Präsent sein, wo die Nutzer sind. Im Web. Als App. Im Snapchat-Format und als Youtube-Embed starten in Kürze mit funk.net die Sanierungsarbeiten an der „Akzeptanzlücke“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Mit ca. 30 Formaten, von Comedy bis crossmedial, präsentiert sich das junge Angebot einer noch zu schaffenden Community. Braucht es das?

Grundversorgung, Gremienarbeit, Gebührenfinanziert. Jetzt auch für junge Leute. Endlich?
Das Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist eigentlich eine lange Kette von Kompromissen und politischen Lösungen. Sowohl die Entstehung als auch die Steuerung durch „paritätisch besetzte Gremien“ sowie die regionale „Vielfalt“ ist nicht betriebswirtschaftlich begründbar, sondern ein immenser Interessensausgleich. Oder zumindest ein Versuch.

Kompromiss-Fernsehen

Trotzdem scheint sich jeder immer wieder an dem Konstrukt von ARD und ZDF reiben zu wollen: Privatfernsehen und Zeitungsverlegern entstünde gebührenfinanzierte Konkurrenz, die über die Grundversorgung hinausgehe, als Kompromiss nach langem politischen Tauziehen entstand das nurmehr politisch erklärbare Konzept „Depublikation“.

Depublizieren ist das Entfernen von Internetseiten aus dem öffentlich zugänglichen Bereich, das die Online-Angebote (Telemedien) der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland […] nach meist siebentägiger Frist durchführen.“ Wikipedia

Auch die Politik reibt sich gerne innerhalb und außerhalb der Rundfunkgremien an der Arbeit der Sendeanstalten. Je nach Couleur ist die Redaktion zu viel oder zu wenig parteiisch, die Besetzung von leitenden Positionen scheint manchmal schwieriger als die Wahl des Bundespräsidenten. Und sowieso kann „die Grundversorgung auch von einer Fernsehanstalt geleistet werden“, wie zuletzt die CSU verkündete.

Alles falsch – Freiheit und Finanzierung

Die Sportberichterstattung ist auch jeweils zu viel oder falsch fokussiert, ebenso werden stets die falschen Themen mit Brennpunkt-Spezialsendungen bedacht. Und das so jemand wie Böhmermann oder Scholl von der Haushaltsabgabe fürstlich bezahlt (Scholl) und mit unglaublichen Freiheitsgraden (Böhmermann) versehen sind – das ist auch immer falsch.

Und nun kommt der nächste Kompromiss: im Versuch, das Programm neben Tatort und Musikantenstadl zu verjüngen ist eine neue Notlösung entstanden, die sich nun anschickt, ein „junges Angebot“ zu sein. Nicht im Fernsehen, sondern auf YouTube, Snapchat, Twitter – natürlich als App.

Stets bemüht. Und motiviert.

Dass man mit einem solchen Vorlauf nicht gewinnen kann ist absehbar. Aber offensichtlich scheint es eine angespannte Erwartung zu geben, womit, wie und warum eigentlich das neue Angebot gleich zwei andere ersetzen darf. In Apple-Manier wird größtmögliches Stillschweigen versucht, das mit scheinbar gezielten Leaks zu einer Dramaturgie wird.

Einige der neuen Inhalte sind dabei schon sichtbar, wenigstens aber verkündet. Denn anders als beim linearen Fernsehen hinterlässt jeder digitale Schritt eine Spur – bei der Domainregistrierung, auf twitter, im App-Store. Oder in der Empfehlungsliste auf YouTube.

Das ist sicher nicht die Rettung der Öffentlich-Rechtlichen, aber ein ehrenwerter Versuch, Neues zu machen. Und wir können quasi bei der Live-Produktion direkt mit dabei sein. Oder auch später das Ganze binge-watchen.

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Klas Roggenkamp

Klas Roggenkamp

… macht wahl.de seit 2005, seit 2016 für appstretto. Verbindet Digital & Politik zu erfahrbaren Angeboten – technisch, inhaltlich, optisch. Wahlkampferprobt und agenturerfahren.
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