Lernen aus den Wahlergebnissen – geht das überhaupt? Welche Daten hat eine Partei nach der Wahl, und welchen Wert haben Erkenntnisse, die man daraus ziehen kann.




Roggenkamp: Hallo Rainer.

Faus: Hallo Klas.

Roggenkamp: Schöner Sonnenschein, und keine Wahlen direkt vor der Haustür.

Faus: Ja, keine Wahl direkt vor der Haustür.

Roggenkamp: Das ist doch mal angenehm, da kann man sich ein bißchen angucken was uns jetzt im September erwarten wird.
Und vor allem … die Wunden lecken, und Erkenntnisse sammeln aus den letzten drei Wahlen.
Passiert das eigentlich, dass sich jemand anguckt, wieso-weshalb-warum die Wahl so-und-so gelaufen ist? Für eine Partei?

Faus: Also ich glaube, worauf man relativ scharf ist, ist diese Wählerwanderungssache aus den Wahltagsbefragungen, den Exit-Polls. Die schaut man sich, glaube ich, vielleicht sogar ein bißchen zu genau an … Da wird ja auf die Tausender-Stelle genau berechnet: Woher kamen die Wähler? Wer konnte wen mobilisieren? Von welchen Parteien wurde wie und wohin gewechselt?

Roggenkamp: Ja, so wie „Die CDU hat in NRW ganz viele SPD-Wähler abgeworben und die Nichtwähler mobilisiert.“
Alles toll!

Faus: Alles ganz toll.
Dummerweise gehört ja auch zur Wahrheit dazu: Diese Exit-Polls mit den Wählerwanderungen beruhen ja auf Eigenangaben auch der Wähler. „Wen habe ich letztes Mal gewählt?“
Das weiß der Wähler aber auch nicht mehr. Also die gaukeln da auch ein bißchen Genauigkeit und Präzision vor, die jetzt nicht unbedingt der Realität entspricht.

Roggenkamp: Ok, das heißt aber, kann ich das dann in die Tonne treten? Oder …

Faus: Als Annäherungswert kann man sich das schon mal anschauen. Man sollte aber im Hinterkopf behalten, dass es eigentlich genausogut das Gegenteil sein könnte.

Exit-Polls gaukeln eine Genauigkeit und Präzision vor, die nicht unbedingt der Realität entspricht.

Roggenkamp: Gibt es da ein Beispiel?

Faus: Also, zum Beispiel gibt es Menschen, wenn man fragt, letztes Jahr – oder so – wen haben sie denn bei der
letzten Wahl in Rheinland-Pfalz gewählt? Bei der letzten Landtagswahl?
Dann behaupten Menschen sie haben AfD gewählt, dabei gab es die damals noch gar nicht.
Das sind so Fehler die auftreten, da muss man dann etwas schätzen oder berechnen „Wen könnte der gewählt haben?“ Ich habe da auch eine vage Ahnung zu, aber natürlich gab es damals keine AfD, 2010 oder 2011. Deswegen kann das einfach nicht sein, die sind sehr fehlerbehaftet …
Man erinnert sich oft auch an die letzte Wahl bei der man gewählt hat. Das war dann nicht unbedingt auch eine Landtagswahl, sondern eine Kommunalwahl, eine Bundestagswahl …
Und dadurch sind die Sachen relativ ungenau, da gibt es auch Studien zu, dass so Sachen auch gerne mal 50 Prozent falsch liegen.

Roggenkamp: Das heißt aber jetzt, beispielsweise als SPD oder als CDU … Wenn ich jetzt erkennen möchte warum lief das schlecht oder gut, habe ich dann irgendein Mittel?

Faus: Die Wahltagsbefragungen haben eine sehr große Fallzahl. Ich kann mir da natürlich anschauen,
in welchen Altersgruppen habe ich gut abgeschnitten, in welchen Altersgruppen habe ich nicht so gut abgeschnitten. Wie ist das mit dem Geschlecht?
Ganz offensichtlich kann ich mir auch die Wahlergebnisse selbst anschauen. Das ist ja ein sehr harter Fakt: Wenn ich einen Wahlkreis gewonnen habe, und mehr Stimmen geholt habe als letztes Mal dann hat da offensichtlich was funktioniert!
Ich wurde da zumindest gewählt, aus welchen Gründen auch immer.

Man könnte hier auch schauen, was habe ich eigentlich in diesem Stimmbezirk oder in diesem Wahlkreis für einen Wahlkampf geführt. Habe ich door-knocking gemacht, also den vielbeschworenen Haustürwahlkampf.

Roggenkamp: Der heiße Scheiß!

Faus: Ganz heißer Scheiß!
Gibt es jetzt auch schon seit Jahrzehnten, aber jetzt in Deutschland ist es der ganz heiße Scheiß! Löst eigentlich – als heißer Scheiß – den Infostand in der Fußgängerzone ab.
Man könnte dann im Grunde post-hoc analysieren: Wo wurde an Türen geklopft? Wo habe ich eine Postwurfsendung gehabt? Wo habe ich dieses gemacht, wo jenes … Man könnte da dann auch schauen, was hat am besten funktioniert. Und was hat den besten Effekt gehabt.

Roggenkamp: Passiert das auch?

Faus: Ich hoffe es.

Roggenkamp: Aber, die Erkenntnis die man daraus ziehen kann ist: Das hat funktioniert.
Kann man auch rausfinden was nicht funktioniert hat?
Was ja gerade die SPD … Die vielbeschworenen: Jetzt sind sie endlich dauerhaft über 30 Prozent … was Du gerne beim letzten Mal erwähnt hast …

Faus: Ja, habe ich erwähnt. Ist sie jetzt nicht mehr.
Das ist natürlich auch eine Bundessache, die da mit reinspielt. Die Landtagswahlen haben jetzt sicher nicht geholfen. Der Wähler sieht das ja auch.

Es kommt immer auf Mobilisierung an!

Roggenkamp: Aber kann man da was sinnvolles draus ziehen? Was kann jetzt die SPD aus den Wahlergebnissen lernen?
Außer vielleicht: Keine BUNTE-Interviews! Wobei, ja, Hannelore Kraft hat nicht so viele Homestories gemacht …

Faus: Also, man sieht ja, in welchen Altersgruppen ich zum Beispiel gut abgeschnitten habe. Da hat die SPD bei den Jung- und Erstwählern besser abgeschnitten als andere Parteien.
Bei den älteren Wählern hat man nicht so gut abgeschnitten. Was für Schlüsse man daraus zieht muss man dann sehen.

Roggenkamp: Und am Ende kommt es dann doch wieder auf die Mobilisierung an.

Faus: Es kommt immer auf Mobilisierung an! Es kommt auf Mobilisierung von Wählern an, Unterscheidbarkeit zu anderen Parteien. Und dann eben, den Wähler davon zu überzeugen, dass man selbst die beste Wahl ist – für die nächsten vier Jahre. Und darüber hinaus!

Roggenkamp: Das heißt aber, wir dürfen gespannt bleiben was in den nächsten Wochen an Erkenntnissen aus den verlorenen bzw. gewonnenen Landtagswahlen in den Parteizentralen gefunden wird.
Und wohin uns das führt bis zum September hin.

Faus: Richtig. Bis dahin.
Tschüss.


Rainer Faus ist Gründer und Geschäftsführer der Forschungs- und Beratungsagentur pollytix strategic research gmbh. In den vergangenen zehn Jahren hat er in mehr als 20 Wahlkämpfen in Deutschland, Asien, Australien und Neuseeland mitgewirkt. Mit pollytix berät er unter anderem Unternehmen, Verbände sowie im aktuellen Bundestagswahlkampf die SPD.

Die pollytix strategic research gmbh ist eine auf gesellschaftliche und politische Fragen spezialisierte Beratungsagentur für Kunden aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, die strategische Beratung auf der Basis qualitativer und quantitativer Forschung anbietet. pollytix realisiert Forschungs- und Beratungsprojekte für Parteien, Verbände und Unternehmen in Deutschland, Europa und weltweit.

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Klas Roggenkamp

Klas Roggenkamp

… macht wahl.de seit 2005, seit 2016 für appstretto. Verbindet Digital & Politik zu erfahrbaren Angeboten – technisch, inhaltlich, optisch. Wahlkampferprobt und agenturerfahren.
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