Knapp einen Monat vor der Wahl startet die erste Partei mit ihrem Wahlwerbespot. Grund genug, einmal tief in der Fundgrube zu wühlen. Hier kommen zwölf Clips deutscher Wahlkampfgeschichte, von damals bis neulich.

1. SPD (1957)

Die 50er waren eine Zeit, in der man Cartoons gerne zur politischen Erziehung nutzte. Auch in der BRD war man sich des pädagogischen Potenzials bewusst. Deswegen erschuf die SPD die beiden Vögel Plietsch und Plemm (in Anlehnung an Wilhelm Buschs Plisch und Plum), die in Berliner Mundart die Vorteile sozialer Sicherheit gegenüber den Aufrüstungsbestrebungen der CDU proklamierten. Genützt hat es den Sozialdemokraten allerdings nichts. Adenauer holte mit der Union die absolute Mehrheit und blieb weiterhin Kanzler.

2. CDU (1957)

Auch die Union schrieb mit der Disney’schen Feder, Versmaß inklusive. Unter dem Banner „Keine Experimente“ warnt man vor sozialdemokratischen Unruhestiftern und mahnt, alles beim Alten zu lassen. Mit dabei: Konrad Adenauer als gottgleicher Übervater.

3. SPD (1976)

Nach dem Misstrauensvotum gegen Willy Brandt 1974, den daraufhin Helmut Schmidt ersetzte, hatte die SPD einen schweren Stand in der Bevölkerung; dazu kamen Bedenken über die innere Sicherheit angesichts des zunehmenden RAF-Terrors. Im Wahlspot wartet man mit Bühnenprominenz auf: Ingrid von Bergen und Dieter Hildebrand parodieren den CDU-Slogan „Freiheit statt Sozialismus“ und dichten ihn um zu „Freiheit und Sozialismus“. Heute undenkbar. Sicherte damals aber Helmut Schmidt eine weitere Kanzlerschaft.

4. Die Grünen (1980)

1980 tritt die frisch gebackene Partei „Die Grünen“ erstmals zur Bundestagswahl an. Sie scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde, setzt aber Akzente im Wahlkampf, die in den nächsten Jahren zu ihrem schnellen politischen Aufstieg führen. Während sich die heutigen Grünen oft mit dem Vorwurf der Wirtschaftsfreundlichkeit konfrontiert sehen („’ne FDP mit Fahrrad“, Jutta Ditfurth), waren die damaligen Ziele klar: Abrüstung, Umweltschutz, Basisdemokratie. Garniert wird dieses Parteiprogramm mit einem Wahlspot, der so heute sicherlich nirgendwo mehr laufen würde.

5. SPD (1980)

Der letzte SPD-Spot in dieser Liste konnte wirklich nicht außen vor bleiben. Thomas Freitag persifliert als Franz-Josef Strauß die Mauscheleien zwischen CDU und CSU.

6. FDP (1983)

Als 1982 Helmut Schmidt in Ungnade fällt, orientiert sich die FDP nach 13 Jahren sozialliberaler Koalition neu und stellt zusammen mit der Union das Kabinett Kohl I. Durch eine geplante Parlamentsauflösung und die darauf folgenden Neuwahlen will Helmut Kohl seine Kanzlerschaft legitimieren. Die Liberalen wissen um ihre Position und schicken 1983 Didi Hallervorden vor, um für die Zweitstimme FDP zu werben… „Damit Ihre Zukunft nicht zu schwarz wird“.

7. Die Grünen (1989)

Der zweite Spot der Grünen in dieser Liste entstand zwar nicht anlässlich einer Bundestagswahl, wir wollen ihn aber aufgrund einiger Parallelen zur heutigen Zeit niemandem vorenthalten. Nur so viel: Es geht um Europa, Überfremdung und „ich bin ja kein Nazi, aber…“.

8. PDS (1994)

Ganz ein Kind seiner Zeit: Der Wahlspot der PDS zur Bundestagswahl 1994 ist kurios. Zwischen kruden Dialogen und Handlungsabfolgen erhascht man einen unverbrauchter Markus Majowski und natürlich den Vositzenden Gysi selbst. Falls jemand fragt, was den Unterschied zwischen Oppositions- und Regierungsbestreben ausmacht: Das.

9. CDU (1998)

Mit dem Sieg der SPD bei der Bundestagswahl endete auch die 16 Jahre währende Ära Kohls. Böse Zungen behaupten, Schuld daran sei dieser Spot der CDU, für den sich die Partei offenkundig die Produktionsfirma des Teleshopping-Senders QVC geborgt hatte.

10. Die PARTEI (2011)

Mit diesem Spot bewarb sich die Partei „Die PARTEI“ um den Einzug in den Berliner Senat. Geklappt hat das damals nicht (im Gegensatz zur EU-Parlamentswahl 2013). Trotzdem lief das Werk des Satirikers Martin Sonneborn und der beiden Rapper Nico und Maxim von K.I.Z. genau so im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Man könnte das als Teilerfolg werten.

11. AfD (2013)

„Haben Sie sich schonmal gefragt, warum unser ganzes Geld nach Griechenland geht?“, fragt ein gespielt erboster Mann auf einer lärmenden Autobahnbrücke. Dieser AfD-Spot zur Bundestagswahl 2013 würde heute sicherlich anders anfangen. Damals, als die umstrittene Griechenland-Rettung noch die erste Seite der deutschen Tageszeitungen bestückte, warb die Partei des Wirtschaftsprofessors Bernd Lucke um das Klientel der Euro-Skeptiker. Zwar tolerierte man auch schon im Gründungsjahr die nationalen Strömungen, die sich schleichend der Partei bemächtigten; unter den sieben im Clip vorgebrachten Forderungen der AfD kommt das Thema Migration allerdings erst an vorletzter Stelle.

12. FDP (2017)

Der Clip, den die FDP im April zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfahlen veröffentlichte, ist anders als andere Wahlwerbespots. Das fängt schon beim Titel an. Das Gesamtkonzept steht exemplarisch für den Wandel der FDP nach der Pleite 2013. Für den neuerlichen Fokus auf Ästhetik und den Lindner-Kult. Und dafür, wie eine Partei in nur vier Jahren ein völlig neues Selbstbild kreieren kann, wenn sie denn muss.

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Louis Koch

Louis Koch

Redakteur bei appstretto
Louis studiert Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Er hat Spaß am Texten und Konzipieren, vor allem, wenn es um Politik geht. Bei appstretto ist er als Redakteur unter anderem für die Inhalte von wahl.de zuständig.
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