Die Wahl zum Europäischen Parlament und das damit verbundene Ämterkarussell sind noch fast ein Jahr entfernt. Dennoch hat die Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Europäischen Union bereits begonnen und die Bundestagswahl im September 2013 wird ein wichtiger Meilenstein für die weitere Entwicklung Europas sein.

Deutschlands Einfluss auf die Entwicklung der Europäischen Union war in den letzten vier Jahren sehr groß, gerade bei der Suche nach Lösungen für die Probleme der Eurozone und die Finanzkrise. Die Bundestagswahl und die Besetzung des Amts des Bundeskanzlers werden als wegweisend für die gesamte Europäische Union bewertet. Sie bilden den Auftakt zu einer Wahlsaison, die mit den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 22. bis 25. Mai 2014 endet.

In vielerlei Hinsicht tragen die deutschen Wähler eine maßgebliche Verantwortung, weil Griechen, Portugiesen, Spanier und Zyprioten mit großem Interesse auf den Ausgang der Wahlen schauen werden. Für sie geht es auch um die aus ihrer Sicht bevormundenden Sparmaßnahmen, für die sie Europa, Deutschland oder sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich verantwortlich machen.

Ein Sieg von Merkels CDU/CSU, nach Umfragen der wahrscheinlichste Ausgang der Wahl, würde Stabilität bedeuten, aber diejenigen enttäuschen, die auf einen Kurswechsel in Europa hoffen. Dennoch deutet zweierlei darauf hin, dass der europäische Konsolidierungskurs nach den Wahlen weicher ausfallen wird: Erstens haben Deutschland und Frankreich sich im EU-Budget für 2014 bis 2020 bereits zusätzliche 6 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gesichert. Zweitens könnte die Schwäche der FDP Merkel in eine große Koalition mit der SPD zwingen, die den harten Sparkurs wahrscheinlich abschwächen wird.

Eine große Koalition in Deutschland hätte auch Einfluss auf die Besetzung europäischer Posten im Jahr 2014. Die SPD könnte darauf bestehen, einen EU-Kommissar aus den eigenen Reihen zu besetzen. Noch komplizierter wird es dadurch, dass sich die EU-Staats- und -Regierungschefs auf einen Kandidaten für den Kommissionspräsidenten einigen müssen. Dabei müssen sie die Ergebnisse der Europawahl berücksichtigen. Die europäischen Parteien werden dabei im Vorfeld versuchen, Kandidaten ins Spiel zu bringen, die auch schon in den Wahlkampagnen zum Europäischen Parlament aufgetreten sind.

Der wahrscheinliche Kandidat der europäischen Sozialdemokraten, denen auch die SPD angehört, ist der derzeitige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Sollten die Sozialdemokraten die Wahlen zum Europäischen Parlament gewinnen – und derzeitige Umfragen sehen sie vorne, könnte Merkel gezwungen sein, Schulz als EU-Kommissionspräsidenten zu nominieren.

Radikale Parteien, von denen viele gegen die Sparpolitik wettern und auf anti-deutsche Slogans setzen, könnten im Europäischen Parlament bis zu einem Drittel der Sitze holen. Dies könnte die konservative EVP, die Sozialdemokraten und die Liberalen als pro-europäische Parteien zur Zusammenarbeit zwingen. Große Koalition in Berlin – große Koalition in Brüssel?

Dem künftigen Kanzler kommt 2014 auch bei der Neubesetzung weiterer Schlüsselpositionen großer Einfluss zu. Gesucht werden ein Nachfolger von Herman Van Rompuy als Präsident des Europäischen Rates, ein neuer Präsident der Eurozone sowie ein Leiter des Europäischen Verfassungskonventes, der 2015 stattfinden könnte.

Vermutlich wird es im Herbst zu keinem Wechsel im Bundeskanzleramt kommen. Wahrscheinlicher hingegen scheint es, dass sich die Richtung der deutschen – und europäischen – Politik verändern wird. Alle Augen sind am 22. September 2013 auf Berlin gerichtet.

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David O’Leary

David O’Leary

David O’Leary ist Director im Bereich Government Relations bei Burson-Marsteller in Brüssel. Seit mehreren Jahren berät er Kunden aus der Ernährungs- und Konsumgüterindustrie sowie dem Bereich Healthcare und beschäftigt sich intensiv mit den politischen Institutionen. Vor seiner Tätigkeit bei Burson-Marsteller war er in unterschiedlichen Funktionen im Brüsseler Betrieb tätig.
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