Die Grünen haben mit ihrem neuen Wahlspot die Saison für die Bundestagswahlvideos eröffnet. Ok, stimmt nicht ganz, die ÖDP war schneller, aber konzentrieren wir uns auf die Parteien, die beim Rennen um den Bundestagseinzug mitspielen. Wir haben den Spot für euch analysiert.
0:01 – 0:12
Alles beginnt mit einem dicken „Gut“. Ein Gorilla, ein Bodybuilder und ein Hot-Rod-Pickup auf Hinterrädern als Sinnbild der Lage der Nation, dazu Geschäftigkeit beim Wirtschaftsstandort Deutschland. Die vermutete Message: Deutschland ist stark. Und irgendwie exotisch.
0:13 – 0:28
Dann plötzlich Alarm, Negation der guten Laune. Schmelzende Polkappen, Nazis, Obdachlosigkeit, Piano in moll. Eine Schlange, ein Hase, und jetzt?
0:29 – 1:04
Keine Angst! Die nämlich weicht der Aufbruchstimmung, dazu der passende Beat, das Piano wird soulig, bisschen HipHop, ein paar Scratches: Ärmel hoch! Jetzt werden die wichtigen Dinge im Leben attackiert, Energiewende, Integration, Europa, Weltfrieden, nonchalant garniert mit einem Bob-der-Baumeister-Flair. Können wir das schaffen? Ja, wir schaffen das! Dazwischen finden auch noch ein paar Hunde- und Katzenwelpen Platz. So geht Awareness im Digitalzeitalter. Könnte aber auch von der Ergo-Versicherung kommen.
1:05 – 1:18
Break im Soundtrack, nochmal kurz Umwelt. Rauchende Schlote, die Abgase ein- statt ausatmen und sich selbst restaurierende Eisberge. Dann ein erster unscharfer Umriss der Spitzenkandidaten. Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt laufen entschlossen über eine Wiese, sie das Sinnbild von Souveränität, er krempelt sich die Ärmel hoch. Auf der anderen Seite leuchtende Kinderaugen, ein Hund mit grünem Halstuch guckt interessiert. Eine ganze Picknick-Familie steht auf, lauter junge zeitgenössische Menschen.
1:19 – 1:29
Dann setzt der Beat wieder ein, das retardierende Moment löst sich auf. Alle fallen sich in die Arme, Cem Özdemir verteilt High-Fives, Katrin Göring-Eckardt entscheidet sich für den Fistbump. Das hat jetzt alles etwas von Wernesgrüner oder irgendeiner beliebigen Fassbrause.
Anschließend zieht die grüne Karawane weiter, die Spitzenkandidaten vorne weg, lässig, aber mit offenkundiger Willensstärke und Führungsqualität. Ein paar schnelle Stockfotos von Kindern, Rentern, einem Plüscheinhorn, einem Typen mit Rennrad, Kühen, dann Ende. Zweitstimme Grün.
Und nun?
Eigentlich kann man gar nicht so viel gegen den Spot einwenden. Ästhetische Bilder, solide Ton-Bild-Montage, Motivation statt moralischem Zeigefinger. Und auch der Erzähler macht seinen Job gut. Aber gerade dadurch wirkt am Ende alles etwas austauschbar. Ob Versicherungs- oder Bierwerbung, e.on oder VISA, die Branche setzt auf Emotionen, warme Filter, Hochglanzbilder und ganz wichtig: Lebensfreude. Das alles macht auch den Clip der Grünen generisch. Obwohl er vielleicht trotzdem zu den besseren Clips dieser Saison gehören wird. Man darf gespannt sein.
Louis Koch
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