Ist Martin Schulz populär, weil er populistisch ist? Die CDU will sich den Schulz-Effekt nicht anders erklären. Manche Unionspolitiker bezeichnen die wirtschaftspolitischen Skizzen von Schulz als „Sozialpopulismus“, andere stellen ihn gar auf eine Ebene mit Trump. Nun ist es eine alte Leier, dass sich Politiker bei Meinungsverschiedenheiten Populismus vorwerfen. Darüber lässt sich in Zeiten, in denen Populismus keine tatsächliche Bedrohung für die Demokratie darstellt, hinwegsehen. 2017 ist das anders. Ein Populist sitzt im Weißen Haus, eine Populistin drängt in den Élysée-Palast, eine populistische Partei in den Bundestag.
Der leichtfertige Umgang mit dem Begriff Populismus verbietet sich, wenn seine gefährlichste, weil anti-demokratische Ausformung politischen Einfluss erlangt. Die Frage „Was ist Populismus“ hat Jan-Werner Müller von der Princeton University in dem gleichnamigen Essay überzeugend beantwortet:
„Populismus ist eine ganz bestimmte Politikvorstellung, laut der einem moralisch reinen, homogenen Volk stets unmoralische, korrupte und parasitäre Eliten gegenüberstehen.“
Doch nicht das Antielitäre allein mache Populisten aus, so Müller, sondern der antipluralistische Alleinvertretungsanspruch der Gesellschaft: Die Populisten fühlen sich als die „wahren” Repräsentanten des „wahren“ Willens eines „wahren“ Volkes. Konkrete Politikvorschläge sind kein Indikator für Populismus, aber die moralisierende Darstellung der eigenen Positionen. Soweit der Politologe Müller.
Guter und schlechter Populismus?
Was bleibt demnach über vom Populismusvorwurf der CDU? Nichts. Er ist sogar gefährlich. Denn die Anklage gegen Schulz verwischt die Grenzen zwischen Pluralisten und Antipluralisten, zwischen denen, die demokratische Grundprinzipien einhalten und solche, die sie brechen. Den Populismus von AfD, Le Pen oder Wilders erkennt man zum Beispiel daran, dass muslimische Bürger angeblich nicht zum deutschen, französischen oder niederländischen Volk dazugehören dürfen. Aus der Anmaßung, einzig und allein das Volk definieren und vertreten zu können, wird die Aushöhlung der Religionsfreiheit. Analoge Muster gibt es bei anderen Grundrechten, wie der Pressefreiheit.
Sowenig wie es „alternative Fakten“ gibt, gibt es auch keinen „guten Populismus“.
Wir dürfen den Populisten nicht den Gefallen tun, sie aus ihrer antipluralistischen Ecke zu holen, indem wir pluralistische Stimmen an ihre Seite stellen. Nur wenn wir den Populismus richtig erkennen und benennen, können wir ihn auch bekämpfen. Da hilft es erst recht nicht, zwischen gutem und schlechtem Populismus zu unterscheiden. Schulz ist kein „guter Populist“, wie SPIEGEL-Kolumnist Henrik Müller meint, weil seine Reden vereinfacht und identifikationsstiftend sind. Sowenig wie es „alternative Fakten“ gibt, gibt es auch keinen „guten Populismus“.
„The Schulz“ gefällt durch Themen und Currywurstbuden-Duktus
Wenn „The Schulz“ beliebt ist, dann scheint vielen Menschen zu gefallen, was er sagt —vor allem zu sozialer Gerechtigkeit— und wie er es sagt —vor allem in seinem Currywurstbuden-Duktus. Sofern Schulz nicht reihenweise durch die Faktenchecks fällt, ist er in erster Linie eines: Ein guter Kommunikator mit charismatischen Zügen. Scheinbar sind uns die positiven Begriffe für solche Qualitäten von politischem Personal abhanden gekommen, weil sie zuletzt so selten zum Einsatz kamen. Jetzt, wo sich das ändern könnte, dürfen wir mit unserer Sprache nicht das Böse über das Gute legitimieren.


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