe. Auf solche Briefe reagiere ich meistens nicht, denn immerhin ist über dem Newsletter des Wellpappe-Bundesverbandes noch Platz im Papierkorb. Meistens lächele ich dann.

Es gibt auch liebe, interessante oder beantwortenswerte Briefe – mehr dazu nächste Woche.


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Kim

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Mitarbeiter bei Bundestagsabgeordneter
Kim ist seit mehr als einem Jahrzehnt Mitarbeiter_in einer Abgeordneten im Bundestag. Auf wahl.de berichtet Kim als Kolumnist_in aus dem politischen Alltag auf 16qm. Stets "Unter drei".
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