Wahlkampf ist ein schwieriges Geschäft. Um die beliebten Plätze in der Mitte der Milieus wird mit harten Bandagen und weichen Inhalten gekämpft. Große Themen sind fehl am Platz. Denn Kante zeigen führt in den Quotenkeller, und am besten kommt der weg, der wenig sagt. Die wenigen thematischen Überlebensnischen im parteipolitischen Habitat der Mitte müssen daher mit Zähnen, Klauen und ideologischem Furor verteidigt werden – Nuancen machen den Unterschied.
In solchen Situationen kommt den Parteistrategen das Mittel des Skandals gerade recht: Wenn Du den Gegner nicht besiegen kannst, dann beschädige ihn wenigstens so gut Du kannst. Nehmen wir den aktuellen Fall de Maizière. Eine halbe Milliarde Euro sollen durch sein Drohnendebakel in den Sand gesetzt worden sein. Ein Traumthema drei Monate vor der Wahl: Wie viele Kindertagesstätten hätte man dafür bauen können, wie viele Menschen in Arbeit bringen? Der entpersonalisierte Krieg und die Killerroboter geben den dramatischen Hintergrund für ein Diskussionstheater aller erster Güte. Die Medien sind begeistert – und sie haben nicht Unrecht.
Nun sind die Dinge kompliziert: Das Projekt wurde von einem SPD-Verteidigungsminister angestoßen und de Maizière hat eigentlich nur das getan was jeder gute Manager tun muss: Er hat sich einen Business Plan vorlegen lassen und unter Abwägung aller Risiken das Notwendige entschieden. Gleichwohl toben die Medien. Die Details werden in die mitternächtlichen Phoenix-Diskussionen der Verteidigungsexperten verschoben. Mit kühlem Kopf lässt sich kaum mehr verleugnen, dass dem Verteidigungsminister keine Sachfehler vorgeworfen werden können. Aber wer lässt sich schon gerne seinen schönen Skandal von allzu vielen Details kaputt machen.
Woher kommt dieses libidinöse Interesse am Skandal? Man braucht nicht vom „Hetztrieb der Medien“ zu sprechen um festzustellen, dass der investigative Journalismus immer häufiger zu einem unschönen Reflex verkommt. Aus Simplifizierung, Pauschalisierung und Skandalisierung entsteht ein gefährlicher Cocktail, der alle in einen kollektiven Rausch verfallen lässt. Die Masse giert nach negativer Energie, wie Stefan Winterbauer es so treffend formuliert hat, und sie wird von den Parteistrategen aller Couleur bedient. Eine ähnliche Medien-Hetzjagd ließ sich im Fall Christian Wulff beobachten und auch der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck wurde von der Meute kollektiv als Provinztrottel gebrandmarkt und aus dem Amt als SPD-Vorsitzender gemobbt.
Auch auf de Maizière rollte eine gefährliche Flutwelle in den Medien zu, die den Verteidigungsminister möglicherweise aus dem Amt gespült hätte – wenn nicht halb Deutschland weggespült worden wäre. Das Hochwasser, die „Jahrtausendflut“, verdrängte das Drohnendebakel aus den Schlagzeilen. Da half das beste Wahlkampfkalkül nichts mehr. Mit schriller werdendem Timbre fordern die Grünen zwar immer noch einen Untersuchungsausschuss und Gabriel den Rücktritt. Die Spin-Doktoren blasen aber vermutlich ihr letztes Hurra. Denn der Hype dürfte inzwischen über das Thema de Maizière hinweggezogen sein – fraglich, ob sich das Feuer noch einmal entfachen lässt.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Sowohl Wulff als auch Beck und de Maizière haben in der Sache Fehler begangen. Medien müssen darüber berichten. Der Medientenor dazu gleicht aber immer seltener einer objektiven Berichterstattung. Diese trägt stattdessen immer häufiger Züge einer rauschhaften Treibjagd an der nur eines nicht irrational ist: Ihre bewusste Planung auf den Reißbrettern der Wahlkämpfer.
Armin Sieber
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