Klas Roggenkamp:
Hallo Rainer, schön, dass wir hier zum zweiten Mal zu Wahlen nach Zahlen uns treffen können. Und heute reden wir worüber?

Rainer Faus: Wir reden über die Wahlen in den Niederlanden, über die Präsidentschaftswahlen in Frankreich und ein bißchen über Referenden in Schottland und der Türkei.

wahl.de: Was war denn das Highlight der Wahl in den Niederlanden?

Rainer Faus: Wenn es bei Wahlen um was geht, wenn die Leute eine klare Alternative haben dann wird auch wählen gegangen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 80 Prozent. Das ist ein sehr schönes Ergebnis für die Demokratie.

wahl.de: Und von den Stimmanteilen her?

Rainer Faus: Also überraschend war das nicht, weil es die Umfragen schon vorher gesagt haben. Was sich aber trotzdem gezeigt hat ist, dass die proeuropäischen Kräfte z.B. Groenlinks doch sehr gut abgeschnitten haben, was im Grunde auch ein Votum für Europa war.
Es stärkt sicherlich die proeuropäischen Kräfte in anderen Ländern, es nimmt ein bißchen den Wind aus den Segeln von populistischen Parteien, in Frankreich und Deutschland.

wahl.de: Und wenn Gabriel gesagt hast, es ist ein Signal für Europa …

Rainer Faus (lacht): … da hat er nicht gemeint, dass die Sozialdemokraten auf sechs Prozent abschmieren, sondern dass es proeuropäisch ist, das Ergebnis. Dass Wilders in den Umfragen zum Schluss so abgeschmiert ist, das ist dann doch relativ deutlich gewesen.

wahl.de: Und Groenlinks?

Rainer Faus: Groenlinks war stramm proeuropäisch, stramm weltoffen, das hat der Wähler dann honoriert.
Klare Linie!

wahl.de: Die haben ja im Wahlkampf auch versucht eine Bewegung zu sein. Ist das ein Weg auch in Frankreich?

Rainer Faus: Ja, in Frankreich hat ja Emmanuel Macron diese Bewegung gegründet, En marche!
Und hat da auch von Anfang an den Wähler sehr stark eingebunden, indem er eine große Befragung gemacht hat, 20.000 Franzosen befragt hat: Was wünschen sie sich? Was stört sie an Politik? Und er geriert sich damit so ein bißchen als Anti-Politiker, im Endeffekt. Er war ja vorher Sozialist, oder in der sozialistischen Partei, er ist eigentlich relativ klar verortbar, politisch.
Er trifft damit ein bißchen das Gefühl, dass die alten Parteien abgewirtschaftet haben und insofern ist er jetzt auch der relevanteste Mitbewerber von Marine Le Pen.

wahl.de: Ok, Stichwahl gewinnt …

Faus: Die Stichwahl gewinnt sehr vermutlich der Kandidat, der nicht Marine Le Pen ist.

wahl.de: Die Niederlande ist das Viertelfinale, Frankreich ist das Halbfinale, Deutschland das Finale. Gibt es zwischendurch da noch Gruppenspiele? Oder andere Ausscheidungsspiele?

Rainer Faus: Also wir haben da auf jeden Fall noch das Referendum in der Türkei, dann gibt es noch ein Referendum in Schottland. Die wollen im Grunde raus aus dem Vereinigten Königreich. Da sind also ganz andere Dinge im Spiel bei
einem zweiten Referendum, weil sich die Schotten sehr europaverbunden fühlen.
Da werden jetzt die Karten neu gemischt!

wahl.de: Können die Schotten das denn?

Rainer Faus: Genauso wie man nicht sagen konnte: „Wir ignorieren jetzt das Brexit-Votum weil die politischen Kosten zu hoch sind“ kann man jetzt sagen: es gibt kein zweites Referendum.

wahl.de: Also in den Niederlanden haben wir jetzt erstmal den Nexit umschifft, in Frankreich steht – zumindest theoretisch noch – die Möglichkeit des Frexit im Raum. Dann haben wir auf jeden Fall den Brexit, verbunden wieder mit dem „Scotxit“ … wer ist denn der Nächste?

Rainer Faus: Vielleicht die Polen? Der Polexit?
Also ich habe das dumpfe Gefühl, dass sich da schon nach dem Brexit so ein bißchen das Gefühl eingestellt hat: Was macht denn da so alleine? Man ist gemeinsam doch auch irgendwie stärker.
Und das ist schon eine Sichtweise die sich vermutlich in der Bevölkerung, auch nach dem Brexit gerade, durchgesetzt hat.

wahl.de: Das heißt also, das nächste Element der EU, das wir verlieren, ist der Beitrittskandidat Türkei.

Rainer Faus: Also erstmal ist relativ offen, wie das Referendum ausgeht. Aber der EU-Beitritt der ist jetzt akut glaube ich gar nicht so auf der Agenda. Da tritt eher noch Island bei.

wahl.de: Kann ich den Umfragen in der Türkei trauen?

Rainer Faus: Was in der Türkei auf jeden Fall der Fall ist, ist, dass die Ergebnisse sehr stark streuen …
Dann ist natürlich in einem Staat, der jetzt nicht mehr als ganz frei anzusehen ist auch in Teilen der Bevölkerung sicherlich eine Sorge da: was passiert mit meinem Ergebnis, wer ruft mich eigentlich an?
Weil einfach dieser Anonymität der Befragung nicht geglaubt wird.

Referenden an sich, die sind relativ schwierig auch zu messen. Zum einen weiß man nie, was die Wahlbeteiligung eigentlich ist, die Beteiligung am Referendum. Welche Seite mobilisiert stärker? Und Verfassungsreferenden sind oft sehr komplex.
Was der Wähler nicht versteht, da neigt er evtl. auch mal zu das so lassen zu wollen wie es gerade ist. Und das könnte das Nein-Lager evtl. stärken. Ja, die Mobilisierung ist dann eben die zweite Sache.

wahl.de: Das heißt eigentlich: Sixt muss jetzt anfangen Werbung in der Türkei …

Rainer Faus (lacht): Sixt muss jetzt ganz hart Promotion-Teams in die Türkei schicken.

wahl.de: Danke Rainer für Deine Bewertungen, und wir sehen uns dann nächstes Mal würde ich sagen.

Rainer Faus: Sehr gerne, vielen Dank Klas.

The following two tabs change content below.
Klas Roggenkamp

Klas Roggenkamp

… macht wahl.de seit 2005, seit 2016 für appstretto. Verbindet Digital & Politik zu erfahrbaren Angeboten – technisch, inhaltlich, optisch. Wahlkampferprobt und agenturerfahren.
appstretto