200 Mails laufen allein in unserem Büro pro Tag auf. Von der Werbung eines Büromittelverkäufers, der mitbekommen hat, dass sich der Bundestag von seinem alten Lieferanten getrennt hat, bis zum Autogrammsammler. Geographisch kommen diese Mails aus ganz Deutschland und thematisch handeln sie vom Atomausstieg und Hühnermastanlagen bis zur Zulassung zum Studium für syrische Flüchtlinge, die leider keine weiteren Papiere bei sich haben.

GENAU!!!

Die Zahl der täglichen Mails steigt sprunghaft an, wenn der informationshungrige Bürger auf eine Seite gerät, die sein Problem in knackigen Worten und vielen Zwischenüberschriften so zusammenfasst, dass er denkt: „GENAU!!!!!!!“ (die vielen Ausrufezeichen dienen ihm dabei zur Verstärkung der vorgebrachten Argumente und die Versalien regulieren die Lautstärke).

Meist handelt es sich dabei um Kampagnenplattformen, die – weil sie irgendwo sitzen – natürlich nicht den regionalen Einzelfall berücksichtigen (können), sondern sich einem bundespolitischen und damit aktuell gesetzgeberischen Problem auch genau so nähern: Überregional und verallgemeinernd. Das macht es dann auch gleich viel einfacher, sich aufzuregen. Bei Fracking (mit seinen zahllosen regionalen Besonderheiten) gilt das ebenso wie bei der Situation der Hebammen oder das Atomkraftwerk „Hinkley Point C“ in England.

Nun müssen nur noch die eigene Postleitzahl, Name und eventuell die Mailadresse in den vorgefertigten Musterbrief eingefügt werden und er findet seinen Weg in das Büro der örtlich und/oder fachlichen oder einfach überhaupt gar nicht zuständigen Bundestagsabgeordneten. Also zu mir. Denn, und ich will euch nicht desillusionieren, keine Mail kommt von mir unbesehen zur Abgeordneten durch. „You shall not pass!“, um es mal mit Gandalfs Worten zu sagen. Massenmails schon gar nicht. Denn wir reden hier bei „heißen“ Themen schon mal von 400 Mails pro Tag. Manchmal wochenlang. In denen immer das Gleiche steht. Ohne einen Funken Individualität. Oft ohne Anrede. Ich bin es leid.

Wie wir trotzdem damit umgehen – nächste Woche.


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Kim

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Mitarbeiter bei Bundestagsabgeordneter
Kim ist seit mehr als einem Jahrzehnt Mitarbeiter_in einer Abgeordneten im Bundestag. Auf wahl.de berichtet Kim als Kolumnist_in aus dem politischen Alltag auf 16qm. Stets "Unter drei".
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