Es gab diesen einen Moment auf der Wahlparty der CDU am 22. September, an dem mir richtig mulmig wurde. Das war nicht der Moment, als die absolute Mehrheit für die Union möglich schien. Es war auch nicht der Moment, als die Führungsriege lautstark und schräg den Hit der Toten Hosen „Tage wie diese“ intonierte. (Tja, liebe Hosen: Ich kann zwar verstehen, dass Ihr Euch darüber ärgert. Aber Eure Texte sind inzwischen nun einmal so zahm, dass sie auch für eine Wahlparty der CDU taugen. Das wäre mit „Hier kommt Alex“ nicht passiert.)

Mulmig wurde mir vielmehr, als der Moderator Peter Frey zu Beginn der „Elefanten-Runde“ um 20:15 Uhr erklärte:

„Wir haben die FDP nicht eingeladen, weil sie die 5-Prozent-Hürde nicht erreicht hat.“

So schnell geht das also. So schnell ist man abgemeldet. Genau genommen hatten ARD und ZDF die FDP sogar ausgeladen, denn die Einladung war schon Wochen vorher ergangen und wurde dann, wie man hört, noch vor Schließung der Wahllokale auf Basis der unsicheren „16 Uhr-Meldung“ widerrufen. Das ist stillos. So geht man nicht mit einer Partei um, die dem Deutschen Bundestag mehr als sechs Jahrzehnte angehört und noch bis zur Bildung einer neuen Regierung Verantwortung trägt.  

Aber was sind eigentlich die Ursachen und welche Folgen hat es, wenn dem Parlament eine solche Konstante abhandenkommt? Bei den Ursachen steht sicherlich obenan, dass die FDP ihr hohes Ergebnis der Bundestagswahl 2009 von über 14 Prozent während der gesamten Legislaturperiode nicht rechtfertigen konnte, weder inhaltlich noch personell. Sie konzentrierte sich zuerst nahezu auf das Kernthema Steuersenkungen und ließ dann die Ankündigung des neugewählten Parteichefs Rösler ins Leere gehen, ab heute werde die FDP liefern. Es fehlte der Mut, sich Mitte der Legislaturperiode vor die Kanzlerin zu stellen und zu sagen: Entweder gibt es eine Steuersenkung oder die Koalition ist beendet. Stattdessen begrub die Partei ihr wichtigstes Projekt. Das bestraft der Wähler. Wahltag ist Zahltag.

Noch wenige Tage, dann wird das Ölgemälde von Gustav Stresemann aus dem Fraktionsaal der FDP verschwinden und das Licht ausgemacht. Dann sind 93 Abgeordnete ohne Mandat und über 600 Mitarbeiter aus Fraktion, MdB-Büros und Thomas-Dehler-Haus arbeitslos. Da geht viel parlamentarisches Wissen verloren, das über die Jahrzehnte aufgebaut worden ist. Manches für immer, denn die FDP hat kaum Ausweichmöglichkeiten. Sie ist in nur einer Landesregierung vertreten und ihre wenigen Oppositionsfraktionen in den Ländern sind klein. Da lässt sich so viel Personal nicht bis zur nächsten Bundestagswahl „parken“. Die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter werden sich neue Jobs suchen und stehen dann für einen parlamentarischen Neuanfang nicht mehr zur Verfügung. Das ist keine Kleinigkeit.

Auch die Folgen im Parteiengefüge sind immens. Die FDP ist eine Partei mit großer Tradition. Sie hat wichtige Persönlichkeiten der deutschen Geschichte und Gegenwart hervorgebracht, von Theodor Heuss und Walter Scheel bis Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff. Für die Union ist das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag keine gute Nachricht. Sie wird den Satz, dass Koalitionen keine Liebesheiraten sind, in dieser Legislaturperiode buchstabieren lernen. Außerdem muss eine Lücke im Parteienspektrum gefüllt werden. Die Grünen werden das nicht können und mehrheitlich auch nicht wollen. Erste Ankündigungen der AfD, bereitzustehen, sind lächerlich. Diese Truppe von Nörglern ist unfähig, eine Partei vom Rang der FDP zu ersetzen.

So bleibt zu hoffen, dass es der Partei gelingt, sich von Grund auf zu erneuern. Wenn sie zur nächsten Wahl ein Angebot unterbreitet, das aus ihren liberalen Traditionen und freiheitlichen Idealen erwächst, dann gibt es ein Wiedersehen mit der FDP.

 

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Thomas Helm

Thomas Helm

Thomas Helm ist Head of Governmental Affairs bei Ketchum Pleon und verantwortet den Bereich Public Affairs auf nationaler und internationaler Ebene. Zuvor war er 11 Jahre Referent und Büroleiter in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.