„Ich muss nur noch schnell das Geld retten“ – Tim Benzko lieferte die Melodie für eine der besseren Politikparodien: Der Song über die rasende Kanzlerin, die allzeit bereit ist, schnell noch vor dem Abendessen den Euro zu retten, wurde zigtausendfach im Internet geklickt. Wahr daran ist: Angela Merkel hat ihre Verdienste um die Währung der Europäer. Ob es für die Geschichtsbücher reicht, muss sich noch zeigen. Denn genauso monoton wie die Kanzlerin und ihr Finanzminister das Lob der europäischen Währung singen, genauso viele Gegner predigen notorisch ihren Untergang.
Das hat Konjunktur. Verschwörungstheorien rund um die Apokalyptischen Reiter des Euros (Wirtschaftswoche) erfreuen sich großer Beliebtheit. Die ökologische Nische der Medien-Apokalyptiker wird inzwischen von einigen, recht prominenten Vertretern der Publizistenzunft bevölkert – allerdings mit äußerst unterschiedlicher Agenda. Nehmen wir den Schweizer Investor Marc Faber, der in den Medien bezeichnenderweise den Beinahmen Dr. Doom trägt. In der Wirtschaftswoche hat Faber gerade erst wieder erläutert, warum die Welt auf dem Weg in den finanziellen Untergang sei: „Früher oder später wird es viel böses Blut geben, und dann kann es recht ungemütlich werden für die Wohlhabenden.“ Solche Lust am Untergang findet immer Abnehmer in den Medien – und sie ist für jemanden, der einen großen Teil seines Vermögens in Gold angelegt hat auch nur konsequent. Angst in den Medien treibt den Goldpreis – da macht das Geschäft mit der Apokalypse durchaus Sinn.
Eurozone ohne Brandmauern
Was treibt aber einen gestandenen Manager wie Hans-Olaf Henkel ins Lager der Apokalyptiker? Der ehemalige IBM-Manager und BDI-Chef weiß aus eigener Anschauung, wie Deutschland vom Wirtschafts- und Währungsraum Europa profitiert hat. Heute zieht er durch Talkshows und präsentiert uns als Quasi-geläuterter die schmerzhafte Wahrheit: Der Euro ist eh nicht mehr zu retten. Um seiner These mehr Gewicht zu geben, erzählt Henkel von einem Video, das sein Elternhaus zeigt, wie es im Krieg von einer Bombe getroffen wird und niederbrennt. Am nächsten Tag, auch das zeigt das Video, ist von dem Haus nur noch eine Ruine übrig. Das Haus daneben bleibt unversehrt. „Weil es eine Brandmauer gab“, sagt Henkel. Und die fehle nun in der Eurozone.
Um den Share of Voice zu halten, müssen inzwischen mächtige mediale Geschütze aufgefahren werden. Wir, das interessierte Publikum, schauen erstaunt zu und ziehen mit angenehmem Gruseln schulterzuckend weiter. Für die Medien war das bereits ein Erfolg. Sie hatten für einen wertvollen Augenblick unsere Aufmerksamkeit und konnten Werbeblöcke platzieren. Das Dumme am Untergang ist nur: Keine politische Prophezeiung lässt sich so leicht überprüfen wie das Eintreffen der Katastrophe – übrigens ein ständiges Ärgernis für Apokalyptiker zu allen Zeiten. [Aussage twittern] Wir wachen morgens auf und die Welt ist immer noch da. Auch die stärksten emotionalen Metaphern sind dann irgendwann einmal verschlissen. Da hilft nur eins: am Lautstärkeregler drehen und immer schriller nörgeln.
Bild: CC BY Aaron Logan
Neuer Ärger steht bereits ins Haus
Wenn wir jetzt die Parlamentarier in die Sommerpause entlassen, werden die Europolitiker weiter im Hintergrund ihre Strippen ziehen. Denn neuer Ärger steht bereits ins Haus: Nach der Wahl muss das historische Projekt der Banken-Union stehen. Italien dürfte erneut unter Druck der Märkte geraten und neue Hilfen benötigen. Und auch in Griechenland wurde gerade in dieser Woche über ein neues Sparpaket abgestimmt. Wieder einmal geht es um die Zukunft des Euro. Die Spin-Doktoren arbeiten bereits geräuschlos und mit Hochdruck, denn das Thema passt so gar nicht in den Wahlkampf der Berliner Regierungsparteien. Kein Wunder, dass Finanzminister Schäuble in diesen heißen Tagen Athen besucht – zu viel steht im Lande der Griechen auf dem Spiel für die Wahlkämpfer in Deutschland. Die Athener Medien haben derweil andere, allerdings nicht weniger katastrophile Sorgen: „Ave Schäuble, die Todgeweihten grüßen dich“ titelte die Zeitung Avgi diese Woche. Die Lust am Untergang – hier wird sie real. Schäuble kann am Ende dieser Woche nach seinem Kurzbesuch bei Griechenlands Premier Samaras allerdings etwas entspannter zurück reisen: Bis zur Bundestagswahl wird es wohl ruhig bleiben an der Akropolis.
Um im Bild zu bleiben: die Götterdämmerung wurde noch einmal verschoben.
Armin Sieber
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