Noch 9 Tage. Dann werden wir an die europäischen Urnen gerufen. Die Straßen gleichen zwar nicht dem Plakatdschungel wie zur Bundestagwahl, aber man spürt es ein bisschen: Es ist Wahlkampf! Wir haben mittlerweile (fast) alle Plakatkampagnen vorgestellt und die Verantwortlichen in den Parteizentralen nach ihren Strategien zur Europawahl befragt.
Was fehlt noch? Ein Blick auf die Details: Was sagen die Umfragen? Wie viel Kandidaten wurden aufgestellt? Wie viel geben die Parteien aus? Und für was eigentlich? wahl.de hat nachgefragt!
Status quo, Umfrage und Kandidaten
Im aktuellen Europäischen Parlament sind die CDU, CSU, SPD, DIE LINKE, Bündnis90/Die Grünen und die FDP vertreten. Noch hat Deutschland 99 Sitze. Diese werden aber nach der Wahl auf 96 reduziert. Durch den Fall der drei Prozent Hürde haben nun auch die kleineren Partei gute Chancen, in das neu gewählte Parlament einzuziehen.
Wenn man der aktuellen Umfrage von Infratest dimap glaubt, dann hält die Union ihr Ergebnis von 2009 und landet bei 37 Prozent. Die SPD verbessert ihr katastophales Ergebnis von 2009 und fährt um die 27 Prozent ein. Linke und Grüne liegen beide bei neun Prozent – Linke verbessern, Grüne verschlechtern ihr Ergebnis von 2009. Die FDP würde mit drei Prozent eindeutig hinter ihren elf Prozent von 2009 fallen. Die neugegründete AfD liegt derzeit bei sieben Prozent in der Umfrage – hier wird sich zeigen, wieviele Wähler den etablierten Parteien am 25. Mai die rote Karte zeigen. Die kleineren Parteien wie Piraten, Freie Wähler usw. werden leider nicht in den Umfragen aufgeführt, haben aber dennoch gute Chancen, mit mindestens einem Abgeordneten im neuen Europäischen Parlament vertreten zu sein.
Bei der Aufstellung der Kandidaten zur Europawahl verfolgten die Parteien ganz verschiedene Ansätze. Die CDU erstellte als einzige Partei Landeslisten: CDU mit 169 Kandidaten, CSU 38 Kandidaten. Derzeitig stellt die Union 42 Abgeordnete. Es steht damit also so gut wie fest, dass nur ca. 20 Prozent der Kandidaten auch wirklich nach Brüssel ziehen werden. Ähnlich wie die SPD mit ihren 96 und auch die FDP mit 102 Kandidaten sichern sich die Parteien durch die große Anzahl von Kandidaten eine festes Heer von Wahlkämpfern. Denn wer erstmal aufgestellt ist, der mobiblisiert auch sein Umfeld und steht am Samstag am Wahlkampfstand.
DIE LINKE., Grüne und AfD orientierten sich bei der Aufstellung ihrer Listen wohl eher am voraussichtlichen Ergebnis ihrer Parteien. Ob das ein kluger Schachzug war, wird sich zeigen.
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Was geben die Parteien aus?
Über die Wahlkampfbudgets der Parteien hat vor kurzem erst die F.A.S. kritisch bemerkt:
In dem Artikel wurden die Wahlkampfkosten der Bundestagswahl 2013 mit denen der Europawahl 2014 verglichen. Weiterhin erfolgte eine Berechnung der Wahlkampfkostenrückerstattung der letzten Europawahl 2009. Demnach erzielte die CDU aus ihren Wählerstimmen bei der Europawahl 2009 etwa 28 Millionen Euro, die SPD bekam 19 Millionen überwiesen, die Grünen ungefähr acht Millionen, die Linke etwa 6,9 Millionen und die FDP etwa 10 Millionen. Die Zahlen ergeben sich aus dem Beitrag von 70 bis 85 Cents pro Stimme und Jahr. Der Generalsekretär der CDU, Peter Tauber, hielt dagegen:
Jeder, der sich darüber beklagt, dass Parteien zu wenig Geld in den Europawahlkampf investieren, ist herzlich dazu eingeladen, sich über eine Spende oder den Mitgliedsbeitrag selbst einzubringen.
Ob das als Antwort reicht, lassen wir mal offen, aber er hat durchaus recht, wenn er sagt, dass Parteien auch außerhalb von Wahlkämpfen Ausgaben und Aufgaben haben. Aber der Begriff „Wahlkampfkostenrückerstattung“ kommt ja auch nicht von ungefähr.
Die CDU gibt für ihren Europawahlkampf 10 Millionen Euro aus, für die Merkel-Kampagne zur Bundestagswahl waren es beachtliche 20 Millionen. Die SPD investiert ebenfalls 10 Millionen Euro. Den Wahlkampf 2013 absolvierte sie noch mit einem Rekordbudget von 23 Millionen Euro. DIE LINKE kommt mit 3,3 Millionen Euro fast an ihr Bundestagswahl-Budget von 4,5 Millionen Euro ran.
Im Gegensatz zu den Grünen, die nur 1,6 Millionen Euro ausgeben – zur Bundestagswahl waren es noch vier Millionen. Genauso wie auch bei der FDP: Sie investierte 2013 ebenfalls vier Millionen. Nach dem Wahldebakel hat sie nurmehr 750.000 Euro zur Verfügung. Die Piratenpartei muss mit dem kleinsten Budget auskommen. Die politischen Freibeuter lassen sich ihre Kampagne 25.000 Euro kosten. Über derartige „Peanuts“ kann die AfD wohl nur lachen: Sie hat für den Europawahlkampf eine Million Euro zur Verfügung. Die CSU hat uns leider keine Zahlen genannt.
Wofür geben die Parteien ihr Geld aus?
Was machen die Parteien mit ihren Millionenbudgets? Ganz klar: Onlinewahlkampf, Werbung, TV-Spots, Plakate, Flyer, Kundgebungen und nicht zu vergessen die hunderttausenden Kugelschreiber, Luftballons, Kondome und Papierfähnchen. Die Sache mit den Plakaten, Großkundgebungen und Wahlprogrammen haben wir uns mal genauer angesehen:
Spitzenreiter beim Plakatieren sind eindeutig die Sozialdemokraten. Der SPD-Parteivorstand ließ seine Wahlkämpfer 300.000 kleine A1/A0 Plakate aufhängen und besetzte 15.000 Großflächen, sogenannte Wesselmänner. Die CDU begnügt sich dagegen mit der Hälfte der kleinen Plakate und bebildert ca. 9.000 Großflächen, wie uns die CDU-Bundesgeschäftsstelle mitteilte.
DIE LINKE geht mit 2.000 Großflächen und 175.000 kleine Plakaten, Grüne mit 2.000 Wesselmännern und 105.000 kleinen Plakaten und die FDP mit 2.000 großen und 70.000 kleinen Plakaten in den Wahlkampf. Die Piratenpartei hat ihre 62 Großflächen ausschließlich über Plakatspenden finanziert. Diese Möglichkeit nutzten LINKE, Grüne, FDP und AfD ebenfalls – das wurde hier aber nicht berücksichtigt. Ansonsten wurden die Forderungen der Piratenpartei auf 70.000 kleinen Plakaten an Laternenpfahle gehängt. Die AfD konzentrierte sich vor allem auf diese Form der Wahlwerbung: Sie haben stolze 220.000 A1/A0 Plakate gehängt und 2.000 Wesselmänner aufgestellt.
An der Anzahl der Plakate sieht man schon, dass dies immernoch das Wahlkampfinstrument Nummer eins ist.
Update 18.05.: Die Grünen haben mittlerweile 130.000 A1- und A0-Plakate aufgehängt.
Wer die Spitzenkandidaten der Parteien sehen möchte, der muss auf eine ihrer Großkundgebungen gehen. Die CDU veranstaltet im gesamten Bundesgebiet 18 Stück, die SPD 14, DIE LINKE 15. Die FDP immerhin fünf und die AfD zwei. Bündnis90/Die Grünen und die Piratenpartei haben keine Großveranstaltungen geplant.
Bei den Europawahlprogrammen haben die Parteien fast vollständig auf eine breit angelegte Diskussion verzichtet:
Europawahlprogramme: Mitmachen oder doch nur Zuschauen? http://t.co/PBSeUyD7P2 #EP2014 @schmidtsdorf
— wahl_de (@wahl_de) 13. Februar 2014
Die Erstellung war im Gegensatz zur Bundestagswahl nicht Teil der Wahlkampagnen (ausgenommen die CDU). Dennoch werden die verabschiedeten Wahlprogramme fleißig an den Wahlkampfständen unters Volks gebracht – so geht man zumindest von aus. Aber man sieht, dass die Parteien ja irgendwo sparen müssen: Wo zur Bundestagswahl noch Langfassungen, Kurzfassungen und Wahlprogramme in einfacher und in Fremdsprache an den Ständen zu finden waren, so sind es diesmal hauptsächlich Themenflyer, auf die die Wahlkämpfer zurück greifen müssen. Wenn man an die vorherrschende Meinung denkt, dass Wahlprogramme sowieso nicht gelesen werden, dann ist die Entscheidung wohl nachvollziehbar.
Die CDU gibt immerhin 900.000 Kurzfassungen aus. Die Langfassung hingegen gibt es nur digital. Dafür kommen aber über 1,5 Millione Themenflyer zum Einsatz. Die SPD gibt insgesamt 320.000 Kurz- und Langfassung heraus sowie eine Million Themenflyer. Spitzenreiter ist aber DIE LINKE mit vier Millionen Kurzfassungen und 60.000 langen Wahlprogrammen. Sie spart dafür bei den Flyern: 155.000 sollen an den Mann und die Frau gebracht werden. Die Grünen haben da ein wenig sparsamer kalkuliert. Bei ihnen gibt es 150.000 Kurz- und 45.000 Langfassungen sowie 25.000 Themenflyer. Die FDP bietet ihr Europawahlprogramm auschließlich digital an. Interessierte haben die Möglichkeit sich mittels eines von insgesamt 250.000 Flyern zu informieren. Bei den Piraten gibt es 40.000 gedruckte Langfassungen ihres Wahlprogramms und 200.000 Flyer, die Kurzfassung aber nur digital. Flyer-Spitzenreiter ist die AfD mit 2,5 Millionen Themenflyern. Ansonsten gibt es ihre Langfassung des Wahlprogramms digital und 10.000 gedruckte Kurzfassungen.
Wahlprogramme in einfacher Sprache gibt es bei SPD, LINKE, Grüne und Piraten – zum Download.
Europa verdient einen ordentlichen Wahlkampf
An diesen exemplarischen Kennzahlen sieht man, dass es für die Parteien einen Unterschied zwischen Bundestagswahl und Europawahl gibt. Und nicht nur daran. Auch die Verschiebung der heißen Wahlkampfphase lässt darauf schließen. Zur Bundestagswahl sagt man so 3-4 Wochen vor dem Wahltermin beginnt die heiße Phase. Zur Europawahl hat sie wahrscheinlich am Montag begonnen – so richtig habe ich das aber nicht mitbekommen! Naja dann heißt es nun Wahlkämpfen und mit den Bürgern ins Gespräch kommen – mit allen Materialien, die man hat! Es lohnt, denn Europa verdient einen ordentlichen Wahlkampf!
UPDATE 27. Mai 2014
Die Ergebnisse stehen nun fest und auf Anregung aus dem Netz haben wir mal ausgerechnet, wie viel eine Stimme die Bundesparteien gekostet hat:
Wir weisen noch einmal darauf hin, dass sich die Ausgaben auf die Parteien auf Bundesebene beziehen. Die Piraten haben demnach eine dezentrale Wahlkampfplanung und – organisation.
…und was kostete die Parteien dann ein Sitz im neuen Europaparlament?
Diese Zahlen beziehen sich auf die Angaben der Parteizentralen auf Bundesebene. Landes-, Kreis- und Ortsverbände können zusätzliche Ausgaben im Europawahlkampf haben.
Dieser Beitrag steht unter der CC-BY-SA 3.0 Lizenz.
Sebastian Schmidtsdorf
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