Das Verfassungsreferendum in der Türkei war knapp. Zu knapp, wenn es nach der Opposition geht. 51,4 Prozent der türkischen Staatsangehörigen haben mit “evet” (zu deutsch “ja”) gegen ein parlamentarisches Regierungssystem und für ein Präsidialsystem gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag bei 87 Prozent. In Istanbul, Ankara und Izmir, den drei größten Städten des Landes überwogen die Gegner des geplanten Systems.
Die Exekutivbefugnisse sollen nun gebündelt werden, womit der Einfluss des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan deutlich steigen wird.
“Hayir” zur Neuauszählung
Nach dem umstrittenen und knappen Sieg der “Evet”-Stimmen hat die Wahlkommission Anträge der Opposition auf Annullierung der Abstimmung zurückgewiesen. Nur eins von zehn Mitgliedern Wahlkommission habe die Opposition unterstützt. Die spricht weiterhin von Wahlbetrug und auch die OSZE fordert die Neuauszählung der Stimmen.
#OSZE empfiehlt Neuauszählung #Türkei https://t.co/0GLvZP0FTP
— Özlem Topçu (@OezlemTopcu) 20. April 2017
Die kemalistische CHP und die pro-kurdische HDP, die größten Oppositionsparteien im Land, und die außerparlamentarische Opposition hatten die Annullierung wegen zahlreicher Manipulationsvorwürfe beantragt. Eine Begründung ihrer Entscheidungen gab die Kommission bislang nicht heraus, man wollte sie aber nachreichen.
Kein normaler Wahlgang
Die Seriösität des Wahlganges darf angezweifelt werden: Das Gremium entschied Sonntags während der Wahl auch Stimmzettel und Umschläge ohne offizielles Siegel gelten zu lassen. Das Siegel stellt eigentlich sicher, dass keine gefälschten Wahlunterlagen verwendet werden können.
Die OSZE bemängelte, dass die Bedingungen der feindlichen Lager im Wahlkampf ungleich waren. “Hayri” hatte mit Hindernissen zu kämpfen, “Evet” hatte in der Berichterstattung dominiert.
Die #OSZE bezeichnet die Abstimmung zum Verfassungsreferendum in der #Tuerkei als unfrei. #Hayir #Erdogan #Erdowahn #FreeDeniz pic.twitter.com/UANAIgxS1t
— Christian 🇪🇺✊🌹 (@ChristianH_Roth) 17. April 2017
Außerdem hatte das Pro-Lager und auf staatliche Ressourcen zurückgreifen dürfen. Damit habe die Türkei nicht die internationale Standards für eine faire, demokratische Wahl erfüllt. Die deutsche Bundesregierung riet der Türkei auf diplomatischem Wege, die Kritik nicht einfach abzutun.
„Ungleiche Bedingungen“: OSZE-Wahlbeobachter stellen zahlreiche Mängel bei Türkei-Referendum fest https://t.co/xStnfY0DDI @ntvde (fho) pic.twitter.com/wXqwmUI4sn
— dpa (@dpa) 17. April 2017
Desweiteren gibt es unzählige Gerüchte über offenen Wahlbetrug.
„Jetzt sind sie Erdogan ausgeliefert“. Stern-Korrespondent Raphael Geiger über #Türkei #Referendum ~ @sternde https://t.co/HcqMDHN9za pic.twitter.com/bHe6zcxFni
— Andreas Petzold (@andreaspetzold) 17. April 2017
Dieses Video soll zeigen, wie “Nein”-Stimmen überstempelt werden.
Hier werden Evet/Ja-Stimmen gestempelt. #türkei #Tuerkei #Referendum pic.twitter.com/ddMyiieLAK
— Anne Rabe (@AnneRabe) 16. April 2017
Tote im Hayir-Lager
In der nähe der osttürkischen Stadt Diyrbakir kam es auf dem Hof einer Schule, die als Wahllokal benutzt wurde, zu einer Schießerei. Dabei kamen drei Menschen ums Leben. Die örtliche Polizei habe den Streit beendet und Verdächtige zum Verhör auf das Revier gebracht.
Auslöser soll das Referendum gewesen sein, da ein „Ja“-Wähler das Feuer auf mehrere „Nein“-Wähler eröffnet habe.
Deutschtürken merhheitlich für Erdogan
In Deutschland hatten türkische Staatsbürger sich größtenteils für das Referendum ausgesprochen. Die Reaktion der Deutschen auf Twitter bewegt sich zwischen Verachtung und Hohn, dass man sich für “eine Diktatur” entschieden habe.
Hier in einem demokratischen Rechtsstaat leben und dann für eine Diktatur in der Heimat stimmen.
Genau mein Humor.#Türkei— Redwyne (@Paxter_Redwyne) 16. April 2017
Liebe Türken, in einer Demokratie kann man eine Diktatur wählen, umgekehrt geht das nicht. Viel Spaß! #Referendum #Erdogan #Türkei
— Sppakko (@Sppakko) 16. April 2017
Lasst diese „Ab in die Türkei“-Sprüche zum #Referendum einfach!
Als ob es in D nicht auch AfD/NPD-Plinsen außerhab des Grundgesetzes gäbe.
— Matthias Oomen 🇪🇺 (@OomenBerlin) 16. April 2017
Abschied von Europa?
Die Stimmen, die die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei stoppen wollen, werden lauter. Auch Rechtspopulisten gewinnen dadurch, dass Merkel nach wie vor zu ihrem Deal in der “Flüchtlingskrise” mit der Türkei steht. Erdogan will die Todesstrafe wieder einführen – ein letzer Schritt um sich für immer vom demokratischen Europa abzuwenden.
Außenminister Gabriel: Bei Einführung der Todesstrafe in der #Türkei sind „Verhandlungen über EU-Beitritt sinnlos geworden“. pic.twitter.com/sH0pog7OJt
— ZDF heute (@ZDFheute) 17. April 2017
Helena Serbent
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