Mit der AfD hat erstmals eine rechtspopulistische Partei mehr als gute Chancen auf den Einzug in den Deutschen Bundestag. Mit Rückenwind startet sie in die bevorstehenden Wahlkämpfe, denn mit ihrer bisherigen Strategie ist sie gut gefahren: behaupten, kritisieren, provozieren und angreifen. Trotz Parteispaltung und öffentlich ausgetragenem Führungsstreit erreichte die Partei immer wieder zweistellige Ergebnisse auf Landesebene. Inzwischen ist sie in zehn deutschen Landtagen vertreten, in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sogar als zweitstärkste Kraft.

Ein Blick über den Tellerrand

Rechtspopulistische Parteien sind in europäischen Nachbarländern schon längst nicht mehr von der politischen Bühne wegzudenken. In der deutschen Öffentlichkeit stehen vor allem der drohende Rechtsruck bei den bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden und Frankreich sowie das nationalpopulistische Gebaren des neuen US-amerikanischen Präsidenten im Fokus. Außer Acht gerät dabei eine bereits festetablierte, rechtspopulistische Kraft in unserem Nachbarland Österreich. Dort ist die FPÖ seit Jahren fest im institutionellen Gefüge verankert. In Umfragen ist sie regelmäßig stärkste Kraft vor den schwächelnden schwarz-roten Koalitionspartnern und in zwei Bundesländern auch an der Regierung beteiligt.

Vertraute gesucht

Die AfD-Parteiführung tut das Naheliegende: Sie inszeniert sich mit den Gleichgesinnten Marine Le Pen und Geert Wilders. Aber viel mehr noch sucht sie den Austausch mit den bereits Etablierten, vor allem mit der österreichischen FPÖ. Denn von erfolgreichen Rechtspopulisten lernen, so das Motto, heißt siegen lernen. Neben regelmäßigen, nicht öffentlichen Besuchen in den Parteizentralen zeigt man sich gemeinsam wie beim diesjährigen politischen Aschermittwoch der AfD in Osterhofen. FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache war als Stargast eingeladen und wurde als „zukünftiger Kanzler Österreichs“ angekündigt. Die europäischen Rechtspopulisten sehen die Macht zum Greifen nahe…

Österreich rückt nach rechts

Besonders in Österreich veränderte das Erstarken der FPÖ in den letzten Jahren die politische Kultur. Die Einführung einer Asylobergrenze, die außenpolitische Annäherung an die Višegrad-Staaten und die vorsichtige Öffnung der beiden Großparteien hin zu einer potenziellen Koalition mit der FPÖ nach der Parlamentswahl 2018 zeigte die Angst und Hilflosigkeit der regierenden Parteien. Auch der Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten wurde hochemotional mit stark von der FPÖ dominierten Themen geführt.

Ein Szenario für Deutschland?

Im Moment scheint Deutschland von solchen Szenarien noch entfernt, jedoch mehren sich auch hier die Anzeichen für einen deutlich emotionaleren und populistischeren Wahlkampf. Unter den etablierten Parteien besteht generell Konsens darüber, keine Schmutzkampagnen zu fahren und nicht mit der AfD zu koalieren. So rief CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel schon sehr früh zur Mäßigung auf und der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bot ein Fairness-Abkommen im Wahlkampf an. Mit der AfD betritt jedoch eine Anti-Establishment-Partei die Bühne, deren erklärtes Ziel es ist, politische Konkurrenten als „Feinde“ zu verunglimpfen. In dem kürzlich erschienenen Strategiepapier befürwortet die AfD ein radikales Auftreten und setzt klar auf die Eskalation von Konflikten. Der erfolgreiche US-Wahlkampf von Trump bestätigt die AfD in ihren Bestrebungen.

AfD: Noch keine zweite FPÖ

Noch kann die AfD nicht an die politischen Erfolge ihrer europäischen Pendants anknüpfen – aber noch immer weist sie zweistellige Ergebnisse in Umfragen auf. Generell scheint ihre Kommunikation noch nicht so professionell wie die der österreichischen FPÖ zu sein. Deren Spitzenkandidat für die letzte Präsidentschaftswahl, Norbert Hofer, präsentierte sich – zumindest zu Beginn – durch seine geschickte Rhetorik als harmloses und sympathisches Gesicht der FPÖ und somit als wählbare Alternative für viele, die traditionell eher konservativ oder sozialdemokratisch gewählt hätten. Demgegenüber stehen die verbalen Entgleisungen von AfD-Parteimitgliedern wie Björn Höcke oder Alexander Gauland, die für hohe Aufmerksamkeit in den Medien und der politischen Öffentlichkeit sorgten. Ähnliche Entwicklungen machte auch die FPÖ durch, bevor sie sich professionalisierte. Festzustellen bleibt: Die AfD hat den Willen, groß zu werden und sie lernt schnell.

Deutsche Bundestagswahl: Neiddebatte?

Die politische Elite in Deutschland begegnet dieser Entwicklung unentschlossen und bis zu einem gewissen Grad sprachlos. Man versichert sich gegenseitig der Anständigkeit und der Abneigung gegenüber jeglicher Art des Populismus oder Negativ-Campaignings. Und doch sind im langsam beginnenden Wahlkampf erste kleine Veränderungen zu beobachten. Die SPD hat das Thema soziale Gerechtigkeit besetzt und erste Ideen wie das Arbeitslosengeld Q vorgestellt. Ihr Thema der sozialen Gerechtigkeit droht in eine Neiddebatte zu münden. Martin Schulz präsentiert sich als der „kleine Mann“ und lässt dabei unerwähnt, dass er nicht nur aus einer Beamtenfamilie kommt, sondern vor allem als EU-Politiker jahrelang Mitglied der europäischen Elite war. Die CDU wartet derzeit noch ab. Es läuft aber wieder alles auf einen reinen Personenwahlkampf hinaus. Die Grünen scheinen noch sich in einer Findungsphase zu befinden. Es ist fraglich, ob ihre einzige Antwort auf laute Parolen und Populismus der derzeit in den sozialen Netzwerken kursierende Aufruf zu Wahlkampf von Tür-zu-Tür ist. Die FDP wird sich wie bisher dem AfD Diskurs entgegensetzen, ist aber keine lautstark vernehmende Kraft im politischen Diskurs.

Noch kein Mittel gegen Populismus gefunden

Die letzten Landtagswahlkämpfe und vor allem auch der hohe Einfluss auf die politische Diskussion von Rechtspopulisten in unseren Nachbarländern lassen befürchten, dass die AfD zum Treiber nicht nur im bundesdeutschen Wahlkampf, sondern auch die politische Agenda beeinflussen wird. Bei den etablierten Parteien sehen wir (noch) keine Antwort darauf. Populismus, Negativkampagnen und auch falschen Behauptungen kann nur Haltung entgegengesetzt werden: Haltung und Besinnung auf demokratische Grundsätze.

Autoren: Judith Kleinemeyer, Magdalena Riedel

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Judith Kleinemeyer
Judith Kleinemeyer ist Head of Public Affairs von FleishmanHillard Germany und verfügt über mehr als 17 Jahre Erfahrung im Bereich Public Affairs. Mit breiter Fachexpertise berät sie zahlreiche deutsche und internationale Kunden in den Bereichen politische Kommunikation.
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