Wenn wir an Infografiken denken, da kommen uns erstmal langweilige Torten- und Balkendiagramme aus Excel in den Sinn. Aber die Zeiten haben sich geändert: Infografiken visualisieren heute komplexe Inhalte und Zusammenhänge und dies in ansprechender Form. Als Instrument des Content-Marketing sind sie in der Unternehmenskommunikation immer stärker auf dem Vormarsch.
Der Nutzen liegt auf der Hand:
- Durch Infografiken werden komplexe Fakten und Zusammenhänge visualisiert und damit leichter verständlich
- Infografiken untermauern Aussagen und Forderungen.
- Große Informationsmengen werden in kleinere Bestandteile zerlegt.
- Botschaften werden durch Reduktion, Selektion und Strukturierung auf das Wesentliche konzentriert und gekonnt in Szene gesetzt.
- Infografiken können Crossmedial – On- und Offline – verwendet werden.
- Sie werden gern im Social Web geteilt.
- Infografiken sind wichtiger Bestandteil vom SEO (Bilder-SEO).
- Sie steigern den Traffic auf Blogs und Webseiten.
Auch für Parteien gilt: „Content is King“
Aber nicht nur für Unternehmen bieten Infografiken diese Chancen. Auch Parteien und Politiker besetzen bekannterweise nicht nur in der Wahlkampfphase Themen und Inhalte und auch für sie gilt: „Content is King”. Diese Inhalte sind erklärungsbedürftig, wie schon Lukas Kircher beschrieben hat. Die Ideen müssen dem Wähler vermittelt werden. Infografiken sind hier eine ideales Instrument im Kampf um die Aufmerksamkeit. Inhalte können so aufbereitet werden, dass man Lust daran hat, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Sachzwänge, Entwicklungen und Pläne können glaubhaft vermittelt werden.
Die Politik ist also als Einsatzfeld bestens für Infografiken geeignet.
Man denke nur an so komplexe Themen wie die Energiewende, den demografischen Wandel oder das deutsche Steuersystem.
Diese Thematiken bearbeiten die Parteien in ihren Wahlprogrammen und gehen anscheinend wie die meisten davon aus, dass sie eh keiner liest. Denn sie sind so wie schon vor Jahrzehnten reine Textwüsten, durch deren Staub sich niemand kämpfen will! In keinem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013 werden Grafiken genutzt, um die Bilanzen, Pläne und Vorhaben der Parteien dem Leser verständlich zu machen, zu argumentieren und zu erklären. Da fragt man sich wirklich, muss das so sein?
Haben Parteien die Notwendigkeit von visueller Kommunikation nicht verstanden?
Auf der Suche nach Infografiken wird man dennoch fündig:
Die CDU nimmt die Steuerpläne der SPD zum Anlass, eine Infografik über ihren Blog wahlfakten.cdu.de zu teilen. Schade, dass sie Infografiken als Instrument nur für ihr Negative Campaigning nutzen und nicht um ihren eigenen Vorhaben zu erklären. Die Datengrundlagen sind leider nicht so ganz greifbar aber zu den Zahlen und Piktogrammen bekommt man einen kleinen Erklärtext:
Die SPD will mit sehr einfachen Grafiken ihre politischen Ziele verdeutlichen. Die Infografiken bieten auf den Themenseiten zur Wahl einen Mehrwert, viualisieren die Vorhaben und laden zum Teilen auf den sozialen Netzwerken ein. Leider werden hier die Datengrundlagen nicht genau definiert. Woher kommen die Zahlen, welche Zeiträume werden angesetzt?
Mehr Gespür bewies da die SPD-Bundestagsfraktion im Fühjahr. Sie hat zur Gleichstellung von Frauen und Männern unter dem Titel “Elli verdient mehr” eine Microsite heraus gebracht. Diese zeigt anschaulich mit Infografiken und Text den Lebensweg von „Elli” und die entsprechenden Forderungen der SPD für gleichen Lohn für gleiche Arbeit im Gegensatz zu den Positionen von Schwarz-Gelb.
Die FDP weist den Wähler auf die Bilanz ihrer Regierungszeit hin. Dies sieht wie eine Infografik aus, aber der Informationsgehalt ist schwer nachvollziehbar. Klar, wie bereits beschrieben, sollen Infografiken komplexe Daten reduzieren, aber wie sich zum Beispiel die 22 Mrd. € zusammensetzen wäre durchaus interessant.
In einer sehr einfachen Grafik verweist die CSU auf ihre bayerischen Erfolge, liefert dazu aber wenigstens die Datenbasis.
Die Grünen haben es anscheinend verstanden
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat den Zusammenhang zwischen Inhalten und ihrer visuellen Aufbereitung offenbar fast verstanden. Sie hat eine Microsite zum Thema Energiewende und Strompreis veröffentlicht, die nur aus animierten Infografiken besteht. Die Grafiken bieten eine guten Überblick zu den Preisentwicklungen.
Allerdings hat die Seite auch ein paar Mankos: Die Inhalte und die Seite an sich sind nicht direkt über die sozialen Netzwerke teilbar und der Erklärtext, befindet sich auf der eigentlichen Website der Fraktion und ist dann doch die gewohnte Textwüste. Die Frage, warum ausgerechnet die Fraktion, deren Materialien ja eigentlich nicht direkt von der Partei im Wahlkampf verwendet werden dürfen, solch eine Aktion startet, lassen wir mal dahin gestellt. Die Daten sind dennoch gut greifbar und belegt. Man sollte wissen, woher die Zahl kommt, mit dem der Gegner “angegriffen” wird. Dies liefert die Seite der Grünen-Fraktion.
So stellt man sich eine statistisch belegbare und nachvollziehbare Grafik vor.
Man kann die Zahlen recherchieren und nachprüfen. Fakten und Daten werden ordentlich visualisiert auf Meinungsmache wird erstmal verzichtet. Das ist eine Infografik!
Auch die Grüne Bundespartei legt kurz vor der Wahl nochmal nach und stellt ihre Wahlziele interaktiv in zwei Minuten dar und bezieht hier auch Infografiken ein. So wünscht man sich das!
Durch Infografiken Wahlentscheidungen herbeiführen
Eine Infografik ist eine Informationsgrafik, eine Grafik die “komplexe” Sachverhalte anschaulich darstellen soll. Ob einem die Grafiken der Parteien in Ihrer Gestaltung gefallen sei mal dahingestellt. Vordergründig steht hier erstmal der Informationsgehalt. Absolute Zahlenwerte und Prozentangaben mit einem Piktogramm zu versehen machen noch lange keine Infografik.
Die Kritik an den Infografiken besteht vor allem darin, dass man meist nicht weiß, woher die Zahlen kommen, sind sie überhaupt vergleichbar und welchen Mehrwert haben sie für den Leser. Der Wähler hat nicht die Möglichkeit die Zahlen zu hinterfragen, es gibt oft keine Quellen und keine Bezugswerte oder Bezugsgrößen.
Sind 200.000 Kitaplätze mehr jetzt viel oder wenig? Wieviele Kitaplätze fehlen eigentlich?
Für den gemeinen Wähler sind viele Themen schwer fassbar und er hat ein Anspruch darauf, diese ordentlich aufbereitet zu bekommen. Wenn Parteien Infografiken sinnvoll einsetzen würden, sprich schwer verständliche Sachverhalte dem Wähler anschaulich aufbereiten, könnten sie dadurch durchaus eine Wahlentscheidung herbeiführen.
Dieser Artikel ist von Benjamin Erfurth und Sebastian Schmidtsdorf
Benjamin Erfurth
Benjamin Erfurth ist Infografiker und technischer Illustrator. Er arbeitet in Berlin für Verlage, Agenturen und Unternehmen – seit Sommer 2013 in einem gemeinsamen Büro für Informationsdesign mit Markus Kluger. Seine Auftrageggeber sind unter anderem die Axel Springer AG, Wissenmedia und G+J. www.infografiker.com
Sebastian Schmidtsdorf
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