Bisher heißt es:
Kein Wahlkampf, (fast) nirgends!
So haben wir es gestern zumindest mit unserem Blogautor Daniel Florian beim BerlinerPubTalk festgestellt. Klar, die europäischen Spitzenkandidaten der Parteien haben zumindest in der Presse ein Echo hervor gebracht, aber was kam davon bisher beim Wähler an? Wahrscheinlich wenig …
Ukraine und Krim-Krise als Wahlkampfthema?
Mit der aktuellen Situation in der Ukraine und der Abspaltung der Krim deutet sich an, dass die klassischen europäischen Themen wie zum Beispiel die Krise in den südeuropäischen Ländern, die Sparpolitik, der Umgang mit Flüchtlingen oder der Datenschutz nur noch eine untergeordnete Rolle im bevorstehehende Wahlkampf spielen könnten. Zu bedeutend scheint der Vorgang in der Ukraine zu sein und der Umgang mit dieser Krise wird die Politik der EU noch über Jahre prägen!
Doch können die Parteien im Hinblick auf die Ukraine Unterschiede sichtbar machen – eignet sich solch ein Konflikt als Wahlkampfthema?
Es bedarf hier ehrlicher Antworten und das Aufzeigen von wirklichen Alternativen – auch in der Deutung der Ereignisse. Dies ist nicht so einfach, wie im Bundestagswahlkampf 2002, als SPD-Kanzler Schröder ein schlichtes "Nein" zum Irak-Krieg sagte. Und generell lassen sich außen- und verteidigungspolitische Fragen schwer für Wahlkämpfe instrumentalisieren. Versucht wurde dies in der Bundesrepublik allerdings schon mehrfach: Adenauer warb 1957 für die "Atombewaffnung" der Bundeswehr, Helmut Kohl führte 1983 einen Wahlkampf für den NATO-Doppelbeschluss und 1998 für den Euro und auch der Wahlkampf der SPD und FDP im Jahre 1969 für eine ostpolitische Neuausrichtung stellte die Außenpolitik in den Mittelpunkt. Doch wie verhält es sich nun in der aktuellen Situation?
Vor allem die Grünen und DIE LINKE machen derzeit auf sich aufmerksam – nicht unbedingt was die Erklärung ihre unterschiedlichen Standpunkte betrifft – eher durch Krach und Provokation.
Angefangen hat alles mit einem Tweet der Linken Abgeordneten Sevim Dagdelen, die die Grünen wegen ihrer Unterstützung des Maidan kritisierte:
Unerträglich diese verwelkten Grünen,die die Faschisten in der #Ukraine verharmlosen, die antisemitische Übergriffe begehen. Ein Tabubruch!
— Sevim Dagdelen (@SevimDagdelen) 20. Februar 2014
Auch Sahra Wagenknecht hatte sich in Sachen Russland und Ukraine zu Wort gemeldet und die Koaltion wie auch die Grünen für ihr Vorgehen und ihre Positionen in dem Konflikt kritisiert. Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten: Europa-Grünen-Chef Reinhard Bütikofer veröffentlichte eine eigentümliche Fotomontage, die das Logo der European Greens trägt und damit wohl dem Europawahlkampf zuzuordnen ist und provozierte so einen Shitstorm – auch aus den eigenen Reihen:
@goeringeckardt ist das Bild echt? Ich hoffe nicht! Mit dem Thema macht man keine vermeintlich witzigen Plakate! Ich bin fassungslos!
— Monika Lazar (@monikalazar) 14. März 2014
Bundespolitische Träume von Rot-Rot-Grün scheinen damit wohl erstmal vom Tisch: Das Netzwerk Berlin, eine Strömung innerhalb der SPD Bundestagsfraktion, hat Gregor Gysi nach seiner Rede im Bundestag zur Krim von einer gemeinsamen Diskussion zum Thema "Die Zukunft von Rot-Rot-Grün" ausgeladen.
Ich hätte einGespräch nicht abgelehnt, weil sie zur #Ukraine eine andere Meinung haben. Ich erwarte eben keine Unterordnung @netzwerk_berlin
— Gregor Gysi (@GregorGysi) 17. März 2014
Das Video von Gysis Rede verbeitet sich derweil wie ein Lauffeuer in den sozialen Netzwerken und wurde schon fast 200.000 mal geklickt. Tendenz steigend.
Nun bleibt es abzuwarten, wie und ob die anderen Parteien das Thema in ihren Wahlkampf übernehmen. Kampagnen müssen angepasst, Themen geändert werden. Die Unterstützung der Ukraine hat darüber hinaus für die Staaten der EU einen herheblichen finanziellen Faktor. Versprechen wurden gemacht und müssen nun eingelöst werden – doch wie kommuniziert man dies, wenn um jedes Griechenland-Packet monatelang gerungen wurde.
Die Herausforderungen an die EU werden in den nächsten Wochen noch größer werden und da der Termin der Wahl in der EU und der Ukraine auf das selbe Datum fällt, ist vorher mit keiner Entspannung zu rechnen.
Sebastian Schmidtsdorf
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