Nun ist es offiziell: Am 20. Februar 2011 wird die Hamburger Bürgerschaft vorzeitig neugewählt und ist somit die erste von vielen Landtagswahlen im nächsten Jahr. Doch was können wir in diesem zehnwöchigen – vergleichsweise, eingedenk Weihnachten und Silvester, kurzen – Wahlkampf erwarten? Besonders im Hinblick auf Online-Campaigning über die eigene Webseiten und Social-Media-Kanäle? Wer ist besonders aktiv und wer hat vielleicht schon den digitalen Anschluss verpasst?

Um eine so kurzfristige Kampagne erfolgreich durchzuführen braucht es eine gute Ausgangsposition, denn für große Projekte fehlt die Zeit. Zunächst haben wir die Online-Aktivitäten der Hamburger Parteien und Spitzenkandidaten näher betrachtet: Was geschieht auf den Websites und in den sozialen Netzwerken? Im zweiten Schritt versuchen wir einzuschätzen, inwiefern der kommende Wahlkampf digitalisiert wird. 

Die Wahlkampf-Zentrale: Die Partei-Website

Die Websites der Hamburger Landesparteien von CDU, SPD, GAL, Linke und FDP sind alle zeitgemäß gestaltet und bieten allerhand Informationen über Gremien, Abgeordnete und Programm. Davon abgesehen sind die Online-Auftritte reine Textwüsten ohne Kommentarfunktion oder gar interaktive Elemente. Ein Formular, über welches sich Unterstützer für Wahlkampfaktionen melden können, findet man nur bei den Grünen. Den Partei-Newsletter muss man auf den Parteiseiten akribisch suchen, wenn er denn überhaupt vorhanden ist: Was bei CDU, SPD und FDP nicht der Fall ist. Was alle Parteien gelernt haben ist die prominent-platzierte Verlinkung auf Social Networks.

Gesicht zeigen?

Wie zum Beispiel auf Facebook, wo alle Landesparteien vertreten sind: Die SPD steht hier vergleichsweise am Besten da und hat neben einer eigenen Seite mit 899 Fans auch noch eine eigene Gruppe (147 Mitglieder). Die Hamburger Grünen sind mit 773 Fans ähnlich gut aufgestellt. Die Seite der Linken scheint weniger bekannt zu sein, denn sie verfügt nur über 335 Fans. Sicherlich auch deshalb, weil hier nur ein simpler RSS-Feed angezeigt wird – Interaktion sieht anders aus. Bei der CDU und FDP sieht es dagegen noch dunkler aus, hier wird jeweils nur eine (mehr oder minder offizielle) Gruppe genutzt mit 264 bzw. 125 Mitgliedern. 

Parteigezwitscher made in Hamburg

Auch Twitter wird von den Parteien genutzt: Grüne und SPD sind in ihrer jeweiligen Reichweite vergleichbar mit über 1.500 Followern. FDP und Linke sind über das anfängliche Ausprobieren nicht hinausgekommen: Die Hamburger Freidemokraten haben seit Mai 2010 nicht mehr als 15 Tweets geschrieben. Die Linke hat anscheinend am 30. November 2010 festgestellt, dass nun Wahlkampf ist und eilig einen Account erstellt. Dieser wird jetzt mit einem RSS-Feed gefüllt. Die CDU scheint das Potential nicht zu erkennen und verzichtet somit gänzlich auf einen Twitter-Account.

Sendungen aus der Vergangenheit

Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch auf YouTube ab. Überzeugen können hier einzig die Hamburger Grünen mit neuen Videos und reger Aktivität. Das letzte Video der SPD wurde vor fünf Monaten hochgeladen, bei der Linken vor einem Jahr. Die FDP besitzt zwar einen offiziellen Account auf YouTube, allerdings wurde dieser noch nie genutzt. Anachronistisch präsentiert sich die CDU mit dem Format „Ole TV“. Schließlich ist Ole von Beust schon lange nicht mehr Bürgermeister in Hamburg. Das letzte Video wurde vor beinahe drei Jahren hochgeladen und hat mittlerweile eher historischen Wert.

Hamburgs "Next Bürgermeister"

Politik und besonders der Wahlkampf werden immer personalisierter, da die Spitzenkandidaten gegenüber den Inhalten in den Vordergrund rücken. Diese Entwicklung hat sich über die letzten Jahrzehnte vollzogen, wurde durch die Möglichkeiten des Internets aber noch einmal verstärkt. Diesen Trend scheinen allerdings die Spitzenkandidaten verschlafen zu haben. Katja Suding von der – nicht in der Hamburger Bürgerschaft vertretenen – FDP ist hier noch am besten aufgestellt: Sie bietet ein moderne Website mit einigen Informationen zu Lebenslauf und Themenschwerpunkten an. Viel mehr findet man dort allerdings auch nicht. Immer hin: Die Spitzenkandidatin schreibt, so macht es den Anschein, bei Twitter (284 Followers) und Facebook (851 Freunde) persönlich. Olaf Scholz von der SPD bietet Ähnliches. Allerdings könnte seine Website einen neuen Anstrich vertragen: Das Design wirkt mittlerweile altbackend. Auch wird Facebook (1413 Fans) und Twitter (839 Follower) ausgiebig genutzt, doch lesen sich die Inhalte wie Pressemitteilungen statt persönlicher Nachrichten oder Meinungen. Christoph Ahlhaus, der jetzige CDU-Bürgermeister und die Fraktionsvorsitzende der Linken Dora Heyenn haben bisher auf eine Website sowie Aktivitäten im Sozialen Netz verzichtet. Facebook und Co. entsagt auch die Spitzenkandidatin der Grünen Anja Hajduk. Ihre "Homepage" könnte man als Web 0.9 bezeichnen: Die Seite besteht aus genau einem Foto mit Begrüßungstext sowie drei Links, von denen zwei mittlerweile ins digitale Nirwana führen.

1. Update: Die Hamburger Grünen haben reagiert und die Seite von Anja Hajduk (http://www.anja-hajduk.de) offline gestellt. Die Adresse leitet jetzt auf die Grünen-Parteiseite weiter. Wie wir gerade von den Grünen erfahren haben, ist auf jeden Fall ein Relaunch der Seite geplant, um dort Wahlkampf zu machen. Wir dürfen also gespannt sein.

Fazit

Einerseits haben einige Parteien kaum eine nennenswerte digitale Basis, auf der sie aufbauen können. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Parteien, die eine solche Basis besitzen, in der kurzen Zeit eine innovative und nachhaltige Online-Kampagne starten können. Das sollten sie, denn Hamburg hat ein enormes Potential für einen innovativen Online-Wahlkampf.

* Alle Zahlen aus den genannten Sozialen Netzwerken wurden am 15. Dezember 2010 entnommen.

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wahl.de Redaktion

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