Für viele steht Rheinland-Pfalz vor allem für Saumagen, Weinfeste und die Fastnacht und weniger für innovative Internet-Plattformen. Und dabei sitzt mit dem ZDF das vielleicht onlineaffinste Fernsehprogramm und mit United Internet einer der größten Internet Service Provider Deutschlands in den rheinischen Landen. Was man dabei außerdem nur allzu oft vergisst, ist zum Beispiel, dass Kurt Beck (SPD) der am längsten twitternde Ministerpräsident Deutschlands ist und seine Herausforderin Julia Klöckner (CDU) in der bundesweiten Rangliste von zwitschernden Politikern auf einem wirklich nicht schlechten 3.Platz steht.

Der rheinland-pfälzische Online-Landtagswahlkampf, der diesen Sonntag endet, ist und bleibt jedoch diesbezüglich nicht besonders spannend – zumindest nicht im positiven Sinne. Er steht ganz im Zeichen der beiden Spitzenkandidaten für das Ministerpräsidentenamt aus CDU und SPD, welche dafür wohl Einiges an Kapital investiert haben müssen. Doch trotz dieser vergleichsweise großen Ressourcen für die parteipolitischen Online-Aktivitäten vermisst man schlussendlich eine Strategie und ein schlüssiges Bild der beiden Kampagnen. FDP, die Grünen und die Linke hingegen hätten sich wenigstens ein wenig vom Willen einer gut geführten Online-Kampagne abkupfern können.

Vielleicht ist dies auch Jammern auf hohem Niveau, denn die grundsätzlichen Anwendungen und Inhalte für eine Online-Kampagne werden mehr oder weniger von allen Parteien und Spitzenkandidaten eingehalten. Aber sollte 2011 nicht eigentlich mehr drin sein? In den folgenden Absätzen haben wir versucht zu analysieren, was gut und was ausbaufähig ist – auf den Websites sowie in den Sozialen Netzwerken.

Die Websites der Parteien

Die Seiten von SPD, CDU, FDP, den Grünen und der Linken im Netz sind alle zeitgemäß aufgebaut und grafisch ansprechend aufbereitet. Es wird mit vielen Bannern, Slidern und prominenten Hinweisen auf die eigenen Präsenzen in den Social Networks geworben. Zudem sind die Seiten auch gut strukturiert, denn im Normalfall braucht der Nutzer nicht mehr als drei Klicks, um an das gesuchte Ziel zu gelangen.

Inhaltlich bieten die Seiten alle eine aufbereitete Variante des jeweiligen Wahlprogramms, Kandidatenübersichten, viele Bilder, Videos und Artikel. Bei letzterem handelt es sich jedoch nur um Pressemitteilungen, die für den Wähler selbst in dieser Form eher uninteressant sind. Um sicher zu gehen, dass dieser aber in der Folge auch keine Fragen zu den jeweiligen Mitteilungen stellen kann, wurde zudem konsequent auf Kommentarfunktionen verzichtet. Auch sonst sind alle Partei-Seiten nicht wirklich auf Interaktion mit dem Wähler ausgelegt und kommen somit kaum über die Funktion einer Wahlzeitung hinaus. Die Grünen entsenden noch den sichtbarsten Hoffnungsschimmer, indem sie einen Blog nutzen. Das Problem dabei: Allein die zwei letzten Artikel wurden in einem Abstand von vier Wochen veröffentlicht. Aktualität sieht anders aus.

Ansonsten ist der Funktionsumfang der Partei-Seiten eher mäßig. Den Mehrwert eines Newsletters sehen wohl auch nur die Sozial- und die Christdemokraten – und das in der 2. Dekade des 21.Jahrhunderts wohlgemerkt. Auf die Idee, dass man online auch viel einfacher Spenden sammeln kann als durch die bloße Angabe von Kontodaten, ist dagegen nur die Linke gekommen, die ganz gerissen direkt auf ihr PayPal-Konto verlinkt. Dass Online-Fundraising viel effektiver wäre, wenn man den Unterstützer über das Spendenziel informieren würde oder diesem die Möglichkeit gäbe, selbst darüber zu entscheiden, wo der Spendenbetrag hinkommt, ist an der Linken wohl etwas vorbeigegangen.

Die Websites der Spitzenkandidaten

Die meisten Spitzenkandidaten präsentieren sich noch einmal gesondert auf ihrer persönlichen Website. Nur bei den Linken gibt es diesbezüglich eine gewisse Divergenz. So wird für Robert Drumm, einen der beiden Spitzenkandidaten, eine Seite angegeben, wo man allerdings nur von einer Wartungsarbeiten-Seite von T-Home begrüßt wird. Das darf in der Woche vor der Wahl nicht passieren. Die Seite der zweiten Spitzenkandidatin Tanja Krauth wird von der Linken gar nicht angegeben. Existent ist sie trotzdem, die letzte Meldung stammt jedoch aus dem Februar und das letzte Foto aus dem Jahr 2009.

Aber auch die anderen Spitzenkandidaten Kurt Beck, Herbert Mertin (FDP) und das grüne Spitzenduo Eveline Lemke und Daniel Köbler haben das Wort ‚Interaktion’ noch nicht so richtig begriffen. Sie alle bieten zwar hübsch aufpolierte Textansammlungen, von einer Interaktionsmöglichkeit jedoch keine Spur – auch bei Julia Klöckner nicht. Im Falle der CDU-Spitzenkandidatin muss man es allerdings fast schon als blanken Hohn empfinden, wenn in der Begrüßungs-Audioschleife beim Start ihrer Website Sätze wie "Diskutieren Sie mit, stellen Sie mir Fragen und geben Sie mir auch gerne Anregungen" fallen und die einzige Möglichkeit dafür ein Kontaktformular ist.

Die Wahlkampftour-Websites

Einen Großteil der Zeit in einem Wahlkampf verbringt ein Spitzenkandidat mit Reisen von einer Wahlkampfveranstaltung zur nächsten, kreuz und quer durchs Land. Um diesen Großereignissen gerecht zu werden, haben sich SPD und CDU dazu entschieden, für ihre Touren jeweils eine eigene Seite zu erstellen. Dort findet man in einem komplett eigenen Design (Corporate Design war an dieser Stelle anscheinend unwichtig) alle Termine, ganz viele Fotos und Videos sowie einen Standardtext zu jedem Aufenthalt. Warum dafür eine eigene Seite aufgebaut werden musste, erschließt sich einem jedoch nicht wirklich.

Soziale Netzwerke der Parteien

Ein eigenes Soziales Netzwerk aufzubauen hat für eine Partei viele Vorteile, denn andere Netzwerke, seien sie auch noch so funktionsreich, bieten nie genau das, was eine Kampagne braucht. Außerdem können sie zur Mobilisierung und Planung des Wahlkampfes, aber auch über diesen hinaus, verwendet werden. Die Kehrseite der Medaille hierbei ist jedoch, dass solche Plattformen stets mit großen Ausgaben verbunden sind und relativ früh für eine Kampagne aufgebaut werden müssen, um genügend Unterstützer zu sammeln. Diese Erwägungen scheinen SPD und CDU nicht gestört zu haben, denn beide haben für ihre/n Spitzenkandidaten/in versucht, so ein Netzwerk aus dem Boden zu stampfen.

Auf IchUndKurtBeck.de kann man der Welt mitteilen, warum man Kurt Beck spitze findet und er weiterhin im Amt des Ministerpräsidenten bleiben sollte. Dafür kann sich der Unterstützer auf der Plattform anmelden und ein Bild von sich hochladen. Als Dankeschön erhält er darüber hinaus eine personalisierte Unterstützerurkunde als pdf-Datei. Durch verschiedene Aktionen kann man sogar Punkte für einen (imaginären) Highscore sammeln, um im Wahlkampf motiviert zu bleiben. An dieser Stelle ist aber auch Schluss. Man kann nämlich weder seine Punktzahl mit der seiner Freunde noch mit dem Score aller anderen Mitglieder vergleichen. Auch die Kommunikation zwischen den Mitgliedern ist nicht möglich. Das ist, gelinde ausgedrückt, wirklich schade, denn hier wurde trotz Investitionen kaum Nutzen für die Kampagne geschaffen. Trotzdem haben sich über 4.000 Menschen auf dieser Plattform registriert.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei Wir für Julia Klöckner auf camp2011.de ab. Auch hier darf der positiv geneigte Nutzer niederschreiben, aus welchen Gründen er Julia Klöckner unterstützt. Zudem dürfen Fotos und Videos hochgeladen und ein paar Infos in einem eigenen Profil eintragen werden. Allerdings kann das niemand außer einem selbst lesen. Aber nicht nur das erschwert ein Interagieren zwischen den Mitgliedern: Die fehlende Nachrichtenfunktion fördert den Kommunikationsprozess auch nicht besonders. Die Idee, dass die Unterstützer im eigenen Wahlkreis angezeigt werden können, ist zwar nett, aber durch die fehlenden Grundfunktionen völlig nutzlos.

Social Networks

Zum Glück setzen die Parteien, also auch FDP, die Grünen und die Linke zumindest auf richtige Soziale Netzwerke. Neben den Klassikern Facebook und Twitter zeigt sich in Rheinland-Pfalz auch eine kleine Anomalie, in dem ansonsten von globalen Netzwerken dominierten Angebot. So kann sich Wer-Kennt-Wen hier immer noch einer großen Nutzerschaft erfreuen und ist dementsprechend auch für die Parteien interessant.

So sehr man sich aber freuen mag, die Parteien und Spitzenkandidaten in den geläufigsten Sozialen Netzwerken vorzufinden. Ein genauerer Blick deckt auch hier gravierende Fehlinterpretationen diverser Funktionen auf: Einigen Wahlkämpfern der rheinland-pfälzischen Parteien ist es anscheinend bis heute nicht bekannt, dass ein automatischer RSS-Feed keine Basis für Interaktion darstellt. In einem Sozialen Netzwerk wollen die Menschen nämlich miteinander kommunizieren und nicht quasi maschinell abgefertigt werden. Die Nutzung solcher automatischen Dienste ist nicht nur unhöflich gegenüber dem Wähler sondern auch extrem schädlich für eine Kampagne. Dies scheint der SPD (Facebook) sowie der FDP (Facebook und Twitter) aber egal zu sein. Auch die Verwendung gleicher Inhalte auf verschiedenen Diensten wird sehr ungünstig genutzt. Die CDU sowie auch ihre Spitzenkandidatin Julia Klöckner nutzen Facebook eigentlich ausschließlich über Twitter, indem die beiden Facebook-Fanpages nur mit Tweets gefüllt werden. Mit plattformspezifischer Kommunikation hat dies nicht wirklich etwas zu tun. Eher damit, dass man gleichzeitig einen Artikel bei der FAZ und im Playboy veröffentlichen würde, um einen Vergleich aus der alten Medienwelt anzustrengen.

Die Grünen machen ihre Sache auf Facebook und Twitter vergleichsweise ganz gut. Ihre Spitzenkandidaten – Daniel Köbler und Eveline Lemke – scheinen diese Plattformen sogar eigenständig für sich zu nutzen. Bei Ministerpräsident Kurt Beck kann man auf Facebook entweder Fan werden oder sich mit ihm befreunden. Doch trotz seiner langen Karriere auf Twitter scheint sein Büro den Dienst bis heute nicht wirklich verstanden zu haben: Fast keine Links, keine Hashtags, keine Replies und das alles hübsch verpackt in einem Pressemitteilungsstil. Die Spitzenkandidaten der Linken, Robert Drumm (Facebook und Twitter) und Tanja Krauth (Facebook), scheinen nicht einmal über das anfängliche Ausprobieren hinaus gekommen zu sein.

Aber vielleicht sind diese Netzwerke in Rheinland-Pfalz auch nicht so wichtig. Denn es existiert auch noch Wer-Kennt-Wen, ein Soziales Netzwerk, das nur im Süd-Westen der Republik genutzt wird – dort aber sehr stark. Die ca. neun Millionen Nutzer konzentrieren sich vor allem auf Rheinland-Pfalz und somit ist es für die Parteien extrem wichtig, dort präsent zu sein, denn hier treffen sie sehr leicht auf ihre Wähler. So hat Kurt Beck auf Wer-Kennt-Wen ca. 27.000 Freunde! Die Anzahl seiner Facebook-Fans sieht dabei mit "nur" 2.200 Fans fast mickrig aus. Zwar können die anderen Spitzenkandidaten (es sind alle vertreten außer Herbert Mertin von der FDP) mit diesen Fanzahlen auf Wer-Kennt-Wen nicht wirklich mithalten. Sie sind aber meist vergleichbar mit denen von Facebook oder liegen darüber. Auch die Parteien SPD, CDU, FDP, Grüne und Linke sind in einer jeweiligen Gruppe auf Wer-Kennt-Wen vertreten und, obwohl sie eher ein wenig altbacken wirken, ist auf ihnen eine gewisse Aktivität zu verzeichnen.

 

Facebook Twitter Wer-Kennt-Wen
Kurt Beck (SPD) 2.250 2.800 27.000
Julia Klöckner (CDU) 1.850 12.600 6.900
Herbert Mertin (FDP) 590
Eveline Lemke / Daniel Köbler (Grüne) 880 / 250 720 / 830 420 / 320
Robert Drumm / Tanja Krauth (Linke) 510 / 900 17 / – 970 / 800

 

YouTube

Auf YouTube präsentieren alle Parteien ihre Wahlkampfspots, Kandidaten- und Veranstaltungsvideos in unterschiedlicher Intensität. So haben FDP und Grüne gerade einmal zwei bzw. vier Videos in den letzten vier Monaten hochgeladen. Die Sozialdemokraten stellen insgesamt 18 Videos zur Verfügung. Zu den 18 Mitschnitten vom Parteitag der Linken kommen noch drei weitere Wahlkampffilmchen. Die CDU hat bis heute 42 Bewegtbilder auf die Plattform gestellt. Davon sind 29 Videos der Vorstellung der Landtagskandidaten gewidmet. Eine beeindruckende Intensität von Veröffentlichungen, die gut gelungen sind.

Die Wahlkampfspots der Parteien sind grundsätzlich Standard-Werke, was nicht schlecht ist, aber einen auch nicht an den Bildschirm fesselt. Nur die Grünen und die Linke haben vielleicht ein wenig zu sehr den Charme eines Schüler-Video-Projekts. Hier die Anzahl der Aufrufe der Videos:

– SPD: 2.300
– CDU: 2.200
– FDP: 2.300
– Grüne: 840
– Linke: 470

Fazit

Den Online-Wahlkampf in Rheinland-Pfalz in seiner Gesamtheit zu bewerten ist schwierig. Einerseits sehen wir eine unengagierte und uninspirierte Internet-Kampagne von FDP, den Grünen und der Linken, so wie aber auch von vielen anderen Landesverbänden und Parteien vor diesem Wahlsonntag.

Auf der anderen Seite erleben wir von SPD und CDU eine Materialschlacht, die wir in einem Landtagswahlkampf so noch nicht erlebt haben. Dies ist vielleicht auch der teuerste Online-Wahlkampf, der in Deutschland jemals auf Landesebene stattgefunden hat. Leider sagt das jedoch nichts über die Qualität oder eine gelungene Strategie der Bemühungen im Internet aus. Die Grundlagen für einen digitalen Wahlkampf werden erfüllt, teilweise wird sogar On- und Offline zusammengebracht. So haben zum Beispiel die Print-Materialien und die Websites der CDU das gleiche Design, was den Wiedererkennungswert natürlich enorm steigert. Andererseits haben wir aber beinahe tote Netzwerke, die kaum Betreuung genießen.

Bisher war die Begründung für solch fatales Desinteresse die mangelnde finanzielle Ausstattung der Online-Redaktionen. Dieser Grund wird an dieser Stelle jedoch obsolet. Außerdem stellt sich auch die Frage nach konkretem Sinn und Konzept der Unterstützer-Netzwerke. Es ist zwar ganz nett, wenn der Wähler auf einen Knopf drücken kann, um zu sagen, dass er den jeweiligen Spitzenkandidaten unterstützt. Zum Schluss nützt das aber weder dem Nutzer noch dem Wahlkampf der Partei. Ausschlaggebend werden diese Internet-Auftritte für das Wahlergebnis sicherlich nicht sein.

The following two tabs change content below.
wahl.de Redaktion

wahl.de Redaktion

Die wahl.de Redaktion schaut täglich nach den spannendsten, interessantesten und kuriosesten News rund um Politik und Wahlen. Kurz notiert.
appstretto