Nachdem wir schon die Ausgangslage der Hamburger Parteien sowie das enorme Potential der Hansestadt für den Online-Wahlkampf genauer betrachtet haben, haben wir uns nun einen Eimer Popcorn geschnappt und die Höhepunkte hanseatischer Filmkunst zu Gemüte geführt.

Hamburg wählt und die Wahlkampfmaschinerie rotiert. In den vergangenen zwei Monaten haben alle großen Parteien ihre Liebe zum Bewegtbild entdeckt und wollen sich über Plattformen wie YouTube dem Wähler im besten Scheinwerferlicht präsentieren. Dabei nutzen die CDU, SPD, GAL, Linke und FDP nicht nur die üblichen Wahlkampfspots, sondern setzen auch auf selbstproduziertes Material. 

Partei Wahlkampf-Videos* Abonnenten Quotenhit**
CDU 5 0 18.900
SPD 14 23 4850
GAL 10 59 1423
Linke 15 17 1485
FDP 5 1 984
*Videos mit Einstelldatum zwischen dem 15.12.2010 und 15.02.2011
** Anzahl der Views des erfolgreichsten Wahlkampf-Videos

 

Der Wahlkampfspot an sich …

Wahlkampfspots sind für eine Kampagne ein sehr wichtiges Instrument, um für eine Partei zu werben sowie eigene Inhalte und Spitzenkandidaten einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Durch die kurzen Werbefilmchen werden mit den passenden Bildern, Texten und der richtigen Musik Emotionen geweckt, die ein biederes Plakat kaum erzeugen kann. Darum haben sich in den letzten Jahrzehnten die Spots bei den Parteien durchgesetzt und sind heute nicht mehr wegzudenken, auch nicht bei Landtagswahlen.

Fernsehen vs. Internet

Seit 6 Jahren besteht nun die Möglichkeit zum Beispiel auf YouTube (alles Gute zum Jahrestag!) diese Videos über das Internet zugänglich zu machen. Gerade für Parteien, die einen Landtagswahlkampf bestreiten, ist das besonders wichtig: Werbeplätze im Privatfernsehen zu kaufen ist teuer und die Streueffekte zu groß. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern des jeweiligen Bundeslandes hingegen sind die Einschaltquoten zu gering um viele Menschen zu erreichen. Und genau hier kommen Videoplattformen ins Spiel. Sie sind meist kostenlos und ermöglichen es die Videos weitreichend in den eigenen Wählergruppen zu verbreiten.

Die YouTuber

Aber nicht nur das: Anstatt im Wahlkampf nur einen – verhältnismäßig – teuren Spot zu drehen ist es durch die extrem günstigen Produktions- und Vertriebskosten heute möglich quasi jeden Tag neues Videomaterial zu erstellen und der Öffentlichkeit zu präsentieren. So gibt es passable HD-Camcorder für unter 200 Euro (zum Beispiel von Flip oder Kodak) und ausreichend professionelle Schnittsoftware für unter 100 Euro. Somit können die Parteien neben dem Standard-Werbespot auch Videos von Veranstaltungen, Interviews oder weiteren Kampagnen-Filmchen produzieren.

Auch die Hamburger Parteien haben für sich das Potential eigener Filmbeiträge entdeckt. Allerdings weisen diese die ein oder anderen Schwäche auf, wie wir beim Durchwühlen der Beiträge feststellen mussten.

CDU: Flachköpper ins Nichtschwimmerbecken

Die CDU setzt im Hamburger Wahlkampf auf einen bezahlten Plus-Account bei der Videoplattform Vimeo, anstatt ihren YouTube Account "Ole TV" wiederzubeleben und verzichtet somit auf die besseren viralen Mechanismen dieser Plattform. Leider haben die Christdemokraten vergessen, für ihre fünf Videos die Kommentarfunktion frei zu schalten. Oder ist das für sie vielleicht nur eine erweiterte Form des Fernsehers – mit intergriertem Videotext?

Der offizielle Wahlspot ist nicht gerade der typische Werbefilm, den man von der CDU erwartet hätte. Aber was nehmen wir aus diesem Video mit? Bei der CDU gibt es alte Menschen die gerne Bus fahren und über flache und anzügliche Witze lachen. Inhalte? Anscheinend rechnet sich die CDU an, dass auf der nun glasflaschenbefreiten Reeperbahn nicht mehr scharf geschossen wird. Und sie will wohl den öffentlichen Bäderbetrieb ausbauen, oder so. Trotzdem hat die CDU mit ihrem Spot über 18.900 Klicks erhalten. Ob das aber alles der Partei wohlgesinnte Zuschauer waren, bleibt fraglich.  

CDU-Hamburg TV-Spot "Stadtrundfahrt" from CDU Hamburg.

700 mal 7 from CDU Hamburg.

Als ein weiteres Schmankerl versucht die CDU auch plattformübergreifend zu denken und mit einem Video für mehr Fans auf Facebook zu werben. Gut so: Nächstes Mal aber ein ordentliches Mikrofon einpacken.

SPD: Olaf fährt gerne Auto

Von der SPD wurden 14 Filme auf YouTube hochgeladen, vom Wahlkampfspot über Interviews und Reden bis hin zu Diskussionsrunden. Allerdings sind die Videos etwas lang geworden: Die Durchschnittszeit aller dreizehn Beiträge liegt bei 23:43 Minuten. Kurz und knackig sieht anders aus. Gerade für ein schnelllebiges Medium wie das Internet ist das viel zu lang. Ein kurzer Zusammenschnitt der wichtigsten Punkte einer Veranstaltung wäre besser gewesen.

Aus dem bisher 4.800 mal angesehen Wahlkampfspot der SPD erfahren wir das Olaf Scholz gerne Auto fährt. Ganz selten scheint er auch einmal den Zug zu nutzen. Ansonsten steht Scholz absolut im Mittelpunkt: die Kamera dreht sich nur um ihn, er spricht den Text und verkündet "sein" neues Regierungsprogramm für Hamburg.

Neben den vielen und langen Veranstaltungsvideos hat die SPD auch mal ein kurzes Video veröffentlicht, welches zur Briefwahl aufruft. Eine gute Idee, schließlich werden Briefwahlen für die Parteien immer wichtiger. Doch hätte man sich mehr Gedanken um die Bildsprache machen müssen: Passt die SPD wirklich nirgendwo hinein?

GAL: Keine Versprechen, keine Inhalte

Die Grünen haben in den letzten zwei Monaten zehn neue Videos auf YouTube gestellt. Das sind neben dem Wahlkampfspot auch Reden aus der Bürgerschaft und Veranstaltungen sowie drei Kampagnenvideos.

Um die Wähler und Wählerinnen nicht zu sehr zu verwirren, haben sich die Grünen für ihren Wahlkampfspot auf einen alternativen Weg begeben: keine PolitikerInnen, keine Inhalte. Statt dessen werden Wünsche von "ganz normalen Hamburgern" vor der Kamera aufgesagt, die so ziemlich jede andere Partei auch hat. Die 950 Aufrufe kurz vor dem Ende des Wahlkampfes sprechen wohl für sich bzw. das Video.

Mit einem Kampagnen-Video wollen die Grünen anscheinend darauf hinweisen, dass die politischen Gegner gerne Wahlversprechen geben, diese jedoch leer sind. Eigentlich ganz nett umgesetzt, doch fragt man sich am Ende, ob denn die GAL alle Wahlversprechen – also auch ihre eigenen – zunichte machen will.

Linke: Monotoner Klassenkampf

Auf dem YouTube-Account der Hamburger Linken finden sich 15 neue Videos, zum größten Teil Beiträge von den Kandidatenvorstellungen vom Landesparteitag im Januar. Dort erfährt man unter anderem, dass Kandidaten der Linken die Bürgerschaft zum Klassenkampf nutzen will.

Knapp 1.500 Klicks hat der Wahlkampfspot der Linken, der ihnen eigentlich ganz gut gelungen ist. Die im Mittelpunkt stehende Spitzenkandidatin Dora Heyenn präsentiert Erreichtes, Ideen und Themen. Nur der graue, triste Hintergrund macht das Video ein wenig fad.
 

 

Langweilig, trotz guter Bilder, ist das Video von Joachim Bischoff, Platz zwei auf der Landesliste. Nicht wegen des Inhalts der vorgetragen wird, sondern wegen der extrem monotonen Stimme. Eigentlich gehört Rhetorik seit der Antike zur Berufsqualifikation von Politikern.

FDP: Retro ist nicht immer chic

Der extra für diesen Wahlkampf eingerichtete Account auf YouTube enthält bisher fünf Videos: den Wahlkampfspot sowie vier Videopodcasts.

Der Spot wirkt weder modern noch innovativ, eher wie ein Familienvideo aus den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Komische Text-Einblendungen und ein Off-Sprecher wie aus dem Offenen Kanal. Die wenigen Inhalte werden mit 520 Klicks belohnt.

Der Videopodcast ist eine gute Idee: Man nimmt hier kurz und knapp zu einem bestimmten Thema Stellung. Einer der Podcasts erhält mit dem Bundesvorsitzenden der FDP Guido Westerwelle sogar prominente Unterstützung. Ob gerade seine "Popularität" für einen Einzug in die Bürgerschaft reicht?

Fazit: Alles wird gut, irgendwann

Die Hamburger Parteien haben die Möglichkeiten des Internet kombiniert mit verschiedenen Filmformaten nun endgültig für sich entdeckt. Sie haben begonnen, mit der Kamera auf die Straße zu gehen, über sich selbst zu berichten und tiefere Einblicke in ihr Wahlprogramm zu schaffen. Trotzdem steht man noch am Anfang der Lernkurve. Dass die Qualität manch eigener Produktion noch zu wünschen übrig lässt, ist nicht überraschend. Für die nächste Wahl haben wir trotzdem Hoffnung.

Was man den offiziellen Wahlkampfspots jedoch ein wenig anmerkt ist die kurze Anlaufphase des hanseatischen Wahlkampfs. Eineinhalb Monate waren anscheinend nicht ausreichend, um Ideen und Konzepte der Videos ausreichend zu entwickeln.

Exkurs: Die Partei

Wie man mit politischen Inhalten wirklich überzeugt, veranschaulicht indes die Spaß-Truppe der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, gegründet vom ehemaligen Chefredakteur der Titanic, Martin Sonneborn. Mit einfachen Mitteln wurde ein sehenswerter Spot geschaffen, der im Gedächtnis bleibt und durch filmische Qualität überzeugt.

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wahl.de Redaktion

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