Mit Außenpolitik lassen sich keine Wahlen gewinnen. Dies erscheint als eine der in Stein gemeißelten Grundregeln von Wahlkampfführung. Außenpolitik ist zu weit weg und interessiert die Leute nicht, deshalb spielt sie im Wahlkampf auch keine Rolle. Auch die Bundestagswahl 2002 lässt sich hier nicht als Gegenbeweis anführen, denn bei dem „Nein“ des damaligen Bundeskanzlers zum Irakkrieg ging es nicht mehr um Außenpolitik, sondern frei nach Carl von Clausewitz, um eine Beteiligung Deutschlands an einer „Fortführung der Politik mit anderen Mitteln“.
In Syrien planen die USA in diesen Tagen einen „kurzen Krieg“, wie Verlautbarungen aus Washington zu entnehmen ist. Es ist verständlich, dass der Einsatz von Giftgas nicht unbeantwortet bleiben kann, sofern der letzte Beweis gegen das Regime erbracht ist. Aber ist die Aktion eigentlich zu Ende gedacht? Und bei der Frage denke ich nicht in erster Linie an das militärische Element, falls das syrische Regime, das seit Jahrzehnten einen hochgerüsteten Militär-, Geheimdienst- und Polizeistaat darstellt, sich erdreisten sollte, zurück zuschießen – auf die Schiffe der USA, den NATO-Partner Türkei oder gar Israel. Auch an Aktivitäten des umtriebigen syrischen Geheimdienstes gegen Einrichtungen im Ausland ist nicht primär gedacht.
Bild: Die Länder Asiens, CC BY-SA 3.0 Mapmaster
Die wesentliche Frage betrifft die Zeit nach einer möglichen Intervention, auch schon die Zeit nach Präsident Assad, die kommen wird. Und das betrifft die Außenpolitik, und hier fehlt wieder einmal der große Entwurf. Allein ein kurzer Blick in die Länder, in denen Interventionen stattgefunden haben, belegt, dass es an der politischen Nachsorge und Begleitung fehlt.
Wie sieht Irak ein Jahrzehnt nach dem Einmarsch unter der Führung der USA aus? Ein politisch extrem verfallenes Land, mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen und Chaos in Zentralirak. Kurdistan hat sich quasi abgespalten.
Wie sieht Libyen heute aus? Außerhalb der großen Städte herrscht Chaos, in weiten Teilen des Landes, vor allem im Osten und Süden ist die Sicherheitslage extrem angespannt. Al-Qaida begeht terroristische Gewaltakte.
Afghanistan soll an dieser Stelle nur erwähnt werden, da die militärische Intervention auch nach über elf Jahren noch läuft.
Auch für die Länder der Region wie Ägypten und Tunesien, in denen keine militärischen Aktionen von außen stattgefunden haben, ist die Frage nach einem großen Entwurf für eine politische Begleitung der sich vollziehenden Prozesse zu stellen. In Ägypten ist die Lage zweieinhalb Jahre nach dem Sturz von Präsident Mubarak Spitze auf Knopf. Kann sich das Land nach dem Sturz von Präsident Mursi langsam stabilisieren oder rutscht es ab?
Wie sieht eigentlich das politische Angebot für diese Staaten aus? Es erscheint, dass die westliche Gemeinschaft gerade noch die Kraft für ein kurzes militärisches Eingreifen hat, von einem konsolidierten Vorgehen, kann hier auch schon nicht mehr die Rede sein. Für eine politische Begleitung fehlen die Strategien und die Ausdauer, die dafür notwendig sind. Werden die Länder sich selbst überlassen, füllt sich das nach Intervention oder revolutionären Ereignissen entstandene Machtvakuum dann auf eine Weise, welche die beschriebenen Lagen mit sich bringen.
Warum wird auf die Schaffung von Perspektiven durch politische Begleitung nicht noch mehr Mühe verwandt? In Tunesien und Ägypten, wo sich selbstbewusste Bürger vor mehr als zwei Jahren ihrer Diktatoren entledigt haben, macht es durchaus Sinn, nicht nur die jeweils Herrschenden, sondern auch gesellschaftliche Gruppen verstärkt in Prozesse einer politischen Begleitung einzubeziehen. Auch in Syrien gibt es Gruppen, die für einen perspektivreichen Neuanfang nach Assad in Frage kämen, wenn man sich um sie kümmert, damit das Land, wenn der Tag eins nach Assad kommt, nicht im Kampf um die Macht versinkt.
Über einen Entwurf für eine politische Perspektive im Nahen Osten würde es sich auch lohnen in einem, wie manche beklagen, themenarmen Wahlkampf zu sprechen und auch gerne zu streiten. Die Länder in der Region sind unter sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und innenpolitischen Gründen viel zu wichtig für uns, als dass man die Entwicklungen nur zur Kenntnis nimmt, wenn mal wieder die Spritpreise steigen oder einem der Badeurlaub in Gefahr gerät.
Thomas Helm
Neueste Artikel von Thomas Helm (alle ansehen)
- Auf Wiedersehen, FDP! Was passiert, wenn eine traditionsreiche Partei den Bundestag verlässt - 27. September 2013
- Außenpolitik spielt im Wahlkampf keine Rolle – warum eigentlich nicht? Eine Betrachtung vor dem möglichen Beginn eines „kurzen Krieges“ - 30. August 2013
- Systemkritik und Gerechtigkeitsdebatte – Meinungsbild der Deutschen vor der Bundestagswahl lässt aufhorchen - 12. Juli 2013
0 Kommentare
Kommentar schreiben