„Schleswig-Holstein meerumschlungen“, so beginnt das Schleswig-Holstein-Lied, den meisten ist die Region nördlich von Hamburg und südlich von Dänemark als Urlaubsziel bekannt. Dabei hat das nördlichste Bundesland vor und nach der Landtagswahl am 7. Mai 2017 politisch viel zu bieten.

Liebliche Natur, raues politisches Klima

Denn politisch gesehen war Schleswig-Holstein immer eher etwas für robustere Naturen. Kenner der schleswig-holsteinischen Landespolitik erinnern sich noch an das Duell des ‘Kühlen Klaren’ Stoltenberg gegen den ‘roten Jochen’ Steffen, unvergessen sind die Barschel-Affäre und der ‘Heide-Mord’ (taz) mit der gescheiterten Wiederwahl der damaligen Ministerpräsidentin Heide Simonis, gefolgt von turbulenten Jahren mit einer Großen und dann einer CDU-FDP-Koalition.

Klare Kante zwischen links und rechts

Seit 2012 regiert geräuschlos die ‘Küstenkoalition’ aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband SSW, der Partei der dänischen Minderheit. Allerdings bleibt das Land politisch tief zwischen dem linken (SPD-Grüne-SSW) und dem rechten Lager (CDU-FDP) gespalten. Nach den letzten Umfragen herrscht zwar keine Wechselstimmung im Land, aber die CDU hat seit Dezember 7 Prozentpunkte verloren. Die SPD übernimmt damit klar die Führung, und kann auch auf die Fortsetzung der Küstenkoalition hoffen.

Prominente Köpfe bis zum Horizont

Die Landespolitik bietet einige auch deutschlandweit bekannte Köpfe:

SPD

Neben dem populären Ministerpräsidenten Torsten Albig ist der polarisierende Landesvorsitzende Ralf Stegner das Gesicht der SPD und einer der profiliertesten politischen Twitterer. Die SPD scheint auch vom Schulz-Effekt einen Schub zu bekommen, aber auch Albig selbst liegt den Umfragen nach in der Gunst vor dem CDU-Kandidaten.

CDU

Die CDU hat einen ungewöhnlichen Schritt gemacht und wegen schlechter Umfragewerte sechs Monate vor der Landtagswahl den Bundestagsabgeordneten Ingbert Liebing als Spitzenkandidaten durch ihren Fraktionsvorsitzenden Daniel Günther ersetzt. Er hofft darauf, die CDU zur stärksten Partei zu machen und Ministerpräsident zu werden. Nach aktuellem Stand scheint das aber schwierig zu werden, derzeit sprechen sich nur 29 Prozent für eine CDU-Regierung aus, gerade einmal 21 Prozent favorisieren den Spitzenkandidaten-Nachfolger.

Grüne

Die Grünen behalten ihr Spitzen-Duo Finanzministerin Monika Heinold und Umweltminister Robert Habeck, knapp bei der Urwahl der Grünen-Spitzenkandidaten gescheitert, die um den Verbleib in der Landesregierung und den Platz als drittstärkste Partei kämpfen.

FDP

Der politische Überlebenskünstler und Talkshow-Gast Wolfgang Kubicki, der mit der FDP seit den frühen Neunzigern die Landespolitik prägt, hat seinen Claim „Make Schleswig-Holstein Great Again!“ wieder abgelegt. Er arbeitet vor allem in Talkshows an einem zweistelligen Ergebnis für seine FDP und an einer Regierungsbeteiligung. Falls er nicht im Herbst nach Berlin wechselt. Auf jeden Fall hat er die Herzen der Schleswig-Holsteiner für sich gewonnen, nach Sympathie-Punkten liegt er sogar vor dem Sozialdemokraten Albig.

SSW

Die Partei der dänischen Minderheit steht vor einem Wechsel beim Spitzenpersonal, da die erste Ministerin der Partei, Anke Spoorendonk, sich aus der Politik zurückziehen wird. Für den SSW gilt die Fünf-Prozent-Hürde nicht, so dass sie im nächsten Landtag vertreten sein sollte. Doch möchte die Partei auch gerne in der Landesregierung verbleiben.

Auch gut: traditioneller Wahlkampf

An Schleswig-Holstein hängt mehr, das Küstenland ist ein Land der politischen Hoffnungen. Für die CDU, die hofft, zum ersten Mal seit langem eine Staatskanzlei zurückzuerobern. Für die SPD, die einen Sieg als Zeichen für einen Kanzlerwechsel in Berlin will. Für die Grünen, die einen Erfolg nach den letzten Rückschlägen in den Umfragen brauchen. Und für die FDP, die mit einem Erfolg in Schleswig-Holstein eine positive Dynamik für ihren Wiedereinzug in den Bundestag schaffen will.

Das Küstenland ist ein Land der politischen Hoffnungen

Was den Wahlkampf auszeichnet ist der Fokus auf traditionelle Medien und Wahlkampf — beide Lager schenken sich nichts. Der robuste Wahlkampf scheint in einem politischen Klima mit klaren politischen Lagern wenig Platz für die populistische AfD, die sich zudem intern selbst zerlegt, noch für die Linkspartei zu lassen, die in Umfragen meist unter 5 Prozent liegt.

Spannung bis zur bis zur letzten Minute

Vor dem Schulz-Effekt gingen die Umfragen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Lager mit einem leichtem Vorteil für CDU und FDP aus, doch der Schulz-Effekt wird auch im Norden gewirkt haben. Doch es bleibt knapp und somit wahrscheinlich bis zur letzten Minute spannend.

Christian Thams ist nicht nur Geschäftsührer und COO bei Burson-Marsteller und leitet das Berliner Büro der Agentur. Er ist gebürtiger Schleswig-Holsteiner und inzwischen glücklicher Brandenburger.

Update 16.03.17: Ergebnisse der Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag des NDR eingebunden und Texte aktualisiert.

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Christian Thams

Christian Thams ist Chief Operating Officer Deutschland und Deputy Chair der EMEA Public Affairs Practice von Burson-Marsteller. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in internationalen Agenturen in Berlin und Brüssel. Sein Fokus liegt auf den Bereichen Digitalisierung, Healthcare, Energie und International Affairs.