Omega verfolgt Dr. No – dies ist nicht etwa der Titel eines neuen James Bond-Films. Hier geht es um einen ganz realen Wirtschaftskrimi der Gegenwart: Mit den hochriskanten Transaktionen Omega 52 und Omega 55 haben die Banker des hanseatischen Landesbankenkonglomerats HSH Nordbank über eine halbe Milliarde Euro versenkt – das Institut musste mit einem dramatischem Einsatz an Steuergeldern gerettet werden. Das war kein Einzelfall im deutschen Landesbanken-Unwesen.

Die Gemengelage aus Intransparenz, Naivität und nicht vorhandenem Risikomanagement, nicht nur bei den Landesbanken, aber vor allem dort, wurde zu einer der Ursachen der Finanz- und Bankenkrise in Deutschland. Heute versuchen Gerichte von Hamburg (HSH Nordbank) bis Stuttgart (Landesbank Baden-Württemberg) und von Leipzig (SachsenLB) bis Düsseldorf (WestLB), dies juristisch aufzuarbeiten. Ob das gelingt ist fraglich – zumindest bisher fällt die Bilanz der Juristen eher spärlich aus. Eines zeichnet sich aber bereits ab:

Die ehemaligen Manager sind zu Gebrandmarkten geworden.

Wenn Omega heute Dirk Nonnenmacher, Ex-Chef der HSH Nordbank, bis in den Gerichtssaal verfolgt, so ist das für die Medien ein gefundenes Fressen. Sie haben Dr. No, den Ex-Vorstand mit den schwarzen gegelten Haaren, zur Symbolfigur für all jene gemacht, die Banker bloß für Zocker halten, die skrupellos mit Millionen spielen und dabei leichtfertig unüberschaubare Risiken eingehen – die Frage der juristischen Schuld ist dabei schon lange in den Hintergrund getreten.

Gebäude der HSH-Nordbank in Kiel, CC-BY-SA-3.0-DE Isderion

Sperrige Themen

Das verdeckt allzu leicht, dass die Bank-Manager auch Getriebene eines Spiels waren, bei dem die Politik über Jahre hinweg eine entscheidende Rolle innehatte. Politiker saßen in den Verwaltungsräten, hießen gut, haben kontrolliert – oder eben die Augen verschlossen. Wie unrühmlich sich Politiker in der Rolle von Bank-Managern machen, hat nicht zuletzt der Untersuchungsausschuss zur Beinahepleite der Bayerischen Landesbank gezeigt: Demnach haben sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrats bei der Kontrolle der Bank in grob fahrlässiger Form ihre Pflichten verletzt. Viele CSU-Granden der Jahre 2007-09 werden im Abschlussbericht genüsslich vorgeführt – eine Form der Transparenz, zu der sich SPD-regierte Länder übrigens nicht in gleicher Weise aufraffen konnten.

Wenn jetzt also den Bank-Managern der Prozess gemacht wird, wäre es eigentlich auch an der Zeit, erneut nach der Verantwortung der Politiker und nach den Fortschritten bei der Entflechtung von Bank und politischem Establishment zu fragen. Im Wahlkampf sind solche Finanzthemen traditionell eher unbeliebt. Zu schwierig und sperrig kommen sie daher und entziehen sich den wahlkämpferischen Simplifizierungsmechanismen. Wer Wind generieren will, findet dankbarere Sujets.

Dicke Bretter bohren

Es gibt aber Ausnahmen. Im Nachbarland Österreich wird ebenfalls im September gewählt und hier hat die Diskussion um die Kärntner Landesbank Hypo Alpe Adria eine nationale Dimension. In glühenden Invektiven wird nach der Rolle von Finanzministerin Maria Fekter gefragt. Auch in Bayern regt sich Widerspruch – Wahltermin ist auch hier September. Das Landgericht München lehnte in der vergangenen Woche eine Anklage gegen den früheren Vorstand der Bayern LB in wesentlichen Punkten ab. Unter anderem mit dem Argument, dass bayerische Spitzenpolitiker von der Staatsanwaltschaft geschont worden wären, die eine Mitverantwortung trügen. Seitdem rauscht es im Blätterwald bis hoch an die Nordsee. Von einem Justizskandal ist die Rede. Die bayerische Opposition, die sich größtenteils bereits aufgegeben hatte, wittert ihre Chance zur Wiederbelebung der Amigo-Affäre: Vielleicht geht ja doch noch was angesichts der drohenden präsidialen Übermacht von Ministerpräsident Seehofer.

Zu wünschen wäre es. Nicht aus parteipolitischen Erwägungen, sondern weil die Aufarbeitung der Finanzkrise nicht den hoffnungslos überforderten Juristen überlassen werden darf. Mit den Mitteln des Rechts ist den komplexen Ursachen der Finanzkrise nicht beizukommen. Die Politik muss gerade im Wahlkampf daran erinnert werden, dass es hier noch dicke Bretter zu bohren gibt – insbesondere in Sachen Bankenregulierung. Es geht darum, zu vermeiden, dass sich so etwas wiederholt. Dazu gehört das Verbot des zügellosen Zockens. Dazu gehören höhere Eigenkapitalquoten, damit Banken künftig besser in der Lage sind, ihre Risiken selbst zu tragen. Dazu gehört eine klare Regelung der Kontrolle in den Aufsichtsgremien:

Fachleute müssen kontrollieren, nicht Politiker.

Und dazu gehört ein Abwicklungsmechanismus, damit die Institute den Staat künftig nicht mehr mit ihrer Systemrelevanz erpressen können. Das alles ist mühsam und nicht so spannend, wie die Jagd auf Dr. No – aber um einiges wichtiger.

The following two tabs change content below.
Armin Sieber

Armin Sieber

Seit 15 Jahren treibt Armin Sieber die PR-Branche um – als Unternehmenssprecher und Agentur-Manager. Nach Stationen als Director Corporate Strategy bei Pleon und Leiter der Unternehmenskommunikation bei Sky Deutschland verantwortet er heute den Bereich Corporate Affairs von FleishmanHillard.