Die SPD befindet sich dank Martin Schulz auf einem Höhenflug, mit dem niemand gerechnet hat. Dass die Kanzlerinnen-Partei nicht sprachlos danebenstehen würde, wenn Schulz die Herzen der Wähler erobert, war zu erwarten. Dann verglich Finanzminister Wolfgang Schäuble Schulz mit dem rechtspopulistischen Donald Trump.

Derweil verglich John Palmer Schäuble selbst mit dem Republikaner aus den USA.

Schäuble: „Wortwörtlich Trump“.

Obwohl Schulz bisher Trump selbst scharf kritisierte, sieht Schäuble zwischen ihm und dem US-Präsidenten Gemeinsamkeiten. In einem Interview mit dem SPIEGEL sagte Schäuble, dass Schulz bislang nur populistisch die Spaltung der Gesellschaft beschwöre. Dieses Verhalten sei wie die „postfaktische Methode“ des Wahlkampfes in den USA. Laut Schäuble rede Schulz Deutschland in einer Art und Weise schlecht, wie es niemand tun dürfe, der Kanzler werden wolle.

Dabei gehe es dem Land und den Deutschen so gut wie lange nicht. „Wenn Schulz seine Unterstützer ‚Make Europe great again‘ rufen lässt, dann ist das fast wortwörtlich Trump“, so der Bundesminister. Es würde dem SPD-Kanzlerkandidaten gut tun, wenn er „mal ein bisschen nachdenken“ würde.

Dampfplauderei

„In einer Zeit, in der weltweit die Versuchung durch den Populismus zugenommen hat, dürfen Politiker nicht so reden wie Herr Schulz“, sagte Schäuble. „Wenn er den Populismus bekämpfen will, wie er behauptet, dann sollte er diese Fakten zur Kenntnis nehmen.“ CDU-Politiker Schäuble warf Schulz außerdem „Dampfplauderei“ vor.

SPD: Es brennt „im Konrad-Adenauer-Haus lichterloh“.

Die SPD ließ diesen Angriff gegen ihren Retter aus der Finsternis nicht unkommentiert und äußerte ihren Unmut auf Twitter. SPD-FraktionsvorsitzendeeOpperman spielte den Ball zurück und warf Schäuble ebenfalls Trump-Niveau vor.

SPD-Parteivize Ralf Stegner sieht die Kritik als Bestätigung dafür, dass man sich in der Union vor Schulz fürchte.

Schmutzwahlkampf

Heiko Maas versuchte dagegen die erhitzten Gemüter zu beruhigen: „Wir sollten fair und anständig miteinander umgehen“, sagte der Bundesjustizminister den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Die Union mag etwas nervös geworden sein. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie jetzt einen Schmutzwahlkampf eröffnen möchte.“ Wechselseitige Beschimpfungen führten nur zur Polarisierung und spielten damit den Rechtspopulisten in die Hände. Zuvor hatten sich schon die Grünen auf einen fairen Wahlkampf verpflichtet.
In der, ja, Beleidigung Schäubles schwingt die Angst vor einer Wahlniederlage im Bund mit. Für Schulz sicher auch als Lob aufzufassen, sofern der Umfragen-Aufschwung hält. Zum ersten Mal scheint Angela Merkel einen ernstzunehmenden Konkurrenten im Rennen um die Kanzlerschaft zu haben. Doch was ist an Schäubles Vorwurf dran?

Ein Funken Wahrheit und öffentliche Bauprojekte

Trump, der selbsterklärte Milliardär, und Schulz, ehemaliger Präsident des EU-Parlaments, präsentieren sich als Männer des Volkes gegen das Establishment. Sie schaffen es bei ihren Auftritten, unter den Anhängern Begeisterungsstürme auszulösen.

Und beide scheinen eine Vorliebe für verheißungsvolle Großprojekte zu haben. Trump baut gerne Kasinos und Hotels, für die andere die Rechnung übernehmen müssen. Martin Schulz hinterließ der Stadt Würselen, in der er elf Jahre lang Bürgermeister war, ebenfalls ein teures Erbe. Anstatt ein altes Schwimmbad zu sanieren, ließ er am Stadtrand das Spaßbad Aquana (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Pokémon) errichten. Der teure Bau hat sich für die Stadt nie gerechnet, bei der Kommunalwahl nach Schulz Abgang verloren seine Genossen 23 Direktmandate an die CDU.

Trump fördert die Demokratie

Während Trump als Gefahr für die Demokratie eingestuft wird, ist der „Trump-Effekt“ durchaus demokratiefördernd. Seit seiner Wahl verzeichnen die Parteien vor allem des linken Spektrums in Europa einen kräftigen Zuwachs an Mitgliedern.
Der „Schulz-Effekt“ ist in Deutschland bundesweit noch deutlich stärker als der „Trump-Effekt“. Die SPD verzeichnete zwischen dem 24. Januar und 14. Februar 6135 Online-Parteieintritte. Damit ist sie seit Ende des Jahres 2016 wieder mitgliederstärkste Partei in Deutschland.

Auch Schäuble ist ein bißchen Trump

Derweil steht Schäuble selbst in der Kritik. Der ehemalige Guardian-Herausgeber John Palmer vergleicht Schäubles Wirken in Europa mit den fatalen Plänen Trumps für die USA. Die Ähnlichkeiten bezieht er allerdings nicht auf dessen Attitüde, sondern auf seine EU-unfreundliche Politik und seinen harten Sparkurs gegen Griechenland. Gegenüber einer Schuldenentlastung des Landes zeige er sich kompromisslos und nehme damit sogar einen unkontrollierten Grexit in Kauf. Damit provoziere Schäuble das Zerfallen der EU, wie Trump das der Nato.

Endlich mal Wahlkampf.

Aber mit Blick auf Schulz lässt sich bei all der Kritik feststellen: Nach Steinmeier und Steinbrück muss sich die Union mit einem SPD-Kanzlerkandidaten auseinandersetzen, den sie nicht einfach ignorieren können. Es herrscht endlich wieder Wahlkampfstimmung, da stimmt sogar die Linkspartei zu. Wenn bislang kaum einer die Abwahl Merkels für möglich hielt lohnt sich der Blick in die USA. Man sollte einen empor kommenden Kandidaten nicht als Eintagsfliege und Produkt einer Medienblase abtun. Trump galt als Lachnummer mit zu viel Geld und rassistischen Visionen, man nahm ihn nicht ernst. Das bereuen heute viele, denn er hat sich gegen alle anderen durchgesetzt. Auch gegen die klare Favoritin.

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Helena Serbent

Helena Serbent

Seit ihrem Volontariat bei Media Partisans arbeitet Helena Serbent für „wahl.de“ und moderiert bei ALEX Berlin die Talksendung „Kopf.Hörer“. Ihre Schwerpunkte sind Politik und Digitalisierung.