Die Parteien schärfen ihr programmatisches Profil, zahlreiche Entwürfe kursieren im politischen Berlin. Auch wenn Wahlprogramme nur was für Feinschmecker sind, für Unternehmen und Interessenvertreter steht die Frage im Vordergrund: Wie positionieren sich SPD und Union mit Blick auf Wirtschaftspolitik?
Hektische Wirtschaftsprofilierung der SPD
„Pleiten, Pech und Schulz“, die Berichterstattung der letzten Tage hat gezeigt, dass insbesondere die SPD unter massivem Druck steht. Nach drei verlorenen Landtagswahlen dämmert der SPD die alte Schmidt/Schröder-Weisheit: „ohne ökonomische Kompetenz kann man in Deutschland keine Wahlen gewinnen“. In fast schon hektischer Art und Weise versucht sich die SPD nun in einer wirtschaftspolitischen Profilierung.
Die Sozialdemokraten haben am 15. Mai ihren „Entwurf des Leitantrags der Programmkommission für das Regierungsprogramm 2017“ veröffentlicht, der am 25.06.2017 auf dem SPD-Parteitag in Dortmund verabschiedet werden soll.
Die SPD und Martin Schulz haben darin bislang nicht viel Neues zu bieten. Mehr staatliche Innovationen, Digitalisierungs-Offensive, Bürokratieabbau und die Stärkung des Mittelstands. Die Stichworte sind zu wenig für eine Partei, die seit 1998 fast durchgehend den Bundeswirtschaftsminister stellt.
Diplomatisch ausgedrückt ist die Wirtschaft „not amused“ über die angekündigten Agenda 2010 Korrekturen, die Stärkung der Arbeitnehmerrechte und die nebenbei angekündigte Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge, die die Unternehmen mit 5 Milliarden Euro zusätzlich belasten würden.
Irrlichterndes SPD-Impulspapier „Innovationsmotor Mittelstand“
In den Leitantrag maßgeblich eingeflossen ist das knapp vierseitige Impulspapier „Innovationsmotor Mittelstand“ von Hubertus Heil, zuständig im Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion für Wirtschaft und Energie. Heil schlägt ein Neun-Punkte-Programm vor. Die Senkung der Stromsteuer ist angenehm konkret. Und Punkt Nummer eins ist „Fachkräfte sichern“. Auch gut. In dem Papier wird überdies eine verpflichtende Berufsorientierung für alle Siebtklässler gefordert. Man ahnt schon, der große Wurf sieht anders aus.
Im SPD-Entwurf des Regierungsprogramms findet sich Heils Forderung wieder, einen „Mittelstands- und Innovationschecks“, sprich eine Art zweiten Normenkontrollrat, einzuführen. Neue Gesetze sollen also künftig einen „Mittelstandscheck“ durchlaufen, bevor sie Realität werden dürfen. Hier offenbart sich die ganze Misere: Niemand beklagt Verfahren und Abläufe der Gesetzgebung. Gefragt sind gute Ideen, die dem Mittelstand helfen.
Die Union lässt auf sich warten
Auch wenn der Union in der Wählerwahrnehmung eine höhere Wirtschaftskompetenz als der SPD zugetraut wird, fehlen der CDU und CSU schlicht führende Köpfe, die wirtschaftspolitische Themen prominent besetzen. Carsten Linnemann, MIT-Bundesvorsitzender, nimmt man öffentlich zu wenig wahr. Und MdBs wie Thomas Bareiß, Georg Nüßlein und Christian Frhr. von Stetten haben noch keine große mediale Strahlkraft entwickelt.
Mit der Veröffentlichung ihres Wahlprogramms lässt die Union sich Zeit und „lehnt sich entspannt zurück“, wie Alexandra Werner in ihrem wahl.de Beitrag richtig bemerkt. Erst am 03. Juli, nach dem alle anderen Parteien ihre Wahlprogramme endgültig beschlossen haben, will die Union ihr Programm veröffentlichen.
Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU will es ganz genau wissen
Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) strotzt in ihrem Leitantrag zum Bundesmittelstandstag 2017 nur so vor konkreten Forderungen. Steuersenkungen, Neuausrichtung der Klima- und Energiepolitik, Reduzierung der Mindestlohnbürokratie oder die Verhinderung von Werbeverboten zielen auf den Applaus der Wirtschafts-Lobby ab, von Familienunternehmern, über die Werbewirtschaft bis zur energieintensiven Industrie. Es bleibt abzuwarten, wie viel davon den Parteitag übersteht, wer für die vielen konkreten Themen als Person öffentlich eintritt und ob es der CDU gelingt, aus der Maßnahmensammlung eine Wirtschaftspolitik mit klaren Konturen zu machen.
Finale Verabschiedungen der #BTW17 Wahlprogramme im Überblick
Die letzten richtungsentscheidenden Parteitage stehen noch aus. Einzig FDP und AfD haben ihre Wahlprogramme bereits endgültig verabschiedet. Es bleibt also – gerade wirtschaftsprogrammatisch – spannend.
Im Überblick:
- Die Linke: 9.-11.06.2017 (Bundesparteitag in Hannover)
- Bündnis 90/Die Grünen: 16.-18.06.2017 (Parteitag/Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Berlin)
- SPD: 25.06.2017 (Parteitag in Dortmund)
- CDU/CSU: 03.07.2017 (kein Parteitag)
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