„Das kann man doch nicht bringen“, sagte meine Chefin, als sie am Montag zur Tür hereinkommt.

Das denke ich auch, denn immerhin ist keine Sitzungswoche. Kein Abgeordneter kommt in solchen Wochen freiwillig ins Berliner Büro. Es sei denn, sie/er hat einen Wahlkreis in Berlin oder im Brandenburger Speckgürtel. Dann kommen sie rein, um mal in Ruhe die Zeitung zu lesen oder um einfach auch nicht zu Hause sein zu müssen. Oder aber, wenn sie von weiter weg kommen, weil sie einen Termin mit irgendwem in Berlin haben. Ansonsten ist das Auftauchen von Chefinnen und Chefs in Nicht-Sitzungswochen immer ein Moment, in dem leichte Panik aufflammt.

Dann fällt es mir ein: Familienwochenende in Berlin. Wird auch manchmal gemacht.

„Der Oettinger!“

„Ja“, sage ich.

‚Doch‘, denke ich, ,das kann der bringen‘. Denn schließlich ist es nicht das erste Mal, dass er solche Sprüche bringt. Irgendjemand hat mir vor ein paar Jahren schon mal erzählt, dass er in Baden-Württemberg vor der chinesischen Bedrohung gewarnt hat.

Und außerdem darf man nicht vergessen, in welchem Umfeld das Ganze stattgefunden hat. Der hat in Hamburg vor seinen komischen Wirtschaftsbuddys gestanden und gedacht, er hält mal eine launige Rede. Und nach den ersten paar zögerlichen Lachern ist er immer selbstsicherer geworden.

Da gehen dann einem Mann auch leicht mal die Pferde durch. Hier noch ein Joke („mehr Gremien als Einwohner“, haha, EU, alles Eierköpfe da in Brüssel), da noch ein kleines homophobes Witzchen („Bald … noch die Pflicht-Homoehe“), ein bisschen auf Seehofer, Nahles und den Rentnern rumhacken, so ist der rassistische Einstieg mit der Schuhcreme ja noch vergleichsweise zögerlich aufgenommen worden. Wahrscheinlich weil viele aus dem Publikum Geschäfte mit China machen und ihnen die demokratische Verfasstheit dieses Landes ziemlich scheißegal ist. Mir kann hier nichts passieren, hat der Oettinger gedacht. Und dann holt einer sein Handy raus und filmt den ganzen Mist. Kann heutzutage immer passieren. Insofern…

„Kann man nicht bringen“, sage ich.


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Kim

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Mitarbeiter bei Bundestagsabgeordneter
Kim ist seit mehr als einem Jahrzehnt Mitarbeiter_in einer Abgeordneten im Bundestag. Auf wahl.de berichtet Kim als Kolumnist_in aus dem politischen Alltag auf 16qm. Stets "Unter drei".
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