Der diesjährige Wahlkampf bietet im Moment ein beschränktes Themenspektrum. Unzählige Artikel und Kommentare über Prism und Edward Snowden, die Rolle von Deutschland im Abhörskandal Amerikas, die Meinung von Innenminister Friedrich zum Thema und die Vorwürfe der Opposition beherrschen die politische Debatte. Datenschutz ist derzeit das allumfassende Thema. 

Worum geht es eigentlich?

Spiegel-Online fasste die Prism-Debatte in dieser Woche besonders kurz zusammen. „Erstens: Deutsche und ausländische Nachrichtendienste arbeiten zusammen. Zweitens: Von der Dimension der Spähprogramme habe [die Bundesregierung] erst durch den Whistleblower Edward Snowden erfahren. Drittens: Details über die Arbeit deutscher Geheimdienste werden nicht öffentlich, sondern in Gremien beraten.“ Ganz nüchtern betrachtet, wittert man hier nicht unbedingt ein großes deutsches Wahlkampfthema. Zumal sich die Sache mit dem Datenschutz auf einem internationalen Level abspielt, wo, wie vom Kollegen Ekko Snakker ganz richtig angemerkt, internationale Abkommen und Verträge geschlossen werden müssen. Und die andere Sache hinsichtlich des Ex-Angestellten Edward Snowden eher ein inner-amerikanisches als ein deutsches Problem ist. 

Ist das jetzt Wahlkampf?

Im Wahlkampf geht es bekanntlich darum, die Gunst des Wählers zu gewinnen und möglichst viele Anhänger der eigenen politischen Ideen zu versammeln. Dazu legt man sich vorab fest und spricht Probleme an, die man nach der Wahl angehen will. Ihre politischen Ideen veröffentlichen die antretenden Parteien bereits im Vorfeld in ihren Wahl- oder Regierungsprogrammen. 

© Alexander Hauk / www.alexander-hauk.de

Gutes Thema, schwierige Lösung

Die CDU erklärt beispielsweise im Regierungsprogramm „Gemeinsam erfolgreich für Deutschland.“ die Notwendigkeit des Rechts der „Verbraucher auf Selbstbestimmung über ihre persönlichen Daten und auf den Schutz ihrer Privatsphäre [haben]“, jedoch kein Wort über Geheimdienst relevante Unterlagen, Dienste im Ausland oder Kooperationen. „Das wir entscheidet“ bekanntermaßen im Regierungsprogramm der SPD. Im Falle einer Regierungsbeteiligung sprechen sich die Sozialdemokraten für ein eigenes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz sowie den Diskriminierungsschutz „so genannte[r] Whistleblower“ aus. Aber dies nur am Rande der Thematik. Denn die SPD plädiert auch für ein „hohes Schutzniveau und ein[en] wirksame[n] Rechtsschutz“. Wieder kein Wort über internationalen Datenaustausch.

Die Liberalen meinen im „Bürgerprogramm 2013 – damit Deutschland stark bleibt“, dass die Menschen in Deutschland „nicht pauschal unter Verdacht gestellt und ohne Anlass beim mobilen Telefonieren, Versenden von SMS-Nachrichten oder Surfen im Internet überwacht werden“ dürfen. Seltene Einigkeit herrscht diesbezüglich mit den Grünen. Im Bundestagswahlprogramm „Zeit für den grünen Wandel“ wollen sie die „ausdrückliche Einwilligung zur Speicherung und Verarbeitung von Daten zum Grundprinzip machen“. „Das gilt gegenüber dem Staat wie gegenüber Unternehmen und anderen privaten Stellen“.

Wahlkampf, jetzt!

Hilft es nun dem Wähler, wenn Themenbereiche gestreift werden, die der deutsche Politiker an und für sich gar nicht lösen kann? Vielleicht, falls die Frage meint, ob die Parteien über das Thema Datenschutz bereits entschieden haben. Oder wenn sie gar konkrete Ansätze haben, wie sich angesichts internationaler Problemstellungen wie etwa Privacy by Design oder Privacy by Default Lösungen finden lassen. Allerdings eben nur im Rahmen ihres Handlungsspielraums.

Dies führt zur nächsten Frage, nämlich ob der Ruf nach mehr Datenschutz und Selbstbestimmung der Bürger bei einem Thema, dessen Entscheidung naturgemäß nicht in deutscher Hand liegt, wahlkampftauglich sind. Laut Opposition ja. Dennoch beißt diese sich gerade die Zähne aus, wie die Süddeutsche treffend zusammengefasst hat. Und ist das noch Wahlkampf, wenn es nur noch ein Thema gibt, das die Betroffenen gar nicht lösen können? Dies trifft den Kern der derzeitigen Debatte. Sicherlich braucht Deutschland einen Diskurs über Medienkompetenz und auch über anlasslose Datenspeicherung. Am 22. September jedoch braucht es in erster Linie eine Wahlentscheidung. Und diese darf nicht zugunsten eines Themenkomplexes fallen.

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Inga Barwitzki

Inga Barwitzki

Inga Barwitzki ist Consultant bei Ketchum Pleon in Berlin. Die Kommunikationswissenschaftlerin berät Kunden in den Bereichen Public Affairs, Issues Management und Corporate Events. Innerhalb der Ketchum Pleon Food Group ist sie die Expertin für internationale Alkoholpolitik.
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