Die USA schauen interessiert auf den deutschen Wahlkampf, erfährt Christian Thams im Gespräch mit Steve Lombardo, Leiter Public Affairs & Crisis im Washingtoner Büro von Burson-Marsteller. Viel mehr als die Frage nach den anderen Kandidaten interessieren die Amerikaner sich aber für Ideen zur Lösung der Eurokrise. 

Bild: US Capitol, CC BY-SA 2.0  Kmccoy

Christian Thams: Steve,  in dreieinhalb Wochen wird bei uns in Deutschland  gewählt. Wie ist dein Fazit zum bisherigen Wahlkampf?

Steve Lombardo: Bis vergangene Woche war der Wahlkampf aus meiner Sicht sehr ruhig. Ein mögliches drittes Rettungspaket für Griechenland scheint ihm nun mehr Schwung zu verleihen. Obgleich Bundeskanzlerin Angela Merkel Favoritin auf den Wahlsieg bleibt, werden die Kommentare von Finanzminister Schäuble ihren Wahlkampf zumindest zeitweise schädigen.

Doch insgesamt hat der deutsche Wahlkampf in den USA bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren. Das wird bis auf den kleinen Kreis derer, die die internationalen politischen Entwicklungen mitverfolgen, auch so bleiben. Das ist auf einer Seite überraschend, da Deutschland die stärkste Wirtschaft in Europa hat und das vielleicht einzige Land in der Eurozone ist, das in den letzten fünf Jahren nicht von Rezession geplagt wurde. Anderseits mag es jedoch einfach daran liegen, dass der Wahlkampf für Merkel bis vergangene Woche geradezu ein Spaziergang war.

Merkel ist die bekannteste politische Führungsperson Europas in den USA.

Thams: Welche Rolle spielen die Gesichter denn im Wahlkampf?

Lombardo: Merkel ist die bekannteste politische Führungsperson Europas in den USA. Der Großteil der amerikanischen Bevölkerung wäre nicht in der Lage, einen ihrer Gegner bei  der Bundestagswahl zu benennen. Sofern sich der Umgang mit Griechenland nicht hin zum Differenzierungsmerkmal der Kandidaten entwickelt, gibt es kein dringliches Wahlkampfthema, bei dem sich die großen Parteien signifikant unterscheiden. Zwar gibt es verständlicherweise einige Differenzen mit den linken Parteien hinsichtlich der Politik in der Eurozone oder bei der NSA-Spähaffäre, doch vermag anscheinend kein Thema Merkel den Sieg zu nehmen.

Über die Alternativen zu Angela Merkel ist hier wenig bekannt.

Thams: Wer wäre für die USA der ideale Kandidat und warum?

Lombardo: Über die Alternativen zu Angela Merkel ist hier wenig bekannt. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind gut, sodass es keinen Wunsch nach Veränderung gibt. Grundsätzliche Unterschiede gibt es hingegen zwischen Merkels Sparpolitik und den Ideen von Ökonomen aus den USA. Die meisten Ökonomen hier lehnen weitere Sparmaßnahmen in der Eurozone ab und betrachten sie als kontraproduktiv und schädlich – anders als Merkel. Die Länder, die von Sparmaßnahmen betroffen sind, werden seit 2008 erwiesenermaßen von einer andauernden Rezession und steigender Arbeitslosigkeit getroffen.

Die wirtschaftliche Lage Europas ist das dinglichste Problem. 

Thams:  Was ist Deiner Meinung nach das dringlichste Problem, mit welchem die neue deutsche Regierung konfrontiert wird?

Lombardo: Ganz klar die wirtschaftliche Lage Europas. Das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierungen ist über den gesamten Kontinent hinweg auf einem Allzeit-Tief. Europa hat weiterhin mit den Folgen der Krise zu kämpfen, was das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland belastet und verlangsamt. Zwar sagt Merkel nicht, was sie gegen die steigende Arbeitslosigkeit in Europa genau tun will, doch vertrauen die Wähler darauf, dass das Problem gebändigt werden wird. 

Steve Lombardo leitet die Abteilung Public Affairs & Crisis bei Burson-Marsteller in Washington D.C. Er ist Experte in den Bereichen Public Relations, politischem Wahlkampf sowie Krisenmanagement. Zuvor wirkte er bei mehreren US-Präsidentschaftskampagnen als Berater mit und arbeitet für verschiedene Unternehmen aus den Bereichen Telekommunikation und Healthcare sowie der Finanz- und der Entertainmentbranche.

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Christian Thams

Christian Thams

Christian Thams ist Chief Operating Officer Deutschland und Deputy Chair der EMEA Public Affairs Practice von Burson-Marsteller. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in internationalen Agenturen in Berlin und Brüssel. Sein Fokus liegt auf den Bereichen Digitalisierung, Healthcare, Energie und International Affairs.