Bisher habe ich mich mit einer Beurteilung über die Kanzlerkandidatin und ihren Konkurrenten und den Kampagnen ihrer Parteien sehr schwer getan. Obwohl ich vor längerer Zeit mal in eine der beiden Parteien eintrat, so empfinde ich mich doch eher als neutraler Betrachter des Wahlkampfes. Also das Gegenteil zu den "Parteisoldaten", die seit Monaten laut schreiend und schreibend durch die Landschaft der sozialen Medien rennen. Frau Merkel und ihre präsidiale Art fand ich in gewisser Weise doch ganz angenehm – klar thematisch stehe ich dann eher auf der anderen Seite, hier bezahle ich ja auch die Beiträge – aber mich überzeugte das Negative Campaigning der SPD nicht, wie ich es bereits am Anfang des Wahlkampfes geschrieben habe.
Die Wahlarena als Entscheidungshilfe
Nun ist einige Zeit vergangen. Peer Steinbrück hat sich vom anfänglichen Pannenpeer gemausert zu einem echten Wahlkämpfer. Man konnte die Entwicklung sehen, die im TV-Duell mündete. Den richtigen Anstoß, der mich dann wieder für die SPD einnahm, gab allerdings die Wahlarena auf ARD. Nebenbei für mich die Sendung, die dem Wähler am ehesten eine Entschiedungshilfe lieferte. Beide Kandidaten konnten den betroffenen Fragestellern nicht mit den üblichen Floskeln ausweichen. Sie mussten Stellung beziehen. Während Steinbrück durch die Arena tänzelte, reagierte Merkel für mich allzu oft mit der selben Phrase: "Ich schau mir das noch mal an." Bei Problemlagen, wie der ausufernden Leiharbeit, hätte sie sich die Sache wohl schon mal eher anschauen sollen. Zur Gleichberechtigung von Homosexuellen, brachte sie genau die Antwort, die sie bisher nur vermieden hat, allzu direkt öffentlich auszusprechen – aber wenigstens hat sie ihre Meinung endlich mal gesagt. Die Empörung darüber verstand ich dann nicht, genauso wenig wie die 2009/10 über die Laufzeitverlängerung der AKW, denn das ist bzw. war nunmal das Programm der Union.
Peer Steinbrück wurden hingegen in gewisser Art und Weise die Bälle hingelegt und er versenkte sie im Tor. Er wurde gut auf die Sendung vorbereitet. Er überzeugte mich. Er war schnell und schlagfertig und konnte souverän mit dem Publikum ungehen und es unterhalten.
Der Peerfinger
Gestern kam er dann, der Mittelfinger. Die Kommentatoren überschlagen sich seitdem. Darf man/darf man nicht? Gehört sich das/gehört sich das nicht? Steinbrück sagt es so:
"Klartext braucht nicht immer Worte- zum Beispiel wenn man ständig auf olle Kamellen, statt auf wirklich wichtige Fragen angesprochen wird."
— Peer Steinbrück (@peersteinbrueck) September 12, 2013
Unser Blogautor Axel Wallrabenstein reagierte wie der große Teil der Medien, der Politik und der breiten Öffentlichkeit:
Nur die BILD titelte heute unerwarteter Weise mit: "Dieses Foto ist der Knaller". Und auch sonst sehnen wir uns doch nach etwas anderem als den typischen Politphrasen. Na dann, weniger Phrase als dieses Bild geht nicht! Nun heißt es Raute vs. Stinkefinger. Ich persönlich finde die Aktion gut, denn sie zeigt Mut zur kalkulierten Empörungswelle. Mal sehen, was daraus wird. Mich hat es überzeugt!
Sebastian Schmidtsdorf
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