Europa hat mitunter seinen eigenen Blick auf die Berliner Republik und die Briten haben noch einmal ein besonderes Verhältnis zu Deutschland. Heute ist Christian Thams, Managing Director des Berliner Büros von Burson-Marsteller, im Gespräch mit Andrew MacKay, ehemaliges Unterhausmitglied für die Conservative Party und International Consultant sowie Strategic Adviser Public Affairs bei Burson-Marsteller in London. Der Thronfolger ist geboren und Londons Bürgermeister Boris Johnson sieht Deutschland als Vorbild. Beste Voraussetzungen für eine Videokonferenz bei einer Tasse englischem Tee, um darüber zu sprechen, wie eine echte politische Freundschaft entstand, was die Briten von uns Deutschen erwarten und was Deutschland von Frankreich unterscheidet.

Christian Thams: Andrew, was halten die Briten denn vom Wahlkampf in Deutschland?

Andrew MacKay: Ganz ehrlich? Die Briten haben die Bundestagswahl im September 2013 nicht richtig auf dem Schirm. Der klare Vorsprung von Angela Merkel und der CDU machen den Wahlkampf nicht gerade interessant für die Presse. Das Rennen um die französische Präsidentschaft im vergangenen Jahr wurde zu einem vergleichbaren Zeitpunkt sehr genau verfolgt, was an der absehbaren Niederlage Sarkozys und einer Neugier an der Person Hollandes lag. Das wird in Deutschland anders sein. Ich denke jedoch schon, dass die Aufmerksamkeit ein wenig steigen wird, wenn es gegen September geht. Wahr ist aber, dass es eine Gruppe von Menschen gibt, David Cameron eingeschlossen, die sehr am Ausgang der Wahl interessiert sein werden.

Thams: Wieso das?

MacKay: Als Cameron in der Opposition war, war ich als Senior Political and Parliamentary Advisor für ihn tätig. Damals löste sich die Konservative Partei aus der christdemokratisch-konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei und Europäischer Demokraten (EVP-ED) im Europäischen Parlament. Angela Merkel war darüber sehr verärgert. In der Folge hatte es einige sehr kühle Begegnungen zwischen den Beiden gegeben. Doch die neue Mitte-Rechts-Gruppierung arbeitet im EU-Parlament recht eng mit der EPP und damit CDU und CSU zusammen, und so stabilisierte sich das politische Miteinander schnell. Heute besteht eine unglaublich enge Beziehung zwischen Angela Merkel und David Cameron, wie man sie seit den großen politischen Freundschaften wie zwischen Clinton und Blair oder Thatcher und Reagan nicht mehr gesehen hat.

Bild: CC BY-SA 2.0 Jim Trodel

Thams: Eine echte politische Freundschaft also?

MacKay: Genau. Im letzten Herbst lud Angela Merkel David Cameron, seine Frau Samantha und die Kinder im Vorfeld eines formelleren Treffens zwischen den beiden in ihr Landhaus ein. Im Gegenzug kamen dann Angela Merkel und ihr Mann nach Chequers, dem Gut des britischen Premiers. Beide fanden so immer besser zueinander. Wie so oft, wenn es anfangs große Differenzen gibt, ist es umso erstaunlicher, wenn sich dann doch alles gut ausgeht.

Thams: Wer wäre denn der Wunschkanzler der Briten?

MacKay: Cameron hat Großbritannien für 2017 zu einem Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union verpflichtet. Für den Fall seiner Wiederwahl will versuchen, die britische Position und Bedingungen in der EU neu zu verhandeln, um dann für ein Ja im Referendum zu kämpfen. Hierfür braucht er Angela Merkel als Kanzlerin. Merkel wiederum ist es sehr wichtig, dass Großbritannien in der EU bleibt. Ich glaube, dass sie zu vielen Zugeständnissen bereit ist, die dem britischen Volk zeigen würden, dass er etwas erreicht hat.

Thams: Eine Wahlniederlage für Merkel im September wäre dann ein harter Schlag für Cameron. Wie sieht es denn bei der Labour Party aus?

MacKay: Der Labourchef Ed Milliband hat meiner Einschätzung nach keine besonders enge Verbindungen zur SPD, obwohl sie Teil der internationalen Sozialisten und der Sozialisten im Europäischen Parlament ist. Er erwartet wahrscheinlich nicht, dass die SPD gewinnt.

Thams: Welches Thema wird die deutsche Regierung – egal welcher Couleur, unbedingt angehen müssen?

MacKay: Ganz oben auf der Agenda wird die Eurokrise stehen. Obwohl Großbritannien nicht Teil der Eurozone ist und wir froh sind, dass wir nicht beigetreten sind, ist Kontinentaleuropa ein wichtiger Handelspartner der Briten. Eine Rezession oder ein abschreckender Anleihenmarkt, Staatspleiten oder soziale Unruhen in den Mittelmeeranrainerstaaten wie Griechenland, Portugal und eventuell Spanien, Italien und sogar Frankreich ist nicht in unserem Interesse. Wir hoffen, dass Angela Merkel und die neue Regierung weiterhin eine bestimmende Rolle in der europäischen Wirtschaft und der Eurozone einnehmen werden.

Thams: Die Eurokrise wird sicher bestimmend bleiben. Wie sehen die Briten Deutschlands Rolle in der Welt?

MacKay: Beinahe 70 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kann Deutschland als wirtschaftlich starke Nation eine größere Rolle im Peacekeeping und der NATO sowie bei anderen militärischen Aktivitäten mit seinen Verbündeten einnehmen. Es gibt überhaupt keine Angst vor deutschem Militarismus unter den Briten. Im Gegenteil: Wir würden uns wünschen, dass die deutsche Öffentlichkeit realisiert, dass ein Land wie Deutschland mit seiner Größe und seinem Wohlstand eine positive diplomatische Rolle einnehmen kann und gleichzeitig mit seinen Streitkräften zusammen mit  Verbündeten Gutes bewirken kann – sei es über die Vereinten Nationen oder die NATO, wie es die Franzosen und Briten, Spanier und Italiener und auch einige skandinavische und osteuropäische Länder tun.

Thams: Das ist ein sensibles Thema.

MacKay: Das ist uns bewusst. Gleichzeitig wäre es ein Wunsch von uns Briten. Wenn man dabei behutsam vorgeht, wäre es im Endeffekt eine große Hilfe.

 

Andrew MacKayAndrew MacKay ist seit Februar 2010 International Consultant und Strategic Adviser bei Burson-Marsteller im britischen Public-Affairs-Team. Als Mitglied der Konservativen wurde er 1977 Mitglied des britischen Parlaments. Von 2005 bis 2009 agierte er als Senior Political and Parliamentary Advisor des Parteivorsitzenden David Cameron. Mit der Umorientierung und dem Beginn einer Karriere als Public-Affairs-Experte traf Andrew MacKay die bewusste Entscheidung, Teil eines vorstrebenden Teams zu werden, welches globale Unternehmen bei deren strategischer Kommunikation unterstützt.

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Christian Thams

Christian Thams

Christian Thams ist Chief Operating Officer Deutschland und Deputy Chair der EMEA Public Affairs Practice von Burson-Marsteller. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in internationalen Agenturen in Berlin und Brüssel. Sein Fokus liegt auf den Bereichen Digitalisierung, Healthcare, Energie und International Affairs.