Wahlkampf-Apps für Smartphones und Tablets könnten vieles sein – Informationsbörse, Spendenplattform, Mobilisierungstool, Datensammelstelle, Linkschleuder oder auch ein Instrument für die Gamification von Politik. Zur Bundestagswahl bieten nur die SPD und die CDU eine App an. Allerdings nutzen sie die Möglichkeiten von Apps noch nicht gänzlich aus.
Apps bieten im Gegensatz zu mobilen Websites oder Websites im responsive Design die Möglichkeit, zusätzlich auf integrierte Funktionen des Handys zuzugreifen. Es können also die Handykamera, die Ortungsdaten, Adressbuch oder zum Beispiel der Kalender eingebunden werden.
Der hinkende Obama-Vergleich
Man könnte jetzt an dieser Stelle den Vergleich zur Obama-App “Obama for America” ziehen. Dort wurden Videos, Informationen, Veranstaltungstipps und ein Spendentool angeboten – alles auf die Region des Smartphone-Nutzers zugeschnitten. Gleichzeitig war es das Tool für den Haustürwahlkampf. Wer der App seinen Standort verraten hat, der bekam eine Karte von Google Maps mit lauter blauen Fähnchen. Diese zeigten Haushalte an, die den Demokraten nahe standen, weil sie zum Beispiel schonmal gespendet hatten. Das Feedback der Haustürgespräche wurde dann direkt über die App an Obamas Wahlkampfzentrale geschickt. Wie wir wissen, hinkt der Vergleich natürlich, da die deutschen Datenschutzbestimmungen so eine Verknüpfung und Weitergabe von Daten nicht zulassen. Dennoch können Apps im deutschen Wahlkampf ein sinnvolles Instrument sein.
Die “Merkel-App” – Aufbruch ins #Neuland?
Die CDU beendet die Zeiten langweiliger Wahlplakate und eröffnet damit ihrer Meinung nach den “Wahlkampf 3.0”. Mittels Augmented Reality können die Nutzer der App die Plakate von Angela Merkel zum Leben erwecken. Wenn man mit der Handykamera ein Merkel-Wahlplakat ins Visier nimmt, erscheint entweder der CDU-Wahlwerbespot oder Merkels Kopf ragt aus dem Plakat heraus und ruft die Wähler zur Stimmabgabe auf. Das hat uns wirklich überrascht, denn die Darstellung ist wirklich innovativ, fast schon dreidimensional.
Ganz neu ist diese Idee aber nicht. Früher funktionierte sowas über QR-Codes und Stephan Weil benutzte diese Art der Darstellung bereits zur Landtagswahl in Niedersachsen.
Die CDU setzt damit ganz klar auf Gamification im Wahlkampf. Neben den sprechenden Plakaten bietet die CDU noch einen Schrittezähler. Hier kann der Wahlkämpfer seine “Wahlkampf-Meter und Kontakte” an die Zentrale übermitteln. Inwieweit eine Datenerhebung und -auswertung tatsächlich stattfindet, bleibt abzuwarten. Ansonsten erhält man über die Merkel-App mit der Umkreissuche Informationen zu Veranstaltungen, wo die CDU-Chefin auf einer Wahlkampfveranstaltung spricht sowie Verlinkungen zum “teAM Deutschland”, der Wahlkampforganisation der CDU.
Wirkliche Innovation in der Wahlkampforgansiation und -kommunikation lässt die Merkel-App vermissen, setzt aber stattdessen wie auch bei ihrem Webauftritt auf Bewegtbild und Emotion.
Die SPD-App hält nicht, was sie verspricht
Über die Wahlkampf-App der SPD sollen Nutzer nach eigenen Angaben der SPD:
- Ideen, Hinweise und Fragen sofort an die Bundestagskandidaten übermittelt werden.
- Neuigkeiten, Hinweise zu Veranstaltungen, Hausbesuchen und Wahlkampfaktionen umgehend auf das Handy geliefert werden.
- Push-Nachrichten direkt vom Kandidaten bekommen.
Nach einem Testlauf muss hier festgestellt werden, dass leider keine der Funktionen auf unseren Testgeräten (Samsung Galaxy S3, HTC Desire HD) funktioniert. Weder bekommt man eine Push-Nachricht, noch kann man Nachrichten an seinen Wahlkreiskandidaten richten. Auch sonst ist die App sehr textlastig, ob “Botschaft des Tages”, Argumente oder Informationen zu Peer Steinbrück. Die App greift hauptsächlich auf Webseiteninhalte zurück. Es erfolgt keine Verknüpfung mit der Hardware des Handys. Das macht doch aber den Sinn von Apps aus.
Eine wirklich Innovation wäre die Einbindung des Portals mitmachen.spd.de gewesen. Das Portal wird in der App nur angeteasert und verlinkt. Diese wirklich ausgereifte Plattform zur Koordinierung des Wahlkampfes der SPD ist eher als klassisches Web-Angebot zu nutzen. Dennoch kommt sie der Obama-App schon ansatzweise nah und die SPD hat den Vorteil, dass sie das Netzwerk und die gesammelten Informationen auch für kommende Wahlkämpfe nutzen kann.
Ist das der Wahlkampf 3.0?
Die deutschen Parteien bleiben bei der Nutzung der App-Technologien zurückhaltend, was wohl auch an den Kosten liegt. Man stellt sich generell die Fragen:
Ist das jetzt pseudomodern oder doch innovativ? Lassen sich dadurch Wählerstimmen gewinnen? Ist das der Wahlkampf 3.0?
Die Angebote richten sich wohl hauptsächlich an Parteianhänger und Mitglieder. Eine Verknüpfung mit dem Straßen- und Haustürwahlkampf wurde von den beiden Partein zumindest versucht, ist aber nicht geglückt. Neue Wählerstimmen werde sie damit wohl nicht bekommen.
Sebastian Schmidtsdorf
Neueste Artikel von Sebastian Schmidtsdorf (alle ansehen)
- „So einen überkontrollierten Wahlkampf habe ich noch nicht gesehen!“ - 23. Dezember 2016
- Die automatisierte Demokratiegefahr - 13. Dezember 2016
- Die Meinungen über Merkel gehen auseinander - 5. Dezember 2016
0 Kommentare
Kommentar schreiben